TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/8 89/11/0186

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Veröffentlicht am 08.05.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AVG §45 Abs2;
WehrG 1978 §23 Abs2;
WehrG 1978 §24 Abs7;
WehrG 1978 §55 Abs1;

Betreff

N gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 6. Juni 1989, Zl. N/60/02/08/39, betreffend Eignung zum Wehrdienst

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1960 geborene Beschwerdeführer wurde mit mündlich verkündetem Beschluß der Stellungskommission des Militärkommandos Wien vom 6. Juni 1989 für tauglich erklärt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Aktenlage weigert sich der Beschwerdeführer seit Jahren beharrlich, seiner gesetzlichen Stellungspflicht nachzukommen. Er beruft sich dazu auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht (§ 2 ZDG). In dieses Recht greife die Stellungspflicht, die bereits einen Teil der Wehrpflicht darstelle, ein. Der Beschwerdeführer erschien zwar nach einem fehlgeschlagenen Versuch, ihn zwangsweise vorführen zu lassen, aus eigenem am 6. Juni 1989 vor der Stellungskommission der belangten Behörde, verweigerte aber jegliche Mitwirkung am Stellungsverfahren. In dem von der Stellungskommission aufgenommenen Protokoll vom 6. Juni 1989 wird der Vorgang wie folgt dargestellt:

"... Die Frage des Vorsitzenden, ob er sich dem Stellungsverfahren unterziehen wolle, wird von Mag. N verneint. Mag. N war nicht bereit, Fragen des Arztes und des leitenden Psychologen zu beantworten. Daraufhin wurde dem Stellungspflichtigen gemäß Absprache mit BMLF/ErgA aufgrund des mehrheitlichen Kommissionsbeschlusses und der med.

Blickdiagnose vom Vorsitzenden die Tauglichkeit verkündet. Mag. N weigerte sich vor der Kommission und im Beisein seines Rechtsbeistandes die Tauglichkeitsbescheinigung zu unterzeichnen sowie entgegenzunehmen ..."

Der Beschwerdeführer macht in der vorliegenden Beschwerde der Sache nach geltend, der angefochtene, auf "Tauglich" lautende Beschluß sei wegen Nichtdurchführung der im § 23 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 vorgeschriebenen ärztlichen und psychologischen Untersuchungen rechtswidrig. Demgegenüber verweist die belangte Behörde auf die strikte Weigerung des Beschwerdeführers, am Stellungsverfahren mitzuwirken, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sei, anders als auf die gewählte Weise vorzugehen. Für einen auf "Vorübergehend untauglich" oder "Untauglich" lautenden Beschluß habe keine Veranlassung bestanden, da der Arzt der belangten Behörde aufgrund des Habitus des Beschwerdeführers, seiner Fähigkeit zu einem Studium und des Umstandes, daß er Führerscheinbesitzer sei, keinen Grund gesehen habe, anders als für "Tauglich" zu stimmen.

Gemäß § 23 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978, BGBl. Nr. 150, obliegt den Stellungskommissionen unter anderem die Feststellung der Eignung der Stellungspflichtigen zum Wehrdienst. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle haben die Stellungskommissionen die Eignung der im Abs. 1 genannten Personen zum Wehrdienst auf Grund der zur Feststellung dieser Eignung durchgeführten ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen: "Tauglich", "Vorübergehend untauglich", "Untauglich". Erscheint für diese Feststellung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die im Abs. 1 genannten Personen von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Ein auf "Tauglich" lautender Beschluß bedarf der Zustimmung des Arztes.

Gemäß § 24 Abs. 1 erster Satz des Wehrgesetzes 1978 sind Wehrpflichtige (§ 16) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, sich auf allgemeine, in ortsüblicher Weise kundzumachende oder auf besondere Aufforderung zur Feststellung ihrer geistigen und körperlichen Eignung für die Erfüllung der Wehrpflicht Stellungskommissionen zu stellen, sich hiebei den erforderlichen ärztlichen und psychologischen Untersuchungen zu unterziehen, die zur Durchführung der Aufgaben der Stellungskommissionen notwendigen Auskünfte zu erteilen, sowie die zu diesem Zwecke angeforderten Unterlagen vorzulegen; sie sind ferner verpflichtet, auf besondere Anordnung der Stellungskommissionen die ihnen aus militärischen Erfordernissen zugewiesene Unterkunft in Anspruch zu nehmen (Stellungspflicht). Nach § 24 Abs. 1 letzter Satz des Wehrgesetzes 1978 kann bei Personen, die eine dauernde schwere körperliche oder geistige Behinderung aufweisen, auf Grund eines amtsärztlichen Zeugnisses über diese Behinderung vom persönlichen Erscheinen vor der Stellungskommission Abstand genommen werden; in diesen Fällen kann die Stellungskommission den Beschluß nach § 23 Abs. 2 allein auf Grund des amtsärztlichen Zeugnisses fassen.

