TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/29 89/04/0171

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Veröffentlicht am 29.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1973 §13 Abs1;
GewO 1973 §25 Abs1 Z1;
GewO 1973 §89 Abs1;
GewO 1973 §91 Abs1;
GewO 1973 §91 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

1.) A-OHG und 2.) B gegen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Juni 1989, Zl. 308.833/3-III/5/89, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung,

Spruch

I.

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

II.

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. März 1986 wurde der Erstbeschwerdeführerin die "Konzession gemäß § 15 Abs. 1 Pkt. 14 GewO (1859) zur Darstellung von Giften und zur Zubereitung der zur arzneilichen Verwendung bestimmten Stoffe und Präparate sowie zum Großhandel mit beiden, insofern dies nicht ausschließlich den Apothekern vorbehalten oder hiefür nicht eine Konzession gemäß Pkt. 14a erforderlich ist, im Standort Wien I, gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 87 Abs. 1 Z. 1 und § 89 Abs. 1 GewO 1973 entzogen".

Der gegen diesen Bescheid von der Erstbeschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten keine Folge und bestätigte gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, in Verbindung mit § 89 Abs. 1 GewO 1973 den angefochtenen Bescheid. Zur Begründung wurde - nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage - im wesentlichen ausgeführt, nach Erteilung der in Rede stehenden Konzession an die Erstbeschwerdeführerin sei über die Zweitbeschwerdeführerin - der in Ansehung der ihr nach dem Handelsgesetzbuch 1897 als zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigte Gesellschafterin der Erstbeschwerdeführerin zukommenden Befugnisse ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb deren Geschäfte zustehe - wegen in den Jahren 1981 und 1982 im Zusammenhang mit dem Betrieb ihrer Apotheke begangener, gegen fremdes Vermögen gerichteter strafbarer Handlungen im Jahre 1984 rechtskräftig von einem Strafgericht verurteilt worden. Die sich in den strafgerichtlich geahndeten Verfehlungen manifestierende Vorgangsweise der Zweitbeschwerdeführerin und deren daraus zu gewinnendes Persönlichkeitsbild ließen mit Rücksicht auf die Art des gegenständlichen Gewerbes die Befürchtung gerechtfertigt erscheinen, daß die Zweitbeschwerdeführerin hinkünftig gegen die bei der Ausübung dieses Gewerbes zu beachtenden öffentlichen Interessen, die u. a. in der Einhaltung der Vorschriften des Arzneimittelrechtes bestünden, verstoßen werde. Die belangte Behörde erachte daher die Zuverlässigkeit der Zweitbeschwerdeführerin für die Ausübung der der Erstbeschwerdeführerin zustehenden Konzession nicht mehr für gegeben. Wenn die Erstbeschwerdeführerin in ihrer im Berufungsverfahren erstatteten Stellungnahme vom 10. Mai 1989 darauf hinweise, daß keine wie immer geartete Berechtigung bestehe, daß die Gewerbebehörde aus welchen Gründen immer in ihrem Maßstab zur Beurteilung des Persönlichkeitsbildes der Zweitbeschwerdeführerin höhere Maßstäbe anlege, als es das Strafgericht getan habe, so sei diesem und dem weiteren auf die strafgerichtliche Verurteilung der Zweitbeschwerdeführerin bezughabenden Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß die Behörde bei Anwendung der bezogenen Gesetzesbestimmungen unabhängig von einer allfälligen Bestrafung zu beurteilen habe, ob Handlungen oder Unterlassungen die Annahme des Fehlens der erforderlichen Zuverlässigkeit rechtfertigten. Sie sei hiebei an rechtskräftige Bestrafungen zwar insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlung oder Unterlassung, derentwegen die Bestrafung erfolgt sei, feststehe, habe aber im Entziehungsverfahren unabhängig davon das sich ergebende Charakterbild der "maßgebenden" Person zu untersuchen. Hiebei komme es weder darauf an, daß die Freiheitsstrafe nur bedingt ausgesprochen worden sei, noch müßten die Handlungen oder Unterlassungen in Ausübung des Gewerbes begangen worden sein. Entscheidend sei vielmehr, daß diese Person nach der Beschaffenheit der von ihr begangenen Handlung oder Unterlassung keine Gewähr dafür biete, daß sie bei Ausübung des Gewerbes die hiebei zu beachtenden öffentlichen Rücksichten wahren werde. Bei der Prüfung dieser Frage sei es auch der Behörde nicht verwehrt, das einer getilgten Verurteilung zugrundeliegende Verhalten der Person bei der von ihr anzustellenden Erwägungen einzubeziehen. Dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, daß die Verurteilung der Zweitbeschwerdeführerin als getilgt gelte, könne daher keine entscheidungswesentliche Bedeutung beigemessen werden, zumal der seit ihrer strafgerichtlichen Verurteilung im Jahre 1984 verstrichene Zeitraum im Hinblick auf die Art der ihr angelasteten strafbaren Handlungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung allein noch nicht ausreichten, um die dargelegte Befürchtung zu zerstreuen. Bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung handle es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine von der Gewerbebehörde selbständig zu treffende administrative Maßnahme, die die Behörde bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen zu verfügen verpflichtet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerinnen erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "entgegen den Bestimmungen gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1973 im Zusammenhang mit § 87 Abs. 1 Z. 1 und § 89 Abs. 1 GewO 1973 die Konzession gemäß § 15 Abs. 1 Pkt. 14 GewO (1859) nicht entzogen zu erhalten und auf fehlerfreie Handhabung ob Voraussetzungen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 25 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 nicht mehr gegeben ist", als verletzt. Sie bringen in Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die Annahme, daß die Zweitbeschwerdeführerin die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 nicht besitze, sei nur dann gerechtfertigt, wenn ihre Handlungen oder Unterlassungen so beschaffen seien, daß das daraus zu gewinnende Persönlichkeitsbild erwarten lasse, es werde bei künftiger Ausübung der gewerblichen Tätigkeit gegen die im Zusammenhang mit dem Gewerbe zu beachtenden öffentlichen Interessen verstoßen. Diese Voraussetzungen lägen im vorliegenden Fall nicht vor. Der angefochtene Bescheid berufe sich auf ein im Jahr 1984 ergangenes rechtskräftiges Urteil des Strafgerichtes

