TE Vfgh Erkenntnis 1987/10/1 G142/87

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Veröffentlicht am 01.10.1987
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Stmk BauO 1968 idF der Nov LGBl 130/1974 §6a Abs1 und Abs2

Leitsatz

Bei verfassungskonformer Auslegung des §6a Stmk. BauO 1968 (betreffend Aufschließungsbeiträge) kein Widerspruch dieser Regelung wegen unterschiedlicher Behandlung einzelner Gruppen von Grundstückseigentümern zum Gleichheitsgebot

Spruch

§6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der Fassung der Nov. LGBl. Nr. 130/1974, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Gemäß §6 der Steiermärkischen Bauordnung (BauO) hat der Grundeigentümer anläßlich einer Widmung einmalig die Grundfläche, die zur Herstellung von Verkehrsflächen auf dem zu widmenden Grund erforderlich ist, bis zu einer Breite von 16 m, höchstens aber 20 % der zu widmenden Grundfläche an die Gemeinde in das öffentliche Gut abzutreten. Ferner bestimmt der durch die Bauordnungsnovelle 1974 eingefügte §6a unter der Rubrik "Aufschließungsbeitrag":

"(1) Für die im Bauland . . . gelegenen Grundstücke hat die Gemeinde aus Anlaß der erstmaligen Widmungsbewilligung, soweit nicht eine Verpflichtung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen besteht, einen Aufschließungsbeitrag für Fahrbahnherstellung, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung zu erheben. Der Aufschließungsbeitrag ist gleichzeitig mit der Erteilung der Widmungsbewilligung vorzuschreiben. Der Aufschließungsbeitrag wird zu einem Drittel mit Rechtskraft des Widmungsbescheides, zu einem Drittel zu Beginn der Aufschließungsarbeiten und zu einem Drittel einen Monat nach Fertigstellung der Aufschließung fällig. Ist die Aufschließung zum Zeitpunkt der Erteilung der Widmungsbewilligung fertiggestellt, wird der Aufschließungsbeitrag zur Gänze mit Rechtskraft des Widmungsbescheides fällig.

(2) Für die im Bauland gelegenen Grundstücke, für die eine Widmungsbewilligung, jedoch keine Baubewilligung vorliegt, ist der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Baubewilligung vorzuschreiben. Hinsichtlich der Fälligkeit gilt Abs1 sinngemäß. Der Aufschließungsbeitrag darf für dasselbe Grundstück nur einmal vorgeschrieben werden."

Die Absätze 3 bis 9 befassen sich mit der Höhe des Aufschließungsbeitrages, den Zahlungsmodalitäten, dem Verwendungszweck und der finanzverfassungsrechtlichen Einordnung der Abgabe.

Schließlich verpflichtet §10 Abs2 BauO den Eigentümer eines an die Verkehrsfläche angrenzenden gewidmeten Bauplatzes im bebauten Gebiet, der Gemeinde die Kosten der erstmaligen Herstellung eines ordnungsmäßig befestigten, staubfreien Gehsteiges entlang des Bauplatzes aus Anlaß von Neubauten zu ersetzen; es steht ihm allerdings frei, den Gehsteig selbst auszuführen.

1. Beim VfGH ist zu B549/85 die Beschwerde der Eigentümer mehrerer zwischen Burggasse, Bürgergasse und Trauttmansdorffgasse in Graz gelegener (großteils aus der Renaissance stammender) Gebäude anhängig, welche zwecks Aufstockung eine Widmungsbewilligung beantragt und eine solche unter Festsetzung von Bebauungsgrundlagen und Auflagen erteilt erhalten hatten. In der Begründung der Widmungsbewilligung war ausgeführt, der Widmungsrahmen ziele auf die Schaffung der Rahmenbedingungen für die Erhaltung der vorhandenen Baulichkeiten ab und garantiere bei Neubauten eine sensible Einfügung in die Bausubstanz.

