TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/31 90/09/0079

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Veröffentlicht am 31.05.1990
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §2 Abs3;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §45 Abs1;

Betreff

N gegen Disziplinaroberkommission für höhere Offiziere beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 26. Februar 1990, Zl. 2-DOKHO/90, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberstarzt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Heeresspital in K.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für höhere Offiziere vom 20. September 1989 teilweise Folge, änderte den Verschuldensgrad auf "fahrlässig" und setzte die Disziplinarstrafe auf die Geldstrafe in der Höhe von S 50.000,-- herab.

Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt:

Mit dem genannten Disziplinarerkenntnis der ersten Instanz sei der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, daß er am 17. Feber 1987 während einer Operation im Heeresspital als verantwortlicher Anästhesist nach Einleitung der Narkose den Operationssaal verlassen, die weitere Narkosetätigkeit einem grundwehrdienenden Arzt, der nicht über das "ius-practicandi" verfügt habe, überlassen habe, durch mehrere Telefonanrufe innerhalb des Heeresspitales nicht aufgefunden, sondern erst über Funkruf erreicht worden sei. Wegen schuldhafter Verletzung der in den §§ 43 Abs. 2 und 45 Abs. 1 BDG 1979 und in den §§ 3 Abs. 1, 2 und 3 sowie 4 Abs. 1 und 3 ADV vorgeschriebenen Dienstpflichten sei der Beschwerdeführer gemäß § 48 Z. 3 HDG mit der Disziplinarstrafe "Geldstrafe in der Höhe von S 70.000,--" bestraft worden.

Nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - sei am 17. Feber 1987 im Heeresspital an einem Offizier in Ruhestand eine Operation durchgeführt worden. Der verantwortliche Operateur habe vor Beginn der Operation in einem persönlichen Gespräch den Beschwerdeführer, der jahrelang im Heeresspital auch als Narkosearzt tätig gewesen sei, ersucht, die Narkose durchzuführen, weil infolge des Alters des Patienten Komplikationen nicht ausgeschlossen erschienen. Der Beschwerdeführer habe die Narkose auch eingeleitet, jedoch nach einiger Zeit den Operationssaal verlassen, ohne seinem "Team", nämlich den in Ausbildung befindlichen "ZS-Arzt Dr. P", der noch nicht über das "ius-practicandi" verfügt habe, und der Schwester A einen Hinweis über seinen Aufenthaltsort zu geben und habe die Weiterführung der Narkose dem genannten Turnusarzt überlassen. Im weiteren Verlauf der Operation sei es beim Patienten zu einem starken Blutdruckabfall gekommen und der genannte Turnusarzt habe den Rat des Beschwerdeführers einholen wollen. Die genannte Schwester sei aus dem Operationssaal gelaufen und habe versucht telefonisch den Beschwerdeführer zu sprechen, weil sie vermutet habe, ihn entweder in seinem Zimmer, im Untersuchungsraum, im Offizierskasino oder sonst irgendwo im Heeresspital erreichen zu können. Nach mehreren vergeblichen Telefonaten habe sie die Vermittlung ersucht, dem Beschwerdeführer über Funkruf zu einem Rückruf aufzufordern. Einige Zeit später habe sich der Beschwerdeführer gemeldet und habe telefonische Anweisungen zur weiteren Behandlung des Patienten gegeben.

Im Verlauf der Verhandlung sei die Disziplinarbehörde erster Instanz davon in Kenntnis gesetzt worden, daß im Heeresspital die Gepflogenheit vorherrsche, bei manchen Operationen, insbesondere an jungen Patienten, wo Komplikationen kaum zu erwarten seien, Jungärzten, die sich in der Ausbildung zum praktischen Arzt befinden und noch nicht das "ius-practicandi" hätten, ohne direkte persönliche Aufsicht und Überwachung durch einen Facharzt, Narkosen selbständig durchführen zu lassen. Hiezu habe der Sachverständige ausgeführt, es sei auf Grund der mit einer Anästhesie verbundenen Risken und im Zusammenhang mit dem kurzen Zeitraum, innerhalb dessen eine zerebrale Reanimation durchgeführt werden könne, keineswegs zulässig, daß ein aufsichtsführender Facharzt, speziell im Zusammenhang mit anästhesiologischen Handlungen, nicht sofort und unmittelbar verfügbar sei. Die Verfügbarkeit sei nur durch die körperliche Anwesenheit des überwachenden Facharztes entweder im OP selbst oder in dessen unmittelbarer Umgebung gewährleistet.

