TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/15 89/02/0048

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Veröffentlicht am 15.05.1990
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 30. Jänner 1989, Zl. MA 70-11/1743/88/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 für schuldig befunden und hiefür bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.440,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 1989 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe 1.) am 3. Jänner 1988 um 21.40 Uhr an einem näher beschriebenen Ort, obwohl er als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen sei, es unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, indem er sich vom Unfallort entfernt habe, obwohl ein am Unfallort Beteiligter das Einschreiten eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt hatte, und habe sich

2.) am 3. Jänner 1988 um 21.55 Uhr in einem näher angeführten Wachzimmer geweigert, seine Atemluft von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1.) nach § 4 Abs. 1 lit. c und zu 2.) nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1950 begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Was die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO anlangt, so bringt der Beschwerdeführer vor, er habe am Unfallsort gewartet und sei von den (vom Anzeiger herbeigeholten) eintreffenden Sicherheitswachebeamten noch dort angetroffen worden. Die belangte Behörde habe die Angabe des Beschwerdeführers laut Niederschrift vom 4. Jänner 1988, er sei "ein Stück vom Unfallsort weggegangen", aus dem Zusammenhang gerissen.

Die belangte Behörde nahm dagegen als erwiesen an, daß sich der Beschwerdeführer entsprechend den Angaben des als Zeugen vernommenen Unfallgegners B. und der eigenen Angabe des Beschwerdeführers (zunächst) vom Unfallort entfernt habe, und hat dies als einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 lit. c StVO gewertet.

Es entspricht zwar der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Februar 1983, Zl. 81/02/0162), daß das Tatbild des § 4 Abs. 1 lit. c StVO auch durch Entfernen vom Unfallort verwirklicht werden kann. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß nicht jedes Entfernen für sich allein dazu führt: Die Verpflichtung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, dient dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatgeschehens zu erleichtern und zu gewährleisten, daß die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt; dies beinhaltet die Verpflichtung, das Eintreffen der Organe der öffentlichen Sicherheit am Tatort abzuwarten, auch um Feststellungen zur Person des beteiligten Fahrzeuglenkers in der Richtung treffen zu können, ob dieser zur Lenkung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges berechtigt war und äußerlich den Anschein erweckt, sich geistig und körperlich in einem zur Lenkung eines Fahrzeuges geeigneten Zustand befunden zu haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1986, Zl. 84/03/0196). Diese Verpflichtung zum "Abwarten an der Unfallstelle" darf jedoch nicht wörtlich - etwa im Sinne eines ununterbrochenen "Verharrens" an dieser Stelle - genommen werden, weil sonst auch etwa das kurzfristige Verlassen der Unfallstelle zu dem Zweck, der Verpflichtung des § 4 Abs. 2 StVO nachzukommen, das Tatbild des § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. erfüllen würde. Daraus folgt, daß nur ein solches Verhalten danach tatbildmäßig ist, welches dem oben angeführten Zweck zuwiderläuft. Im Beschwerdefall ist dies zu verneinen:

Der Beschwerdeführer hatte sich nach den Feststellungen der belangten Behörde zwar zunächst vom Unfallort entfernt, war jedoch - entsprechend der in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Aussage des Zeugen B. - wieder zurückgekehrt und zum Zeitpunkt des Entfernens der Polizeibeamten anwesend. Sohin hat er durch das zwischenzeitige Eintreffen vom Unfallort ALLEIN - nur dies wurde dem Beschwerdeführer angelastet - das Tatbild des § 4 Abs. 1 lit. c StVO nicht erfüllt. Aus welchen Motiven der Beschwerdeführer zurückgekehrt war, darauf kommt es, entgegen der offenbaren Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift, nicht an. Die belangte Behörde übersieht auch, daß die von ihr befürchtete "Verfälschung des drohenden Alkotestes" während der Abwesenheit vom Unfallort - infolge eines Nachtrunkes - auch am Unfallort selbst geschehen kann und dann eben dieser Nachtrunk das Tatbild erfüllt.

Dadurch, daß die belangte Behörde das erwähnte "zwischenzeitige" Entfernen des Beschwerdeführers von der Unfallstelle als Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO gewertet hat, hat sie daher die Rechtslage verkannt. Dies führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des Schuldspruches in dieser Hinsicht samt dem bezüglichen Strafausspruch.

Zur Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO bringt der Beschwerdeführer vor, er habe anläßlich der Aufforderung zum Alkotest im Hinblick auf die seit dem Verkehrsunfall verstrichene Zeit Zweifel über seine Verpflichtung zur Ablegung eines Alkotestes gehabt, jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, daß er "grundsätzlich überhaupt nichts" gegen einen solchen einzuwenden habe und jederzeit hiezu bereit sei. Es sei ihm keine Gelegenheit mehr gegeben worden, dem Verlangen des einschreitenden Sicherheitsorganes zu entsprechen.

Dazu ist zunächst zu bemerken, daß der vom Beschwerdeführer erwähnte "gleichzeitige Hinweis" auf seine Bereitschaft zur Ablegung des Alkotests in den Verwaltungsakten keine Deckung findet und sich auch der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht darauf berufen hat. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das "Nicht-Einsehen", den Alkotest durchzuführen, bereits den Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO erfüllt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1985, Zl. 84/03/0215).

Da es dem Beschwerdeführer sohin nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in Hinsicht auf die Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in 2-facher Ausfertigung einzubringen war.

Schlagworte

Mitwirkung und Feststellung des SachverhaltesAlkotest Verweigerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020048.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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