Unter Hinweis auf diese - nach Auffassung der Behörde erstmalige - Widmungsbewilligung wurde den Bf. sodann mit Bescheid des Stadtsenates vom 13. Dezember 1984 gemäß §6a BauO ein Aufschließungsbeitrag in der Höhe von 27.065 S vorgeschrieben. Die gegen diese Vorschreibung gerichtete Berufung an den Gemeinderat blieb erfolglos: Das Gesetz biete keinen Anhaltspunkt für die Meinung, daß die Vorschreibung für Grundstücke zu unterbleiben habe, die bereits bebaut (aber bisher noch nicht gewidmet) sind.

In der gegen den Bescheid über den Aufschließungsbeitrag erhobenen Beschwerde wird gerügt, daß die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages bei Festschreibung des gegenwärtigen Bestandes absurd sei.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH von Amts wegen die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §6a BauO idF der Nov. 1974 beschlossen und seine Bedenken wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz so dargelegt:

"a) Der Aufschließungsbeitrag wird anläßlich der "erstmaligen Widmungsbewilligung" erhoben. Der Gerichtshof geht vorläufig davon aus, daß der Begriff Widmungsbewilligung im Gegensatz zu den früher vorgesehenen Bauplatzerklärungen (Grundzerstückelung, Grundabteilung) schon in der Grazer BauO 1881, LGVBl. 20, für die damals eingeführte gesonderte Festlegung der Bebauungsbedingungen (Art der Verbauung, Gebäudehöhe, Gebäudeabstände ua) verwendet wurde. Vorher scheint die zulässige Bebauung unter Umständen durch die Baubewilligung näher konkretisiert worden zu sein.

Folgt man der ständigen Rechtsprechung des VwGH (Zl. 81/17/0055 vom 22. November 1982), so

         '. . . versteht der Gesetzgeber unter dem Begriff der

Widmungsbewilligung im Sinne des §6a leg. cit. nicht nur . . .

solche Widmungsbewilligungen, die nach dem Inkrafttreten des §6a leg. cit. am 1. November 1974 rechtskräftig erteilt waren, sondern auch jene aus der Zeit vor dem Geltungsbeginn dieser Norm. Der VwGH hat diese Rechtsauffassung zu §6a Abs2 leg. cit. bereits seinem Erkenntnis vom 27. November 1978, Zl. 1006/78, zugrunde gelegt. Da die Erteilung einer Baubewilligung das Vorliegen einer rechtskräftigen Widmungsbewilligung voraussetzt und gemäß Absatz 1 des §6a leg. cit. der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Widmungsbewilligung vorzuschreiben ist, würde nämlich eine andere Auslegung zum einzigen Anwendungsfall des Absatzes 2 jenen machen, in dem es die Behörde entgegen dem Gebot des §6a Abs1 zweiter Satz leg. cit. unterlassen hätte, mit der erstmaligen (nach dem 1. November 1974 erfolgten) Widmungsbewilligung den Aufschließungsbeitrag vorzuschreiben. Da kein Anhaltspunkt dafür zu sehen ist, daß der Gesetzgeber in den verschiedenen Absätzen des §6a Stmk. BauO 1968 unter dem Begriff der Widmungsbewilligung Verschiedenes verstanden wissen wollte, muß auch für den Begriff der erstmaligen Widmungsbewilligung im Sinne des Absatzes 1 leg. cit. gelten, daß eine auch vor dem 1. November 1974 erteilte Widmungsbewilligung ausschließt, eine nach diesem Zeitpunkt erfolgende (neuerliche) Bewilligung dieser Art als erstmalig im Sinne des §6a Abs1 leg. cit. aufzufassen.'

Dabei geht der VwGH offenbar davon aus, daß auch in einer Baubewilligung aus der Zeit nach 1881 (Zl. 82/17/0176 vom 28. Jänner 1983) oder sogar vor 1881 (Zl. 81/17/0055 vom 22. November 1982) eine 'Widmungsbewilligung' im Sinne des §6a der geltenden BauO enthalten sein kann. Dieser Auffassung schließt sich der VfGH vorläufig an.

b) Er hat jedoch das Bedenken, daß diese Art der Anknüpfung an die 'erstmalige Widmungsbewilligung' insgesamt unsachlich ist, weil sie im Ergebnis zu einer unsachlichen Unterscheidung zwischen verschiedenen Gruppen von Grundeigentümern führt:

Ist nämlich die Widmungsbewilligung deshalb maßgeblich, weil sie erstmals dartut, daß ein - zumindest abstrakt aufschließungsbedürftiges Grundstück vorliegt, dürfte wohl nur jene Widmungsbewilligung die Abgabepflicht auslösen, die erstmals ein solches Aufschließungsbedürfnis aufzeigt; längst bebaute Liegenschaften werden auch durch eine 'erstmalige Widmungsbewilligung' nicht aufschließungsreif.