Am genannten Operationstag habe sich der Beschwerdeführer bereit erklärt, dem Wunsche des Operateurs zu entsprechen und die Narkose an dem etwa 70-jährigen Patienten persönlich durchzuführen. Obwohl es keine direkte Absprache über die Dauer der Anwesenheit des Beschwerdeführers bei der Operation gegeben habe, habe der Operateur darauf vertraut, daß der Beschwerdeführer selbstverständlich während der Gesamtdauer der Operation die Narkose des Patienten führen werde. Um so überraschter sei er gewesen, als er die Abwesenheit des Beschwerdeführers feststellen mußte, nachdem während der Operation infolge eines starken Blutdruckabfalles "Hektik hinter der Abdeckung zum Narkosebereich" entstanden und der Ruf nach dem Beschwerdeführer laut geworden sei. Der junge Turnusarzt hätte zwar die Situation im Griff gehabt, aber von der Narkoseschwester verlangt, zu seiner Unterstützung den Rat des Beschwerdeführers einzuholen. Dieser habe nämlich nach Einleitung der Narkose den Operationsaal verlassen, ohne seinem Narkoseteam seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben. Erst geraume Zeit später - der Zeitpunkt lasse sich nicht genau festlegen - es seien jedoch einige Telefongespräche nötig gewesen, hätte fernmündlich sein Rat eingeholt werden können. Der Operateur, der über die Abwesenheit des Beschwerdeführers trotz der persönlichen Bitte sehr verärgert und entäuscht gewesen sei, hätte diesen Vorfall dem damaligen Kommandanten des Heeresspitales zur Kenntnis bringen wollen, habe dies jedoch am nächsten Tag unterlassen und die Klärung des Vorfalles in einem persönlichen Gespräch mit dem Beschwerdeführer beabsichtigt.

Die Disziplinarbehörde erster Instanz sei zur Ansicht gelangt, daß der Beschwerdeführer, nachdem er sich einverstanden erklärt gehabt habe, die Narkose durchzuführen, auch die Verantwortung für den Patienten und die Dienstaufsicht über sein Narkoseteam zu tragen gehabt hätte. Zufolge den Ausführungen des Sachverständigen hätte dies durch persönliche Anwesenheit im Operationssaal bzw. in dessen unmittelbarer Umgebung erfolgen müssen. Der Verantwortung des Beschwerdeführers und zweier namentlich genannter Zeugen, daß es nicht nur im Heeresspital, sondern auch in vielen anderen Spitälern gang und gebe sei, daß in Ausbildung stehende Ärzte selbständig Narkosen durchführen würden, könne nicht gefolgt werden. Es stehe fest, daß ein in Ausbildung befindlicher Turnusarzt, der nicht zur selbständigen Berufsausbildung berechtigt sei, die Anästhesie ohne Anwesenheit eines Fachanästhesisten weiter und zu Ende geführt habe, und daß der Beschwerdeführer nicht unmittelbar erreichbar gewesen sei. Auf Grund der Anzahl der Telefongespräche sei sicher, daß seine körperliche Anwesenheit im Operationssaal im Bedarfsfall innerhalb eines Zeitraumes von maximal zwei Minuten nicht möglich gewesen wäre. Laut Feststellung des Sachverständigen habe sich dort ein Ereignis zugetragen, das laut Ärztegesetz nicht hätte stattfinden dürfen. Die Tatsache eines "Gewohnheitsrechtes" (nämlich der Umstand, daß auch in anderen Spitälern das Ärztegesetz übertreten werde) lasse keinesfalls eine Entlastung in einem zur Anzeige gebrachten Einzelfall zu. Die Schwere der Dienstpflichtverletzung habe die Disziplinarbehörde erster Instanz auf Grund des Stellenwertes der verletzten Pflicht, deren Ausmaß und Auswirkungen sowie des Verschuldensgrades bewertet. Dem Stellenwert der verletzten Pflicht sei hinsichtlich der ärztlichen Verantwortlichkeit für den betagten und narkotisierten Patienten, der Aufsichtspflicht über das Narkoseteam und des Vertrauenbruches gegenüber den als Operateur tätigen Kammeraden höchste Bedeutung beigemessen worden. Das Ausmaß der Pflichtverletzung werde im Hinblick auf das Alter des Patienten und auf die Zeit der Nichterreichbarkeit des Beschwerdeführers als gravierend und der ärztlichen Ethik im höchsten Maße zuwiderlaufend bewertet. Die Auswirkungen der Pflichtverletzung seien in der zweifellos eingetretenen Untergrabung des Ansehens und der Autorität des Beschwerdeführers in den Augen der Ärzte und des Pflegepersonals im Heeresspital zu erblicken und nicht als unerheblich zu bezeichnen. Als Grad des Verschuldens sei Vorsatz festgestellt worden.