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gemeint offenbar vom 22. Februar 1984 - gegen die Zweitbeschwerdeführerin, ohne allerdings auf dieses Urteil insbesondere die Urteilsbegründung - im besonderen Begründung der Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe - einzugehen. Aus der Begründung des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Februar 1984 ergebe sich, daß die Zweitbeschwerdeführerin nur durch außergewöhnliche, durch den an der Straftat mitbeteiligten Dr. med. C veranlaßte Umstände zur Begehung der strafbaren Verhandlung bestimmt worden sei. Im übrigen habe das Landesgericht für Strafsachen Wien festgestellt bzw. sei dem Prozeßakt zu entnehmen, daß die inkriminierte Straftat nur im Rahmen des Apothekenunternehmens habe gesetzt werden können, weil nur dort die Abgabe von Arzneimittel/Arzneimittelspezialitäten auf Rechnung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger möglich sei. Im übrigen sei sich die Zweitbeschwerdeführerin zunächst in den Schlußfolgerungen nicht klar gewesen, eine strafbare Handlung dadurch zu setzen, daß ärztliche Verschreibungen zur Verrechnung ohne sofortige Abgabe der Medikamente gegen spätere Gutschrift an den mitbeteiligten Dr. C eingereicht wurden. Ohne die strafrechtliche Relevanz des gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin inkriminierten Sachverhaltes in Abrede stellen zu wollen, habe diese Tätigkeit, nämlich die Verrechnung von Kassenrezepten mit einer Großhandelstätigkeit keinen wie immer gearteten Zusammenhang. Die belangte Behörde übersehe, daß gerade auf Grund des "Persönlichkeitsbildes" der Zweitbeschwerdeführerin das Schöffengericht das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen angenommen habe, von der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB Gebrauch zu machen und die Freiheitsstrafe von neun Monaten gemäß § 43 StGB bedingt für eine Probezeit von drei Jahren zu verhängen. Es müsse für die belangte Behörde als bekannt vorausgesetzt werden, daß eine außerordentliche Strafmilderung nur dann zur Anwendung komme, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegten und die begründete Aussicht bestehe, daß der Täter