Soll die Widmungsbewilligung dagegen nur einen Zeitpunkt festlegen, zu dem eine seit der Nov. 1974 jeden Inhaber eines Bauplatzes treffende neue Abgabepflicht ausgelöst wird, so müßte jede (auch nicht erstmalige) Widmungsbewilligung, ja selbst eine bloße Widmungsänderung nach Inkrafttreten der Nov. dieselbe Wirkung haben; eine Widmungsbewilligung aus der Zeit vor 1974 dürfte vor der Abgabepflicht nicht schützen.

Soll aber die Maßgeblichkeit der erstmaligen Widmungsbewilligung bloß verhindern, daß der Aufschließungsbeitrag mehrmals gezahlt wird, dann dürfte nicht jede frühere Widmungsbewilligung die Abgabepflicht ausschließen, sondern nur eine solche, die bereits zu einer Abgabepflicht geführt hat; auch das könnte nur eine Widmungsbewilligung nach der Nov. 1974 oder eine Bewilligung sein, die zumindest vergleichbare Pflichten nach sich gezogen hat.

Vorläufig ist jedenfalls kein Grund ersichtlich, warum für konsensmäßig errichtete Gebäude (oder schon erteilte noch wirksame Baubewilligungen) immer dann Aufschließungsbeiträge gezahlt werden müssen, wenn bisher noch keine Widmungsbewilligung nach den Bauordnungen 1968 oder 1881 erteilt wurde oder die erteilte Baubewilligung aus der Zeit vor 1881 ähnlich gestaltet ist, wogegen die Pflicht zur Zahlung von Aufschließungsbeiträgen dann entfällt, wenn eine solche Widmungsbewilligung oder so gestaltete Baubewilligung irgendwann früher erteilt wurde. Selbst wenn man annähme, daß die Erteilung der Widmungs- oder Baubewilligung früher vergleichbare Anliegerleistungen zur Folge hatte, scheint die Regelung diesem Umstand keine Bedeutung zuzumessen. Die bel. Beh. hat im Vorverfahren nämlich ausgeführt,

'. . . daß die geltenden Bauvorschriften ein Mischsystem von Realleistungen und Geldleistungen aus Anlaß der Bauplatzbeschaffung (Widmung) vorsehen, wobei der Gesetzgeber bemüht war, einen Teil der historischen Anliegerleistungen (Grundabtretung, Niveauherstellung, Kanalherstellung) in Geld abgelten zu lassen.

Demnach besteht nach §6 Steiermärkische Bauordnung die Pflicht zur Grundabtretung - eingeschränkt auf 16 m Straßenbreite und maximal 20 % der Bauplatzfläche -,

nach §6a die Pflicht zur Leistung eines Aufschließungsbeitrages für die Fahrbahnherstellung, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung und von Verkehrsflächen (anstelle der historischen Pflicht zur Niveauherstellung).

Das Kanalabgabengesetz . . . sieht anstelle der historischen Kanalbaupflicht Kanalisationsbeiträge vor.'

Die früheren Anliegerpflichten haben also anscheinend nicht an die förmliche Widmung oder eine ihr materiell entsprechende Baubewilligung, sondern an den Baukonsens als solchen angeknüpft. Sollte daher die Erfüllung früherer Anliegerverpflichtungen die Ausnahme von der Pflicht zur Zahlung von Aufschließungsbeiträgen rechtfertigen, dann dürfte für Gebäude, für die eine Baubewilligung nachgewiesen wurde oder den Umständen nach als konsensmäßig errichtet gelten muß, die Zahlung von Anliegerleistungen auch dann nicht vorgesehen werden, wenn keine förmliche Widmungsbewilligung oder eine ihr in der Detaillierung gleichzustellende Baubewilligung beigebracht werden kann.