Bei der Strafbemessung sei als mildernd die ausgezeichnete Dienstbeschreibung sowie die bis zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung vorliegende Unbescholtenheit, erschwerend hingegen der hohe Verschuldensgrad, die bedenken- und verantwortungslose Vorgangsweise im Hinblick auf das Alter des Patienten, der Vertrauensverlust sowie eine disziplinäre Vorstrafe gewertet worden. Die verhängte Disziplinarstrafe sei der Disziplinarbehörde erster Instanz schuldangemessen und notwendig erschienen, um den Beschwerdeführer in Hinkunft von der Begehung ähnlicher Pflichtverletzungen abzuhalten.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer die Aufhebung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses und die Einstellung des eingeleiteten Disziplinarverfahrens, in eventu die Abänderung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses dahingehend beantragt, daß die verhängte Disziplinarstrafe herabgesetzt werde. Er sei mit dem Verschuldensgrad "Vorsatz" schuldig befunden worden, am 17. Feber 1987, während einer Operation im Heeresspital als verantwortlicher Anästhesist nach Einleitung der Narkose den Operationssaal verlassen zu haben, die weitere Narkosetätigkeit einem "GWD-Arzt", der nicht über das "ius-practicandi" verfügt habe, überlassen zu haben und, als sein fachärztlicher Beistand benötigt worden sei, erst über Funk erreicht worden zu sein. Das in der Begründung dargestellte Ermittlungsergebnis widerspreche den durch die Disziplinarbehörde erster Instanz gezogenen Schlußfolgerungen, die schließlich zum angenommenen Verschuldensgrad und der daraus resultierenden Strafe geführt hätten. Richtig sei festgestellt worden, daß es üblich gewesen sei, daß der Beschwerdeführer bei Operationen entweder die Narkose eingeleitet habe und dann im Heeresspital erreichbar gewesen sei, oder daß ein anderer Kollege, auch ohne "ius-practicandi" überhaupt selbständig die Narkose durchgeführt habe. Diese Praxis der "extensiven Überwachung" der jungen Kollegen sei bis zuletzt üblich gewesen und auch in der Verhandlung bestätigt worden. Im konkreten Anlaßfall habe der genannte Operateur den Beschwerdeführer ersucht, die Narkose selbst durchzuführen. Für den Beschwerdeführer habe dies auf Grund der gehandhabten Praxis bedeutet, daß er die Narkose einleiten solle, was er auch getan habe. Darüber hinaus sei er noch einige Zeit im Operationsaal verblieben. Als er gesehen hätte, daß der Patient ruhig gewesen sei, habe er den Operationssaal verlassen und sich im Heeresspital aufgehalten; eine Vorgangsweise, die üblich gewesen sei und die etwa im Falle der Operation am 20. August 1987 zum Freispruch des Beschwerdeführers geführt hätte. Als Beweis seiner Anwesenheit habe der Beschwerdeführer die Fotokopie seiner Zeitkarte vorgelegt. Auf Grund dieser Darstellung sei nach der Meinung des Beschwerdeführers in seiner Berufung der ihm angelastete Verschuldensgrad "Vorsatz" nicht aufrecht zu halten. Der Beschwerdeführer sei auf Grund des Ersuchens des Operateurs, die Narkose durchzuführen, überzeugt gewesen, daß er selbst die Narkose lediglich einzuleiten hätte, statt wie normal nur im Heeresspital anwesend zu sein. Unter Bedachtnahme auf die gehandhabte Praxis und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer das Ersuchen des Operateurs nur in der dargestellten Art interpretiert habe - eine andere Variante wäre für ihn in der damaligen Situation nicht erklärlich gewesen - könne sein Verhalten nicht vorsätzlich gewesen sein, weil ihm in jedem Fall die bewußte Absicht gefehlt habe. Auch die Aussage der Zeugin, sie könne auf Grund des "Piepstones" heute eindeutig erklären, daß der Beschwerdeführer am 17. Feber 1987 nicht im Heeresspital gewesen sein könnte, widerspreche den Lebenserfahrungen und den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer von den Anschuldigungen, die sich einzig auf die Zeugenaussage der Schwester A gestützt hätten, nämlich er wäre am 13., 14., 17., 19. und 22. August 1987 nicht bei den Operationen anwesend gewesen, freigesprochen worden sei. Daraus folge eindeutig, daß die Behauptungen der Zeugin unrichtig gewesen seien. Wenn nun schon festgestellt worden sei, daß sich die Zeugin bei der Frage der Anwesenheit des Beschwerdeführers in allen sechs Fällen geirrt hätte, bezweifle der Beschwerdeführer überhaupt ihre Glaubwürdigkeit. Besonders erscheine es ihm unmöglich, glaubhaft versichern zu können, wie vor mehr als zweieinhalb Jahren ein Telefon geläutet habe. Wenn der Beschwerdeführer aber nicht vorsätzlich gehandelt habe, verbliebe noch die Frage, ob er allenfalls fahrlässig gehandelt hätte, was auch zu verneinen sei. Er habe auf Ersuchen des Operateurs die Narkose eingeleitet und sei dann nach einiger Zeit aus dem Operationssaal gegangen; eine Information, wo er zu erreichen wäre, habe er deshalb nicht für nötig gehalten, weil er sich ohnehin im Heeresspital aufgehalten habe. Wenn der Beschwerdeführer für analoges Verhalten am 20. August 1987 freigesprochen worden sei, sei nicht einsichtig, daß er für das selbe Verhalten mit einer Geldstrafe von S 70.000,-- bestraft werde.