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die Zweitbeschwerdeführerin - auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde; es sei sohin eine qualifiziert günstige Prognose erforderlich. Diese qualifiziert günstige Prognose müsse unter Berücksichtigung des gesamten Tatgeschehens, des Vorlebens und des daraus resultierenden Charakterbildes gesehen werden. Wenn schon die belangte Behörde die Einhaltung arzneimittelrechtlicher Bestimmungen durch die Zweitbeschwerdeführerin als gefährdet erachte, so habe sie entweder übersehen oder bewußt übergangen, zu würdigen, daß die Zweitbeschwerdeführerin Konzessionär der öffentlichen Apotheke D, Inhaber Mr. E, sei; es dürfe wohl als amtsbekannt vorausgesetzt werden, daß der überwiegende Teile arzneimittelrechtlicher Bestimmungen von öffentlichen Apotheken und nicht so sehr von einem - wenn auch pharmazeutischen - Großhandel einzuhalten seien. Selbst unter Berücksichtigung dieser Tatsache habe die österreichische Apothekerkammer als Disziplinarbehörde mit ihrem Disziplinarerkenntnis vom 30. Jänner 1985 erkannt und sei gerade durch das Persönlichkeitsbild der Zweitbeschwerdeführerin dazu bewogen worden, die zu verhängende Disziplinarstrafe, nämlich die Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke, für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufzuschieben. Wenn die belangte Behörde vermeine, daß die Tatsache der zwischenzeitigen Tilgung der bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe unberücksichtigt zu bleiben habe, so verkenne sie den Sinn des Gesetzes und Zweck der Tilgung, eine Person, die einmal strafrechtlich verurteilt worden sei, nach Ablauf der gesetzlichen Frist - unter der Voraussetzung eines entsprechenden Wohlverhaltens - in jenen Zustand zu versetzen, nämlich den der Unbescholtenheit, wie vor dem der getilgten Strafe zugrundeliegenden Urteil. Die Würdigung der belangten Behörde sei schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil zumindest nach der derzeit herrschenden Lehre ein Täterstrafrecht gegeben sei, das im wesentlichen auf eine mögliche Resozialisierung des Täters abstelle und die von der belangten Behörde vertretene Ansicht mit diesem Gedanken gerade diamentral in Widerspruch stehe. Folge man nämlich weiters der Ansicht der belangten Behörde, so sei von einer mangelnden Zuverlässigkeit jedenfalls auch dann auszugehen, wenn eine strafrechtliche Verurteilung bereits getilgt sei, die jeweilige Person als unbescholten zu gelten habe, ohne allerdings auszusprechen, welche Zeiträume tatsächlich zu verstreichen hätten. Folge man der Meinung der belangten Behörde, so sei die Frage der "erforderlichen oder fehlenden Zuverlässigkeit" eine Ermessensfrage. Im bekämpften Bescheid unterlasse es die belangte Behörde zu begründen, auf Grund welcher Tatsachen bzw. Erwägungen - selbst nach Tilgung der Verurteilung der Zweitbeschwerdeführerin - von einer nach wie vor gegebenen mangelnden Zuverlässigkeit gesprochen bzw. ausgegangen werden könne. Warum die belangte Behörde zu einem offenbar negativen Charakterbild komme, bleibe gänzlich unerörtert. Die von der belangten Behörde dargelegte Begründung könne nur als Scheinbegründung gewertet werden. Die belangte Behörde übersehe, daß auch bei Ermessensentscheidungen soweit eine materielle Begründungspflicht bestehe, als das Rechtsschutzbedürfnis der Partei dies verlange. Die belangte Behörde irre auch darin, wenn sie vermeine es komme bei der Beurteilung des Charakterbildes weder darauf an, "daß die Freiheitsstrafe nur bedingt ausgesprochen wurde noch müssen die Handlungen oder Unterlassungen in Ausübung des Gewerbes begangen worden sein". Die belangte Behörde hätte sehr wohl zu berücksichtigen gehabt, daß die von der Zweitbeschwerdeführerin gesetzte Straftat - bereits getilgt - nicht im Rahmen der Ausübung der beschwerdegegenständlichen Konzession gesetzt worden sei, sondern ausschließlich im Rahmen des Apothekenbetriebes. Es wäre daher sehr wohl zu berücksichtigen gewesen, daß nicht Zuverlässigkeit in jeder Richtung erforderlich sei, sondern nur die für die einwandfreie Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit - die Zuverlässigkeit könne sich sohin nur auf die beschwerdegegenständliche Konzession beziehen.