Der VfGH hält an der in VfSlg. 9874/1983 ausgesprochenen Ansicht fest, daß der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz auch hinsichtlich bereits bestehender Bauwerke die Verpflichtung zur - erstmaligen - Entrichtung von Aufschließungsbeiträgen (dort: Verkehrserschließungsbeiträgen) festlegen kann. Daß er bei dieser Festlegung nicht innerhalb der betroffenen Eigentümer unsachlich unterscheiden darf, ist eine andere Sache.

Im Erkenntnis VfSlg. 9791/1983 hat der VfGH zwar Bedenken gegen §6a Abs2 BauO aus folgenden Gründen nicht geteilt:

'Zunächst ist es nicht unsachlich, die Eigentümer von Baugrundstücken zur Leistung von Aufschließungsbeiträgen zu verpflichten, zumal, wenn diese zweckgebunden sind (§6 a Abs9 der Stmk. BO): Zum einen liegt der Wert eines Baugrundstückes in aller Regel wesentlich über jenem anderer Liegenschaften; zum anderen ist die Gemeinde genötigt, für das als Bauplatz gewidmete Grundstück spätestens dann, wenn darauf tatsächlich gebaut wird, erhebliche Aufschließungskosten aufzuwenden. Daran ändert nichts, wenn der jeweilige, konkrete Beitrag nicht für die Aufschließung des jeweiligen, konkreten Grundstückes verwendet wird.

Wenn der Gesetzgeber darauf abzielt, Aufschließungsbeiträge in gleicher Weise für alle Baugrundstücke spätestens anläßlich der erstmaligen Bauführung vorzuschreiben, ist auch dies durchaus sachlich. §6 a Abs2 der Stmk. BO ist eine adäquate Teilregelung zur Erreichung dieses Zieles (vgl. auch hiezu VwGH vom 27. November 1978 Z1006/78).'

Im Hinblick auf §6a Abs1 BauO kann der Gerichtshof diese Einschätzung aber nicht mehr aufrecht erhalten. Es scheint, daß eine Verfassungswidrigkeit des Abs1 auf Abs2 und darüber hinaus auf den ganzen, eine untrennbare Einheit bildenden §6a durchschlägt. . . .

Gegebenenfalls wird der Gerichtshof auch zu erwägen haben, ob seine Bedenken dadurch zerstreut werden können, daß abweichend von der bisherigen Praxis - unter 'erstmaliger Widmungsbewilligung' im Abs1 des §6a nur eine nach Inkrafttreten der BauO-Nov. 1974 gelegene und nur unter 'Widmungsbewilligung' in Abs2 auch eine frühere (noch nicht durch eine Baubewilligung aktualisierte) Widmungsbewilligung verstanden wird, sodaß Altbestände von der Abgabepflicht grundsätzlich ausgenommen wären."

3. Die Steiermärkische Landesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle, weil sie nach den Erläuterungen zur Bauordnungsnovelle 1974 "genau jenen Sinn haben sollte, der" (am Ende des Prüfungsbeschlusses) "als möglicher und mit dem Gleichheitssatz vereinbarer Inhalt angeführt wird".

Ein Aufschließungsbeitrag solle nur für solche Grundstücke vorgeschrieben werden, bei denen Aufschließungskosten anfallen können. Der in Prüfung stehenden Bestimmung könne

". . . nicht der Sinn unterstellt werden, daß auch im Falle der Umwidmung eines Grundstückes, für das bereits einmal eine Widmungs- und eine Baubewilligung erteilt worden war oder im Falle einer Erteilung einer Bewilligung zur Änderung eines Bauwerkes, das aus einer Zeit stammt, in der es einer Baubewilligung nicht bedurfte oder die so weit zurückliegt, daß Baubewilligungen nicht mehr auffindbar sein können, ein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben werden könnte. Die durch die Rechtsprechung des VwGH gebilligte Praxis geht davon aus, daß für Baulichkeiten, deren Errichtung so weit zurückliegt, daß auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Urkunden über eine Baubewilligung nicht bestehen kann, die Rechtsvermutung des rechtmäßigen Bestandes einer Baulichkeit besteht. (Siehe beigeschlossene Erkenntnisse des VwGH vom 3.11.1969, Zl 623/1969, und vom 29.11.1971, Zl. 801/70. Diese Entscheidungen betreffen zwar die Wiener bzw. die Niederösterreichische Bauordnung, die im Land Steiermark geübte Verwaltungspraxis entspricht jedoch dieser Rechtsprechung.)