Aus diesen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang ergibt sich, daß ein auf "Tauglich", "Vorübergehend untauglich" oder "Untauglich" lautender Beschluß der Stellungskommission grundsätzlich nur auf Grund der im § 23 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 vorgesehenen Untersuchungen gefaßt werden kann. Davon ausgenommen sind allein die im § 24 Abs. 1 letzter Satz genannten Fälle, in denen ein amtsärztliches Zeugnis als Grundlage für einen derartigen Beschluß ausreicht. Hiebei handelt es sich um das Ermittlungsverfahren vor den Stellungskommissionen betreffende Bestimmungen im Sinne des § 39 Abs. 1 AVG 1950. Danach ist, von dem erwähnten Ausnahmefall abgesehen, die Beweisaufnahme durch die im Rahmen der Stellung vorgesehenen Untersuchungen notwendige Voraussetzung für die Eignungsfeststellung. Die vorliegende Regelung läßt keinen Raum für die von der belangten Behörde der Sache nach vertretene Auffassung, im Falle der gänzlichen Verweigerung der Mitwirkung an den gesetzlich vorgesehenen Untersuchungen durch einen Wehrpflichtigen könne die Eignungsfeststellung bloß auf eine "medizinische Blickdiagnose" oder ähnliche unzureichende Grundlagen gestützt werden.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten: Zum Zwecke der Schaffung der notwendigen Grundlagen für die Eignungsfeststellung ordnet das Gesetz ausdrücklich an, daß sich die Wehrpflichtigen den vorgesehenen Untersuchungen zu unterziehen und die notwendigen Auskünfte zu erteilen haben. Diese Verpflichtung gehört zu der im § 24 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 umschriebenen "Stellungspflicht", deren Verletzung gemäß § 55 Abs. 1 leg. cit. den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bildet. Dazu ist zu bemerken, daß auch im Rahmen einer "Nachstellung" (§ 24 Abs. 7) die Stellungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 zum Tragen kommt, weshalb ein Wehrpflichtiger auch dann, wenn er sich einer solchen Nachstellung nicht unterzieht, "der Stellungspflicht nach § 24 Abs. 1 nicht nachkommt" und dadurch (neuerlich) eine Verwaltungsübertretung gemäß § 55 Abs. 1 leg. cit. begeht. Abgesehen von der Möglichkeit der zwangsweisen Vorführung eines Stellungspflichtigen (§ 24 Abs. 7) sieht das Wehrgesetz 1978, wie der Beschwerdeführer zu Recht ausführt, als einzige Sanktion für die Verletzung der Stellungspflicht die Bestrafung gemäß § 55 Abs. 1 vor. Auf die Möglichkeit und die Voraussetzungen ihrer Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung nach dem VVG 1950 braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil der angefochtene Bescheid keine derartige Maßnahme zum Gegenstand hat.

Im vorliegenden Beschwerdefall, der offensichtlich nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 24 Abs. 1 letzter Satz des Wehrgesetzes 1978 fällt, folgt aus der oben dargelegten Rechtsauffassung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Infolge der Weigerung des Beschwerdeführers, sich den gesetzlich vorgesehenen ärztlichen und psychologischen Untersuchungen zu unterziehen, fehlte nämlich die notwendige Grundlage für die Feststellung seiner Eignung zum Wehrdienst. Der belangten Behörde war es daher verwehrt, den angefochtenen, auf "Tauglich" lautenden Beschluß zu fassen. Ihr gegenteiliges Vorgehen beruht auf einem Verkennen der Rechtslage.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110186.X00

Im RIS seit

08.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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