TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/21 90/12/0152

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Veröffentlicht am 21.05.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §56;
BDG 1979 §20 Abs1 Z4;
B-VG Art94;
StGB §27 Abs1;
StGB §27;
StGB §44;

Betreff

N gegen Bundesminister für Finanzen vom 21. Februar 1990, Zl. 14 3300/1-III/8/90, betreffend Feststellung des Amtsverlustes gemäß § 27 Abs. 1 des Strafgesetzbuches

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand als Zollbeamter, und zwar zuletzt als Zollamtsleiter des Zollamtes X, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 10. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer wegen Amtsmißbrauches und vollendeter bzw. versuchter Abgabenhinterziehung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr, einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und weiters gemäß § 21 des Finanzstrafgesetzes zu einer Geldstrafe von S 400.000,-- und gemäß § 20 StGB zur Zahlung eines Ersatzbetrages von S 900.000,-- sowie schließlich zur Zahlung einer Wertersatzstrafe von S 160.000,-- verurteilt. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Die Dienstbehörde des Beschwerdeführers verständigte diesen mit Schreiben vom 25. August 1989, daß Amtsverlust eingetreten und sein Dienstverhältnis mit Rechtskraft dieses Urteiles aufgelöst sei.

Dem widersprach der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den mangelnden Ausspruch des Amtsverlustes im Urteil.

Daraufhin erging der Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 29. November 1989, welcher die Auflösung des Dienstverhältnisses infolge Amtsverlustes nach § 27 Abs. 1 StGB feststellte.

Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nicht stattgegeben. Zur Begründung wird nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides, der Berufung des Beschwerdeführers und der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt:

Unbestritten sei, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 10. Juli 1989 wegen mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt worden sei und daß dieses Urteil seit dem 13. Juli 1989 rechtskräftig sei.

Im Gegensatz zu seiner ehemaligen Dienstbehörde vertrete der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 7. September 1989 und in seiner Berufung die Ansicht, daß mit dieser Verurteilung nicht der Verlust des Amtes verbunden sei. Im wesentlichen stütze der Beschwerdeführer seine Rechtsansicht auf die Tatsache, daß ein Strafteil von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei und somit nur ein unbedingter Strafteil von einem Jahr vorliege. Außerdem hätte nach Auffassung des Beschwerdeführers das Gericht den Amtsverlust im Urteil aussprechen müssen.

Dieser Rechtsansicht sei entgegenzuhalten, daß Rechtsfolgen der Verurteilung mit deren Rechtskraft ex lege eintreten. Das StGB habe in seinem Bereich nur eine einzige Rechtsfolge beibehalten, weil die Rechtsfolgen oft tiefer in die Lebensstellung des Verurteilten eingreifen würden als die schuldangemessene Strafe, aber auch weil die Rechtsfolgen Rechte und Befugnisse beträfen, deren Gestaltung nicht in die Kompetenz der Strafrechtspflege falle. Die einzige im StGB aufscheinende Rechtsfolge sei der Amtsverlust. Wer sich einer strafbaren Handlung von erheblichem Gewicht schuldig gemacht habe, solle sein Amt als Beamter verlieren. Die Rechtsfolge des Amtsverlustes bezwecke daher nur, in besonders schweren Fällen ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entlassung des Beamten entbehrlich zu machen. Sei eine strafbare Handlung mit Freiheits- und Geldstrafe bedroht oder träfen mehrere strafbare Handlungen zusammen, von denen die eine mit Freiheits-, die andere mit Geldstrafe bedroht sei, so seien gemäß § 28 StGB grundsätzlich Freiheits-, und Geldstrafe nebeneinander zu verhängen. Wenn die Voraussetzungen des § 43 StGB auf beide Strafen zuträfen, seien auch beide bedingt nachzusehen. Könne nur auf die Vollziehung einer der beiden Strafen verzichtet werden, so sei diese nachzusehen, die andere zu vollziehen. Die Neufassung des § 44 StGB durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 trage der Einführung des § 43a StGB Rechnung. Demnach komme auch bei jeder der beiden zusammentreffenden Strafen eine Strafteilung in Betracht. Eine Nebenstrafe sei dann bedingt nachzusehen, wenn die Hauptstrafe bedingt nachgesehen werde und die selbständige Vollstreckung der Nebenstrafe kriminalpolitisch entbehrlich sei. Es könne auch bloß eine von mehreren Nebenstrafen bedingt nachgesehen werden.