Wenn aber die Rechtsvermutung für die Rechtmäßigkeit des Bestandes der Baulichkeit gegeben ist, muß auch die Rechtsvermutung für das Bestehen einer Widmung des betreffenden Grundstücks zum Bauplatz bestehen. Es kann daher in all jenen Fällen, in denen heute eine Bewilligung für eine Baumaßnahme an einem derartigen 'Altbauwerk' erteilt wird, nicht angenommen werden, daß Voraussetzung für eine derartige Bewilligung die erstmalige Erteilung einer Widmung sei. In all diesen Fällen kann allenfalls eine Widmungsänderung, nie aber eine erstmalige Widmung in Betracht kommen."

II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

Es ist nicht zweifelhaft geworden, daß die Anlaßbeschwerde zulässig ist und der VfGH §6a Abs1 der Stmk. BauO bei ihrer Beurteilung anzuwenden hätte. Die Absätze 2 bis 9 des §6a ergeben für sich allein keinen Sinn und sind für das Verständnis des Abs1 unentbehrlich, bilden also mit diesem eine untrennbare Einheit, die nur zusammen in Prüfung gezogen werden kann.

III. Die Bedenken des Gerichtshofs erweisen sich jedoch als nicht begründet. §6a Stmk. BauO widerspricht nicht wegen unterschiedlicher Behandlung einzelner Gruppen von Eigentümern längst bebauter Grundstücke dem Gleichheitssatz.

1. Ausgehend von der Rechtsprechung des VwGH, unter einer "erstmaligen Widmungsbewilligung" sei auch eine solche aus der Zeit vor dem Geltungsbeginn der Bauordnungsnovelle 1974 zu verstehen, hat der VfGH im Einleitungsbeschluß drei mögliche Regelungszwecke aufgezeigt und das Bedenken geäußert, daß keiner dieser Zwecke die getroffene Regelung rechtfertigen würde. Er konnte vorläufig keinen Grund finden, warum für längst bebaute Grundstücke ein Aufschließungsbeitrag gezahlt werden muß, wenn bisher keine Widmungsbewilligung (im weiteren Sinn) erteilt wurde, wogegen die Zahlungspflicht dann entfällt, wenn irgendwann eine Widmungsbewilligung erteilt wurde. Nach der abschließend angedeuteten, als möglicherweise verfassungskonform eingeschätzten Auslegungsvariante müßte das Gesetz einen der Rechtsprechung des VwGH entgegengesetzten Inhalt haben: als "erstmalige Widmungsbewilligung" im Sinne des Abs1 wäre nur eine Bauplatzschaffung nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1974 ins Auge zu fassen und als Widmungsbewilligung im Sinne des Abs2 (auch) eine solche vor ihrem Inkrafttreten, wenn sie noch nicht durch eine Baubewilligung aktualisiert wurde (weshalb dann statt einer solchen Widmungsbewilligung die nach Inkrafttreten der Nov. erteilte Baubewilligung die Abgabepflicht auslöst). Für Bauplätze hingegen, die schon vor Inkrafttreten der Nov. geschaffen und durch eine Baubewilligung aktualisiert oder durch Errichtung des Bauwerks ausgenützt wurden, könnte dann kein Aufschließungsbeitrag anfallen. Die Nachforschung nach einer "erstmaligen Widmungsbewilligung" für damals schon bebaut gewesene Grundstücke wäre überflüssig. Selbst für Bauplätze, für die eine Widmungsbewilligung nicht mehr auffindbar ist oder niemals erteilt wurde, könnte im Hinblick auf den Bestand eines Bauwerks bei Inkrafttreten der Nov. eine Abgabe nicht mehr vorgeschrieben werden. So käme es zu keiner unterschiedlichen Behandlung verschiedener Gruppen von Eigentümern bebauter Grundstücke.