Unzuverlässigkeit nach einer Richtung, die sich in keiner Weise bei der Ausübung des betreffenden Gewerbes ungünstig auswirke, biete keine Grundlage, die Konzession mangels des gesetzlichen Erfordernisses der Zuverlässigkeit zu verweigern. Ein materieller Ermessensfehler werde darin erblickt, daß es wohl der Behörde nicht verwehrt sei, das einer getilgten Verurteilung zugrundeliegende Verhalten der Person bei den von ihr anzustellenden Erwägungen einzubeziehen, allerdings gleichzeitig aber übersehe, daß nicht schlechthin jede getilgte gerichtliche Strafe bei der Prüfung der Verläßlichkeit zu berücksichtigen sei, weil eine solche Betrachtungsweise dem dem Rechtsinstitut der Tilgung zugrundeliegenden Gedanken, daß auch eine bereits getilgte gerichtliche Vorstrafe zum Nachteil des seinerzeit straffällig gewordenen grundsätzlich nicht Bedacht genommen werden solle, nicht Rechnung trage. Die belangte Behörde habe übersehen, daß die in der zitierten Urteilsbegründung vorgekommene Persönlichkeitskomponente von der Wertigkeit des Strafrechtes wohl wesentlich höher einzustufen sei, als Wertungsgesichtspunkte der Gewerbeordnung bzw. im Verhältnis zum Strafgesetz untergeordneter Verwaltungsvorschriften. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe die Entziehung der Gewerbeberechtigung Strafcharakter und zwar auch dann, wenn die belangte Behörde davon ausgehe, daß es sich hiebei um eine selbständig zu treffende administrative Maßnahme handle. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde könne auf Grund dieser zwischenzeitig getilgten Straftat, die im auffallenden Widerspruch zum vorherigen Lebenswandel der Zweitbeschwerdeführerin stehe, keineswegs die Frage der Zuverlässigkeit noch dazu im Hinblick auf das konkrete Gewerbe erschöpfend geklärt werden. Der bekämpfte Bescheid bleibe auch jegliche Begründung schuldig, welche gegebene Sachlage die Voraussetzungen für die Entziehung der beschwerdegegenständlichen Konzession rechtfertige oder vorliege. Die belangte Behörde habe die Stellungnahmen der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, der Innung der chemischen Gewerbe, der Sektion Gewerbe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien und der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien gänzlich unerörtert gelassen; sie habe es nicht einmal der Mühe Wert gefunden, auszuführen, wie die jeweiligen Stellungnahmen gelautet hätten. Hätte sich nämlich die belangte Behörde mit den einzelnen Stellungnahmen auseinandergesetzt, so hätte sie zumindest feststellen müssen, daß die Landesinnung Wien der chemischen Gewerbe bereits mit Schreiben vom 12. Juni 1986 die Ansicht vertreten habe, daß die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 GewO 1973 auf die Zweitbeschwerdeführerin nicht zuträfen, weil weder auf Grund der Eigenart der strafbaren Handlung, noch nach der Persönlichkeit der Verurteilten, die Begehung einer weiteren strafbaren Handlung im Rahmen der Ausübung des Gewerbes gemäß § 15 Abs. 1 Pkt. 14 GewO (1859) zu befürchten sei. Ein Vorliegen der Tatbestandsmerkmale gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1973, die Grundlage für die Maßnahmen gemäß § 91 Abs. 1 bzw. Abs. 2 seien, sei nach Meinung der Innung und obiger Ausführungen nicht gegeben. Warum die belangte Behörde diese zugunsten der Zweitbeschwerdeführerin erfolgte Beurteilung unberücksichtigt gelassen habe, sei nicht nachzuvollziehen und könne nur als bewußte Benachteiligung der Zweitbeschwerdeführerin angesehen werden. Der kursorische Verweis auf übrige Stellungnahmen - offenbar auf Grund von Anhörungen -, ohne deren näheren Inhalt darzulegen bzw. der Begründung zugrunde zu legen, stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der darüber hinaus die Zweitbeschwerdeführerin in ihrem Recht hindere, sich in der Sache selbst sachgemäß zu verteidigen. Die Berufung auf "allgemeine Lebenserfahrung" als Teil der Beweiswürdigung sei unschlüssig. Welche Zeit ausreiche, um die seitens der belangten Behörde dargelegte - unbegründete - Befürchtung zu zerstreuen, könne schon deshalb nicht durch "allgemeine Lebenserfahrung" begründet werden, weil gerade die Frage der Zuverlässigkeit eine höchst persönliche Charaktereigenschaft sei und einer prima facie-Beweiswürdigung nicht zugänglich sei.

