TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/30 89/13/0266

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Veröffentlicht am 30.05.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §236 Abs1;
B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 9; AnwBl 1/1991, S 46;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Juli 1989, Zl. GA 7-1167/89, betreffend Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exektion zu ersetzen.

Begründung

Mit dem (am 31. August 1987 beim Finanzamt eingelangten) Antrag vom 24. August 1987 begehrte der Beschwerdeführer die Rückzahlung von Aufsichtsratsabgabe für die Jahre 1983 bis 1986 im Gesamtbetrag von S 111.888,10. Er begründete dieses Begehren mit der Verfassungswidrigkeit der Rechtsvorschriften, auf Grund welcher die Aufsichtsratsabgabe eingehoben wurde.

Mit Bescheid vom 7. September 1987 wies das Finanzamt diesen Antrag ab.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die am 23. September 1987 beim Finanzamt einlangte.

Die belangte Behörde wies diese Berufung mit Bescheid vom 19. Mai 1988 als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides vertrat sie die Auffassung, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. März 1988 zwar das Gesetz über die Erhebung einer Abgabe der Aufsichtsratsmitglieder sowie die Verordnung des Reichsministers der Finanzen über den Steuerabzug von Aufsichtsratsvergütungen als verfassungswidrig aufgehoben, für das Außerkrafttreten aber eine Frist bestimmt habe, sodaß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 1988 in Kraft getreten sei. Die aufgehobenen Vorschriften seien daher auf den Beschwerdeführer noch anzuwenden gewesen.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1988 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht der von ihm geschuldeten und vom Abfuhrverpflichteten für seine Rechnung abgeführten Aufsichtsratsabgabe in der Höhe von S 111.888,10. Die Unbilligkeit der Einhebung liege darin, daß die belangte Behörde über seine am 23. September 1987 eingelangte Berufung nicht so rechtzeitig entschieden habe, daß er bis 8. März 1988 (Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof) die Beschwerde hätte erheben können. Wäre ihm dies möglich gewesen, wäre er noch als Anlaßfall anzusehen gewesen. Die Verzögerung der Berufungsentscheidung habe dazu geführt, daß völlig gleichgelagerte Fälle noch in den Genuß der Aufhebung geraten seien, er jedoch nicht.

Diesen Antrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom 30. März 1989 ab und führte begründend aus, aus dem Akteninhalt ergebe sich, daß die Gesellschaft, deren Aufsichtsrat der Beschwerdeführer angehört habe, die Aufsichtsratsabgabe getragen habe, sodaß eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nicht vorliege.

In der dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Vorbringen im Antrag vom 21. Dezember 1988.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und führte aus, nur bei einem Teil des begehrten Betrages handle es sich um durch Steuerabzug erhobene Aufsichtsratsabgabe. Bei einem Betrag von S 23.700,-- handle es sich nämlich um im Abzugswege einbehaltene Einkommensteuer. Hinsichtlich dieser Abgabe habe der Beschwerdeführer keinerlei Behauptungen aufgestellt, warum deren Einhebung unbillig sein soll. Hinsichtlich der Aufsichtsratsabgabe könne keine Unbilligkeit der Einhebung gesehen werden, weil die Anwendung der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen verfassungswidrigen Vorschriften sich gegenüber allen Steuerpflichtigen mit Ausnahme der Anlaßfälle in gleicher Weise auswirke. Die Mehrzahl der von der Aufsichtsratsabgabe betroffenen Steuerpflichtigen sei - so wie der Beschwerdeführer - nicht zu Anlaßfällen geworden, sodaß sich der Beschwerdeführer nicht auf einen atypischen Vermögenseingriff berufen könne. Im übrigen habe die Abfuhr der Aufsichtsratsabgabe für den Beschwerdeführer keine Vermögensbelastung bedeutet, weil nicht er, sondern die Gesellschaft die Abgabe getragen habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß § 236 Abs. 2 leg. cit. findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Voraussetzung für die Ermessensübung durch die Behörde ist somit, daß die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig ist. Unbilligkeit liegt nicht schon dann vor, wenn die Einhebung zu Einbußen an vermögenswerten Interessen führt, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind. Hinzu kommen muß, daß die Einhebung "nach der Lage des Falles" unbillig wäre. Das wäre dann anzunehmen, wenn die Einhebung, verglichen mit anderen Fällen, zu einer atypischen Vermögensbelastung führt (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, Seite 582 ff und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Dies ist aber beim Beschwerdeführer nicht der Fall, weil die von ihm subjektiv als Härte empfundene Belastung eine Auswirkung der sich aus Art. 140 Abs. 7 B-VG ergebenden Rechtslage ist, die alle von den oben bezeichneten, vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Vorschriften erfaßten Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft. Die in Art. 139 Abs. 6 und 140 Abs. 7 B-VG enthaltene Regelung, daß die aufgehobenen Vorschriften auf die vor der Aufhebung bzw. vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden und nur die Anlaßfälle davon ausgenommen sind, führt notwendigerweise dazu, daß die Anlaßfälle gegenüber anderen Fällen begünstigt werden. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten allgemein ein und führen ebensowenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (vgl. Stoll, a.a.O., S. 586 f und die dort zitierte hg. Rechtsprechung; Erkenntnis vom 17. Mai 1989,

Zlen. 85/13/0201, 0202).

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers kann die Unbilligkeit auch nicht aus einer ungebührlichen Säumnis der belangten Behörde abgeleitet werden. Dem Beschwerdeführer stand es frei, seinen Rückzahlungsantrag nicht erst am 31. August 1987, sondern schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu stellen und damit selbst zum Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG zu werden.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130266.X00

Im RIS seit

30.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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