2. Diese Auslegung ist in der Tat möglich. Nur sie ist bei gegebener Gesetzeslage auch verfassungskonform.

a) Daß der Wortlaut des Gesetzes sie zuläßt, ist offenkundig. Unter einer "erstmaligen Widmungsbewilligung" kann offenbar - im Gegensatz zu späteren Widmungsänderungen - die Schaffung eines Bauplatzes verstanden werden. Auch der Zusammenhang der Vorschrift spricht nicht dagegen: Die "erstmalige" Widmungsbewilligung nach Abs1 ist nichts anderes als die "Widmungsbewilligung" des Abs2, nur daß sie eben anders als die nach Abs2 - erst nach Inkrafttreten der Nov. erteilt wird; der vom Gesetzgeber verwendete Begriff ist derselbe. Sinn dieses Abs1 ist es, anzuordnen, daß schon die Schaffung eines Bauplatzes nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle die Abgabepflicht auslöst. Weil dann aber für die schon vor Inkrafttreten der Nov. geschaffenen Bauplätze niemals ein Aufschließungsbeitrag anfiele, knüpft der Gesetzgeber für den Fall, daß eine solche Widmungsbewilligung noch keine Baubewilligung (und daher regelmäßig auch keine Bebauung) zur Folge hatte, die Abgabepflicht an die dem Inkrafttreten der Nov. nachfolgende Baubewilligung.

Ein Zusammenhalt der beiden Bestimmungen legt es folglich nahe, unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" in Abs1 nur die Schaffung eines Bauplatzes nach Einführung der Abgabepflicht, unter "Widmungsbewilligung" in Abs2 eine solche vor Einführung dieser Rechtsfolge zu verstehen (wobei es dann gleichgültig bleibt, ob die vor Einführung der Abgabepflicht erteilte, noch unausgenützte Widmungsbewilligung die erste war oder nicht). Den die Abgabepflicht auslösenden Tatbeständen der Abs1 und 2 stünde dann die im Gesetz nicht erfaßte Fallgruppe der bei Inkrafttreten der Nov. schon bebauten Grundstücke mit der Folge gegenüber, daß sie der Abgabepflicht nicht unterliegen. Wenn sich der Gesetzgeber unter diesen Umständen nicht mit dem Fall der Bebauung ohne Baukonsens oder einer Baubewilligung ohne vorausgegangene Widmungsbewilligung beschäftigt hat, wäre das folgerichtig, weil ein solcher Fall im System des Gesetzes (in Zukunft) nicht vorkommen kann (und in der Vergangenheit keine Rolle spielt). Aus derselben Überlegung heraus, die den VwGH zu der vom VfGH vorläufig geteilten Auffassung geführt hat, daß nämlich die "Widmungsbewilligung" des Abs2 nicht (nur) eine solche sein kann, die nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle erteilt (und rechtswidrigerweise nicht bereits mit einer Beitragsvorschreibung verbunden) wurde, wäre auch nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber Fallgruppen regeln will, die sich in Zukunft nur bei gesetzwidrigem Vollzug oder Mißachtung der Gesetze durch den Grundeigentümer ereignen könnten. Für die Vergangenheit wäre eine solche Regelung aber entbehrlich, weil schon bebaute Liegenschaften ohne Rücksicht auf die baurechtliche Behandlung nicht mit einem Aufschließungsbeitrag belastet werden könnten.

Mit anderen Worten: Die von der Behörde für ihren Standpunkt in Anspruch genommene Rechtsprechung des VwGH nimmt Altbauten von der Abgabepflicht dann, aber auch nur dann aus, wenn schon vor Inkrafttreten der Nov. eine (erstmalige) Widmungsbewilligung erteilt wurde oder die erteilte Baubewilligung inhaltlich einer solchen Widmungsbewilligung vergleichbar war. Derselbe Ansatz trüge aber auch eine Auslegung, für die eine "erstmalige Widmungsbewilligung" vor Inkrafttreten der Nov. weder als Abgabetatbestand im Sinne des §6a Abs1 noch als ein die Abgabepflicht vermeidender (einer neuen Widmung das "Vorrecht" der erstmaligen nehmender) Sachverhalt in Betracht kommt, weil sie unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" den entscheidenden Akt einer Bauplatzschaffung sieht, die eine Bebauung erst einleiten soll, und daher Altbauten von vornherein ausklammert.