Zu I.

Gemäß Art. 131 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, und zwar nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Ausschlaggebend für die Beschwerdelegitimation ist somit in erster Linie, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles durch den von ihm angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf § 91 Abs. 2 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, in Verbindung mit § 89 Abs. 1 GewO 1973. Gemäß der erstzitierten Gesetzesstelle hat die Behörde (§ 361), wenn der Gewerbeinhaber eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes ist und sich die im § 87 oder § 89 Abs. 1 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person beziehen, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, wenn der Gewerbetreibende diese Person nicht innerhalb einer von der Behörde zu setzenden Frist entfernt, im Falle, daß der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, und im Falle, daß der Gewerbetreibende der Pächter ist, bei Anmeldungsgewerben die Übertragung und bei konzessionierten Gewerben die Genehmigung der Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen.

Durch den auf diese Bestimmungen gestützten angefochtenen Bescheid wird, da Gewerbetreibender im vorliegenden Fall der Gewerbeinhaber ist, wobei die Gewerbeberechtigung einer Offenen Handelsgesellschaft zukommt, nur in die Rechtssphäre des Gewerbeinhabers eingegriffen, und zwar durch die Entziehung seiner Gewerbeberechtigung. Dem Geschäftsführer (im vorliegenden Fall somit der Zweitbeschwerdeführerin) kommt im Verfahren betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1973 - zum Unterschied von der rechtlichen Stellung des Geschäftsführers etwa im Verfahren gemäß § 91 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 (vgl. § 361 Abs. 4 GewO 1973) - kein aus den gewerberechtlichen Vorschriften ableitbares rechtliches Interesse zu; abgesehen davon, daß - im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage folgerichtig - der letztinstanzliche Bescheid der belangten Behörde nur an die Erstbeschwerdeführerin, nicht jedoch an die Zweitbeschwerdeführerin ergangen ist.

