TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/29 89/05/0218

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Veröffentlicht am 29.05.1990
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Index

L44003 Feuerwehr Niederösterreich;
L44103 Feuerpolizei Kehrordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FPolG NÖ 1974 §14 Abs1;
FPolG NÖ 1974 §14 Abs4;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31 Abs3;
VStG §5 Abs1 idF 1987/516 ;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 12. September 1989, Zl. VI/9-St-893-89, betreffend Übertretung des NÖ Feuer-, Gefahrenpolizei- und Feuerwehrgesetzes

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Krems verhängte mit Straferkenntnis vom 3. Mai 1989 über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarrest 24 Stunden), weil er es vom 1. Jänner 1984 (Inkrafttreten der Verordnung über die Kehrperioden) bis zum 18. April 1989 unterlassen habe, dem Eigentümer einer bestimmten Baulichkeit die Kehrtermine spätestens zwei Wochen vorher bekanntzugeben. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 67 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 4 und Abs. 1 des NÖ Feuer-, Gefahrenpolizei- und Feuerwehrgesetzes (NÖ FGG) verletzt.

In seiner Berufung wendete der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, daß ihn kein persönliches Verschulden treffe, weil der vom Gesetz geforderten Verständigungspflicht in der Praxis, wie auch ihre Handhabung im gesamten Bundesgebiet zeige, nicht entsprochen werden könne.

Mit Bescheid vom 12. September 1989 wies die Niederösterreichische Landesregierung die Berufung im wesentlichen mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer im Verfahren die Übertretung der Gesetzesstelle als solche nicht bestritten habe und der Hinweis, die Gesetzesstelle sei in der Praxis nicht anwendbar, weder den Tatsachen entspreche noch Straffreiheit bewirken könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsstrafakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 14 Abs. 1 und 4 NÖ FGG, LGBl. 4400-0, lautet:

"(1) Die Landesregierung hat zum Zwecke der Brandverhütung durch Verordnung die Zeiträume (Kehrperioden) zu bestimmen, innerhalb welcher benützte Rauchfänge, Abgasfänge und gemauerte Schläuche zu reinigen sind. Bei Bestimmung der Kehrperioden ist auf den lichten Querschnitt von Rauchfängen, Abgasfängen und gemauerten Schläuchen sowie die Art des Brennstoffes Bedacht zu nehmen.

(4) Der Rauchfangkehrer hat dem Eigentümer der Baulichkeit, und über Verlangen auch dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten, die Kehrtermine spätestens zwei Wochen vorher bekanntzugeben."

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer selbst nicht bestritten, dem Eigentümer der Baulichkeit in X Nr. 32 die Kehrtermine nicht spätestens zwei Wochen vorher bekanntgegeben zu haben. Damit hat er es aber unterlassen, seiner im § 14 Abs. 4 leg. cit. normierten Pflicht nachzukommen. Da zum Tatbestand des § 14 Abs. 4 NÖ FGG weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950. Der Beschwerdeführer hätte deshalb glaubhaft machen und von sich aus darlegen müssen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Er hat während des Verwaltungsverfahrens jedoch nicht dargetan, aus welchem Grund ihm die Einhaltung der in Rede stehenden Rechtsvorschrift nicht möglich gewesen sein sollte. Eine Schuldlosigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 wird nicht durch den bloßen Hinweis glaubhaft gemacht, daß die Einhaltung der maßgebenden Rechtsvorschrift nicht zumutbar sei und auch von anderen nicht eingehalten werde. Die Hinweise in der Beschwerde auf die Amtswegigkeit des Verfahrens (Offizialprinzip) gehen daher, was die Verschuldensfrage betrifft, wegen der nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 erforderlichen Glaubhaftmachung der Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers ins Leere (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1989, Zl. 89/02/0017). Der objektive Tatbestand war dagegen vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden.

Hingegen ist das Beschwerdevorbringen zur Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung (§ 31 Abs. 1 und 3 VStG 1950) begründet. In der Beschwerde wird ausgeführt, daß der Lauf der Verjährungsfrist erst mit Abschluß der betreffenden Handlung bzw. der Beendigung der Unterlassung beginnt, die daran geknüpfte Schlußfolgerung, die Verfolgungsverjährung sei am 18. Oktober 1988 eingetreten, ist jedoch nicht näher begründet, sie findet in den vorgelegten Verwaltungsakten auch keine Deckung.

Allerdings kann dem Akt auch kein Hinweis entnommen werden, wann die einzelnen Kehrungen stattgefunden haben oder stattfinden hätten sollen. § 14 Abs. 4 des NÖ FGG kann aber sinnvoll nur so verstanden werden, daß die Kehrtermine spätestens zwei Wochen vor der Kehrung bekanntzugeben sind. Zwei Wochen vor der Durchführung einer Kehrung ist jedenfalls das Delikt, nämlich die nicht zeitgerechte Ankündigung der Kehrung, abgeschlossen. Hinsichtlich eines neuen Kehrtermines wird dann - bei Unterlassung zeitgerechter Ankündigung - ein weiteres Delikt gesetzt. Das Beschwerdevorbringen, hinsichtlich der Kehrtermine von 1984 bis 1986 sei Vollstreckungsverjährung eingetreten, trifft daher zu. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Ob die erste Verfolgungshandlung (hier die Vernehmung des Zeugen J.W. am 18. April 1989) hinsichtlich der vor der letzten durchgeführten Kehrung unterlassenen Terminbekanntgabe rechtzeitig, d.h. innerhalb der Frist von sechs Monaten (§ 31 Abs. 2 1. Satz, 2. Fall VStG 1950) gesetzt wurde, kann dem Akt nicht entnommen werden.

Da die belangte Behörde von der falschen Rechtsansicht ausgegangen ist, es handle sich hier um ein fortgesetztes Delikt, bei dem die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt an zu berechnen sei, an dem die strafbare Handlung abgeschlossen wurde, im vorliegenden Fall sei dies der 18. April 1989 (Tag der Zeugeneinvernahme), belastete sie auch in dieser Hinsicht den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, zumal der Akt keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, daß der 18. April 1989 der Tag gewesen ist, an dem die zeitgerechte Ankündigung für den nächsten Kehrtermin spätestens hätte erfolgen müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren für zuviel entrichtete Stempelgebühren war abzuweisen.

Mit der Erledigung der Beschwerde erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 Beweismittel Beschuldigtenverantwortung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989050218.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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