Genau diese Absicht ergibt sich nun aber aus den von der Steiermärkischen Landesregierung aufgezeigten Bemerkungen zum Entwurf der Bauordnungsnovelle 1974, wenn dort ausgeführt wird:

"Durch die Ausweisung als Bauland erfahren die in dieses Gebiet fallenden Grundstücke eine wesentliche Wertsteigerung. Gerade im Bauland fallen für die Gemeinden wesentliche finanzielle Aufwendungen für die erforderlichen Aufschließungen an. Es erscheint gerechtfertigt, daß diejenigen, denen die Wertsteigerung zugutekommt, auch an den Aufschließungskosten des Baulandes beteiligt werden. . . .

Vom in Abs1 festgelegten Grundsatz, daß der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Widmungsbewilligung vorzuschreiben ist, soll im Abs2 insoferne abgegangen werden, als der Aufschließungsbeitrag auch gleichzeitig mit der Baubewilligung vorgeschrieben werden kann, wenn für die Grundstücke nur eine Widmungsbewilligung vorliegt und ein Aufschließungsbeitrag noch nicht vorgeschrieben wurde. Diese Bestimmung soll jedoch nur für die Übergangszeit wirksam sein."

Eine solche abzuschöpfende Wertsteigerung bewirkt eben nach dem (für die Zukunft klar ausgesprochenen) Konzept des Gesetzes nur die Bauplatzschaffung, nicht eine sonstige, den bestehenden Zustand nur festschreibende oder abändernde nachträgliche Widmung. §6a Abs2 ist deshalb nur als Übergangsvorschrift verständlich, die jene kleine Gruppe von Grundeigentümern erfaßt, die aufgrund der früheren Widmung vielleicht erst jetzt (über die Baubewilligung) Vorteile schöpfen. Einen solchen Vorteil bietet eine für Altbauten notwendige nachträgliche Widmung nicht. Abgeschlossene Entwicklungen sollen unberührt bleiben.

b) Gleichwohl darf der VfGH diese Auslegung statt der von der bel. Beh. angenommenen nur dann wählen, wenn das Gesetz in der Auslegung der Behörde verfassungswidrig wäre. Die im Einleitungsbeschluß dargelegten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Regelung sind indessen im Verfahren nicht zerstreut worden. Es ist kein vernünftiger Grund hervorgekommen, der es rechtfertigen könnte, für Grundstücke, die in früheren Zeiten bebaut wurden, nur deshalb jetzt einen Aufschließungsbeitrag zu fordern, weil seinerzeit eine förmliche Widmungsbewilligung entbehrlich war oder einfach unterblieben ist. Das Fehlen der Widmungsbewilligung mag baurechtlich ein Mangel sein und für den Fall neuer baubewilligungspflichtiger Maßnahmen die Notwendigkeit einer nachträglichen (und insoweit "erstmaligen") Widmungsbewilligung auslösen, ein Sachzusammenhang mit der Leistung von Aufschließungsbeiträgen besteht aber nicht. Der Anlaßfall des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens macht vielmehr deutlich, zu welch unverständlicher Ungleichbehandlung es führt, wenn die Nichtanwendung des §6a Abs1 Stmk. BauO (arg "erstmalige . . .") vom Ergebnis einer Nachforschung nach Widmungsbewilligungen oder einer Prüfung des Inhalts einer alten Baubewilligung auf ihre Vergleichbarkeit mit Widmungsbewilligungen abhängt.

Ist aber das Gesetz einer Auslegung zugänglich, die verfassungswidrige Ergebnisse vermeidet, so ist den Bedenken gegen seine Verfassungsmäßigkeit der Boden entzogen. Es ist daher auszusprechen, daß §6a Stmk. BauO nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Trennbarkeit, Baurecht, Raumordnung, Widmungsbewilligung, Baubewilligung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G142.1987

Dokumentnummer

JFT_10128999_87G00142_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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