Die Zweitbeschwerdeführerin kann daher durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in ihren Rechten verletzt sein, weshalb in Ansehung der bezeichneten Beschwerdepunkte der Zweitbeschwerdeführerin die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelt.

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Zu II.

§ 91 Abs. 2 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, lautet:

"Ist der Gewerbeinhaber eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes und beziehen sich die im § 87 oder § 89 Abs. 1 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361), wenn der Gewerbetreibende diese Person nicht innerhalb einer von der Behörde zu setzenden Frist entfernt, im Falle, daß der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, und im Falle, daß der Gewerbetreibende der Pächter ist, bei Anmeldungsgewerben die Übertragung und bei konzessionierten Gewerben die Genehmigung der Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen".

Gemäß § 89 Abs. 1 GewO 1973 ist eine Konzession (§ 25) überdies von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber Handlungen oder Unterlassungen begangen hat, die die Annahme rechtfertigen, daß er die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 25 Abs. 1 Z. 1) nicht mehr besitzt; wobei § 87 Abs. 3 bis 6 sinngemäß gelten.

Nach § 25 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 ist eine Bewilligung (Konzession) für ein konzessioniertes Gewerbe (§ 5 Z. 2) zu erteilen, wenn bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben (§§ 8 bis 15) keine Tatsachen vorliegen, die es zweifelhaft machen, ob der Bewerber oder, falls sich eine juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechtes um die Konzession bewirbt, eine der im § 13 Abs. 7 genannten Personen die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.

In der vorliegenden Beschwerde wird die Annahme der belangten Behörde über das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales des "maßgebenden Einflusses auf den Betrieb der Geschäfte" nach § 91 Abs. 2 GewO 1973 - in Ansehung der Zweitbeschwerdeführerin - nicht bekämpft. Die vorliegende Beschwerde richtet sich vielmehr gegen die Annahme der belangten Behörde, daß die Zweitbeschwerdeführerin nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit besitze.

Der Begriff der Zuverlässigkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 hat durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Auslegung des Inhaltes erfahren, daß die Annahme der mangelnden Zuverlässigkeit einer natürlichen Person dann gerechtfertigt ist, wenn ihre Handlungen oder Unterlassungen so beschaffen sind, daß das daraus zu gewinnende Persönlichkeitsbild erwarten läßt, es werde die künftige Ausübung der gewerblichen Tätigkeit gegen die im Zusammenhang mit dem Gewerbe zu beachtenden öffentlichen Interessen verstoßen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1989, Zl. 86/04/0031, u. a.).

Die Behörde hat gemäß § 89 Abs. 1 GewO 1973 - im gegebenen Zusammenhang auch gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1973 - unabhängig von einer allfälligen Bestrafung zu beurteilen, ob Handlungen oder Unterlassungen die Annahme des Fehlens der erforderlichen Zuverlässigkeit rechtfertigen. Sie ist hiebei an rechtskräftige Bestrafungen zwar insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlung oder Unterlassung, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht, hat aber im Entziehungsverfahren unabhängig davon das sich ergebende Charakterbild - der Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht - zu untersuchen. Hiebei kommt es weder darauf an, daß die Freiheitsstrafe nur bedingt ausgesprochen wurde, noch müssen die Handlungen oder Unterlassungen in Ausübung des Gewerbes begangen worden sein. Entscheidend ist vielmehr, daß die in Frage stehende natürliche Person nach der Beschaffenheit der von ihr begangenen Handlungen oder Unterlassungen keine Gewähr mehr dafür bietet, daß sie bei Ausübung des Gewerbes die hiebei zu beachtenden öffentlichen Rücksichten wahren werde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1989, Zl. 86/04/0031, und die weitere dort angegebene hg. Rechtsprechung).