Unter den gleichen Voraussetzungen wie bei den Nebenstrafen könne auch der Eintritt von Rechtsfolgen bedingt nachgesehen werden. Ob ohne bedingte Nachsicht eine oder mehrere Rechtsfolgen eintreten würden, sei nach § 27 StGB, vor allem aber nach den einschlägigen Nebengesetzen zu beurteilen. Die Rechtsfolge des Amtsverlustes nach § 27 setze eine ein Jahr übersteigende Freiheitsstrafe voraus. Lägen die Voraussetzungen einer bedingten Nachsicht nach § 43 vor, so sei die Strafe und, unter der weiteren Voraussetzung, daß der Eintritt der Rechtsfolge entbehrlich erscheine, der Täter also als Beamter weiterhin tragbar sei, auch die Rechtsfolge des Amtsverlustes bedingt nachzusehen. Der Nichteintritt der Rechtsfolge des Amtsverlustes wäre daher im gegenständlichen Fall nur dann erfolgt, wenn das Gericht (im UrteilÜ) auch die Rechtsfolge des Amtsverlustes bedingt nachgesehen hätte. Eine solche bedingte Nachsicht der Rechtsfolge des Amtsverlustes enthalte das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 10. Juli 1989 aber nicht.

Vielmehr habe das Gericht ausgeführt: "Ihre DREIJÄHRIGE FREIHEITSSTRAFE wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauches DESHALB FÜR ANGEMESSEN" erachtet "und konnte gemäß § 43a Abs. 4 StGB einen Teil der Strafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsehen, zumal durch die Nebenstrafe nach § 20 Abs. 2 StGB (Verfallsersatzstrafe betreffend die enthaltenen 'Schmiergeldzahlungen', die nicht mehr in barem vorhanden waren) und die im Hinblick auf den strafbestimmenden Wertbetrag angemessene Finanzstrafe von S 400.000,-- im Zusammenhang mit der Wertersatzstrafe von S 160.000,-- (voller Wertersatz betreffend weitergegebenen Pkw Renault; ca. 1/4 des maßgeblichen Betrages betreffend die Beitragstäterschaft der Klubfreunde) im Zusammenhalt mit dem Sie sicher sehr schwer treffenden Verfall der gesammelten Fahrzeuge (Sie selbst erklärten, dieser wäre Ihnen lieber als eine bezügliche Verfallsersatzstrafe) ohnehin noch ein sehr bedeutsames Übel für Sie bewirkt wurde und WEGEN DES FOLGENDEN

AMTSVERLUSTES EINE GÜNSTIGE PROGNOSE GESTELLT WERDEN KANN"

(zitiert aus dem Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 10. Juli 1989, Seite 19).

Durch die im genannten Urteil festgestellten Tathandlungen und die Dauer der verhängten Freiheitsstrafe seien daher die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StGB erfüllt. Mit dem Tag der Rechtskraft dieses Urteiles sei daher das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschwerdeführers zum Bund nach § 20 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 durch Amtsverlust ex lege aufgelöst.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, wird das Dienstverhältnis durch Amtsverlust gemäß § 27 Abs. 1 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974, aufgelöst. Nach § 27 Abs. 1 StGB ist mit der durch ein inländisches Gericht erfolgten Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bei einem Beamten der Verlust des Amtes verbunden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, beim Amtsverlust nach § 27 StGB handle es sich um eine Nebenstrafe, die von den Strafgerichten ausgesprochen werden könne. In seinem Fall sei ein solcher Ausspruch nicht erfolgt, sodaß eine Auflösung des Dienstverhältnisses nur im Wege eines Disziplinarverfahrens hätte erfolgen dürfen.