Ausgehend davon kann der belangten Behörde keine rechtswidrige Gesetzesanwendung bzw. ein damit im Zusammenhang unterlaufener entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel angelastet werden, wenn in der Beschwerde das mangelnde Eingehen auf die Begründung - im besonderen Begründung der Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe - des Urteils des Strafgerichtes vom 22. Februar 1984 gerügt wird. Ebensowenig vermag - für sich allein - der Beschwerdehinweis durchzudringen, die inkriminierte Straftat habe nur im Rahmen des Apothekenunternehmens gesetzt werden können bzw. habe die Verrechnung von Kassenrezepten mit einer Großhandelstätigkeit keinen wie immer gearteten Zusammenhang (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1989, Zl. 88/03/0122, wonach strafgerichtliche Verurteilungen wegen schweren Betruges und Hehlerei erkennen lassen, daß der Verurteilte nicht den Wert achtet, der dem Eigentum Dritter nach der Rechtsordnung zukommt).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen wird, daß es sich bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht um eine Strafe, sondern um eine von der Gewerbebehörde selbständig zu treffende administrative Maßnahme handle, die die Behörde bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen zu verfügen verpflichtet ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1976, Slg. N. F. Nr. 9046/A u.a.).

Im Hinblick auf die oben dargestellte von der Gewerbebehörde im Entziehungsverfahren selbständig zu treffende Würdigung des Persönlichkeitsbildes - dahingehend, daß die in Frage stehende Person keine Gewähr mehr dafür bietet, daß sie bei Ausübung des Gewerbes die hiebei zu beachtenden öffentlichen Rücksichten wahren werde - vermag aber auch der Beschwerdehinweis auf das Disziplinarerkenntnis der Österreichischen Apothekerkammer als Disziplinarbehörde - und deren Würdigung des Persönlichkeitsbildes der Zweitbeschwerdeführerin bei ihrer Entscheidung - eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Aber auch die unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels geltend gemachte Verfahrensrüge, der nicht ausreichenden Berücksichtigung der Stellungnahmen der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, Sektion Handel, und der Landesinnung der chemischen Gewerbe der Wiener Handelskammer durch die belangte Behörde vermag - auch im Lichte des Beschwerdevorbringens - einen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen, bei dessen Vermeidung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dabei vermag der Beschwerdehinweis auf die Stellungnahme der Landesinnung der chemischen Gewerbe der Wiener Handelskammer vom 12. Juni 1986 - und die darin vertretene Ansicht, daß die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 GewO 1973 auf die Zweitbeschwerdeführerin nicht zuträfen - schon deshalb einen entscheidungswesentlichen Verfahrensfehler nicht aufzuzeigen, weil die Annahme des Mangels der "Zuverlässigkeit" im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 - in Ansehung strafgerichtlicher Verurteilungen - nicht etwa das Vorliegen von Gewerbeausschließungsgründen nach § 13 Abs. 1 GewO 1973 zur Voraussetzung hat (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1987, Zl. 86/04/0203).

Der Beschwerde kommt jedoch insofern Berechtigung zu, als die von der belangten Behörde zur Rechtfertigung der Annahme der mangelnden Zuverlässigkeit der Zweitbeschwerdeführerin getroffenen bescheidmäßigen Feststellungen und Erörterungen eine ausreichende nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zulassen. Dies trifft insbesondere deshalb zu, weil - auch wenn im gegebenen Zusammenhang dem Umstand der Tilgung allein noch keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1989, Zl. 87/04/0130) - im Hinblick auf den seit der strafgerichtlichen Verurteilung der Zweitbeschwerdeführerin bis zur Bescheiderlassung verstrichenen Zeitraum der angefochtene Bescheid keine konkretisierten Darlegungen enthält, warum UNGEACHTET der erfolgten - als Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 13 Abs. 1 GewO 1973 zu beachtenden - Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilung die Annahme des Mangels der erforderlichen Zuverlässigung dennoch im Sinne des § 89 Abs. 1 GewO 1973 gerechtfertigt ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989040171.X00

Im RIS seit

29.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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