Diese Auffassung des Beschwerdeführers ist unrichtig und widerspricht dem klaren Wortlaut des § 27 StGB. Der Amtsverlust stellt eine gesetzliche Rechtsfolge der Verurteilung dar und ist daher - wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat - im Urteil nicht eigens auszusprechen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses tritt vielmehr mit Rechtskraft des Urteiles ein (vgl. Pallin im Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Manz Wien 1980, § 27, Punkt 3). Im Beschwerdefall liegt auch nicht die Fallkonstellation des § 260 Abs. 2 StPO vor.

Der Beschwerdeführer behauptet weiters, daß Voraussetzung für die Annahme des Amtsverlustes die Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe sei, wobei es sich um eine Verurteilung zu einer unbedingten Strafe handeln müsse, weil bis zum "Strafrechtsänderungsgesetz 1988" (richtig wohl: 1987) bedingte Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr unmöglich gewesen seien. Da das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 auf § 27 StGB keinen Bezug nehme, könne der Standpunkt vertreten werden, daß eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe nach wie vor eine unbedingte sein müsse.

Auch dieses Vorbringen findet in der gegebenen Rechtslage keine Deckung. Die bedingte Strafnachsicht ist - auch vor dem Inkrafttreten des vom Beschwerdeführer genannten Strafrechtsänderungsgesetzes - nach § 43 Abs. 1 StGB sowohl bei einer ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafe, als auch nach Abs. 2 (nunmehr Abs. 1 idF BGBl. Nr. 605/1987) der genannten Bestimmung bei einer Strafe von nicht mehr als zwei Jahren vorgesehen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist und war eine bedingte Strafnachsicht auch bei ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafen vorgesehen. Aus § 27 StGB folgt weiters nicht, daß der Amtsverlust nur bei einer Verurteilung zu einer sogenannten unbedingten Freiheitsstrafe eintritt. Die Rechtsfolge des Amtsverlustes tritt vielmehr auch dann ein, wenn die Strafe gemäß der vorher genannten Bestimmung bedingt nachgesehen wird, es sei denn daß das Gericht ausdrücklich gemäß § 44 Abs. 2 StGB auch die Rechtsfolge bedingt nachsieht, weil sie dem Gericht entbehrlich erscheint (vgl. die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde und den bereits vorher zitierten Kommentar). § 44 Abs. 2 (letzter Satz) StGB läßt die bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen nur dann zu, wenn die (Haupt-)Strafe - zur Gänze - bedingt nachgesehen wird und der Eintritt der Rechtsfolgen entbehrlich ist. Bei - wie vorliegend - teilbedingter Nachsicht der Strafe (§ 43a StGB) scheidet hingegen eine bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen nach dem klaren Wortlaut des § 44 Abs. 2 StGB aus, zumal diese Bestimmung - im Gegensatz zur Regelung des ersten Absatzes über das Zusammentreffend von Freiheits- und Geldstrafen - durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 nicht geändert wurde (Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 1. Dezember 1988, Zl. 12 Os 108/88-12).

Bereits aus diesen Überlegungen folgt, daß dem Umstand, daß dem Beschwerdeführer von seiner Freiheitsstrafe zwei Jahre bedingt nachgesehen worden sind und der Beschwerdeführer nur ein Jahr "unbedingt" zu verbüßen hat, keine für die Frage des Amtsverlustes entscheidende Bedeutung zukommt.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann der Verwaltungsgerichtshof aber auch nicht finden, daß ein Verstoß gegen "die verfassungsrechtlich festgelegte Gewaltentrennung" vorliege. Mit der im Verwaltungsverfahren getroffenen bescheidmäßigen Feststellung wurde nicht gestaltend in das Dienstverhältnis eingegriffen, sondern, einer Eingabe des Beschwerdeführers Rechnung tragend, klargestellt, daß die Rechtsfolge des Amtsverlustes im Sinne des § 27 StGB im Beschwerdefall eingetreten ist.

Im Hinblick auf die vorstehenden, für die Entscheidung allein tragenden rechtlichen Überlegungen kann eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen (Sozialüberlegungen, allfällige Milderungsumstände für das Disziplinarverfahren) mangels jeglicher Relevanz für die Beurteilung der maßgebenden Rechtsfrage unterbleiben.

Ausgehend von diesen Überlegungen mußte die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abgewiesen werden.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990120152.X00

Im RIS seit

01.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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