Nach durchgeführter Berufungsverhandlung und Anhörung der Zeugen Brigadier in Ruhe Dr. T, Schwester A und Dr. P habe die belangte Behörde festgestellt und als erwiesen angenommen:

Bei der Operation am 17. Feber 1987, etwa eine halbe Stunde nach Einleitung der Narkose, habe der Beschwerdeführer den OP verlassen und der Narkoseschwester mitgeteilt, daß er in sein Zimmer gehe; diese habe ihn ersucht, den "ZS-Arzt Dr. P" von diesem Vorhaben zu informieren, weil dieser nun für den weiteren Verlauf der Narkose verantwortlich sei. Nachdem während der Operation eine kritische Situation eingetreten sei (Blutdruckabfall), habe der fachärztliche Rat des Beschwerdeführers nach Meinung und Aussage des Dr. P nach etwa fünf Minuten, nach Meinung und Aussage der Schwester A nach 15 Minuten telefonisch eingeholt werden können. Schwester A habe nämlich versucht, den Beschwerdeführer durch mehrere Anrufe innerhalb des Heeresspitales zu erreichen, da sie ihn ja in seinem Zimmer oder in anderen Räumen des Heeresspitales (Offizierskasino ...) vermutet habe. Erst als die Telefonanrufe ergebnislos geblieben seien, habe sie ihn über Funkruf verständigen lassen. Die Tatsache bleibe - wie die Disziplinarbehörde erster Instanz gestützt auf das Sachverständigengutachten festgestellt habe -, daß das Verhalten des Beschwerdeführers keineswegs den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hätte und das Vertrauen seines operierenden Kollegen bezüglich Unterstützung und Beihilfe untergraben habe. Die gesetzlich geforderte unmittelbare Überwachung eines auszubildenden Arztes sei daher nicht gegeben gewesen, auch die geschätzte Minimalzeit von fünf Minuten bis zum Eintreffen des telefonischen Rates wäre zu lange gewesen, um im konkreten Ernstfall zielführende Hilfsmaßnahmen einleiten zu können. Der Umstand, daß im Heeresspital K ebenso wie in anderen Spitälern die diesbezüglichen Bestimmungen des Ärztegesetzes übertreten worden seien, könne nicht als Rechtfertigung geltend gemacht werden. Der disziplinäre Freispruch bezüglich ähnlicher Pflichtverletzungen an anderen Tagen sei einerseits auf Grund des Umstandes erfolgt, daß der Beschwerdeführer laut Zeugenaussage am 20. August 1987 und am 22. September 1987 bei Operationen in anderen Operationssälen anwesend gewesen sei und andererseites, weil auf Grund eingetretener Verjährung eine disziplinäre Verfolgung der angezeigten Abwesenheit bei Operationen am 11., 13., 14., 17. und 19. August 1987 ausgeschlossen gewesen sei. Die Ausführungen in der Berufung hinsichtlich des "Piepstones" des Telefones seien gegenstandslos, weil sie keinen Bestandteil des Schuldspruches und der Begründung dargestellt hätten. In der Berufung sei weiters die Glaubwürdigkeit der Zeugin Schwester A bezweifelt worden, eine Meinung, der sich die belangte Behörde auf Grund folgender Überlegungen nicht habe anschließen können:

In der Berufungsverhandlung habe die Genannte bestimmt, glaubwürdig, überzeugend und logisch folgerichtig ausgesagt:

-

daß sie dem Beschwerdeführer nie "grün" (nämlich bei der Operation in Operationskleidung) gesehen habe, außer bei der Operation am 17. Feber 1987;

-

es ihr nicht zustehe, die Aussagen anderer Operateure zu bezweifeln, wenn diese bestätigten, daß der Beschwerdeführer bei den von ihnen durchgeführten Operationen als Narkosearzt eingesetzt gewesen sei;

-

daß der namentlich genannte Operateur seinem Ärger mit kräftigen und deftigen Worten Luft gemacht habe, als er die Abwesenheit des Beschwerdeführers während der Operation feststellen habe müssen.

Den Ausführungen der Disziplinarbehörde erster Instanz hinsichtlich des Stellenwertes der verletzten Pflicht, deren Ausmaß und Auswirkung sowie der Strafbemessungsgründe habe sich die belangte Behörde vollinhaltlich angeschlossen.

    Hinsichtlich des Verschuldensgrades billige die belangte

Behörde dem Beschwerdeführer aber zu, den auszubildenden

Jungarzt nicht vorsätzlich im OP allein gelassen zu haben,

sondern der langjährig geübten Praxis folgend und den

Unrechtsgehalt seines Handelns nicht mehr wahrnehmend, den OP

fahrlässig verlassen zu haben. Die Einstellung: ".... das war

schon immer so, ... das haben wir immer so gemacht, ....es ist

noch nie etwas passiert,.... im Notfall bin ich erreichbar,

..." habe dem Beschwerdeführer die Unrechtmäßigkeit seines Handelns nur in sehr begrenztem Ausmaße erfassen lassen.

Auf Grund des geänderten Verschuldensgrades sei daher die Disziplinarstrafe zu mindern und wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, daß zur Durchführung der Narkose der in Ausbildung befindliche genannte Arzt eingeteilt gewesen sei, der noch nicht über das "ius-practicandi" verfügt habe. Ihm sei zwar die Bestimmung des § 2 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1984 bekannt gewesen, derzufolge Turnusärzte lediglich zur unselbständigen Ausübung ärztlicher Tätigkeiten unter Anleitung und Aufsicht des ausbildenden Arztes berechtigt seien, doch sei ihm zu dieser Zeit die Konkretisierung des Begriffes "Aufsicht" nicht klar gewesen. Weder in der interpretierten Ausgabe des Ärztegesetzes noch in diversen Rundschreiben der Ärztekammer oder in den einschlägigen Bundesgesetzblättern habe es eine exakte Definition des Ausdruckes "Anleitung und Aufsicht" gegeben. Es sei vielmehr bis 1988 die gängige Rechtsmeinung von Landessanitätsdirektoren einzelner Bundesländer gewesen, daß der gesetzlichen Bestimmung des § 2 Abs. 3 des Ärztegesetzes auch dann Rechnung getragen werde, wenn Rufbereitschaft vorliege. Für den Beschwerdeführer habe daher kein Zweifel bestanden, daß die im Heerespital und darüber hinaus auch in anderen ihm bekannten Spitälern "gehandhabte Interpretation der Begriffe Anleitung und Aufsicht" rechtlich relevant gewesen sei. Da der Operateur diese Praxis gekannt habe, habe der Beschwerdeführer dessen Ersuchen nur in dem Sinne verstanden, wie er es dann tatsächlich durchgeführt hätte. Ansonst hätte ihm der Operateur präzisere Angaben machen müssen. Dies alles hätte dem Operateur bewußt sein müssen, der im übrigen beim Verlassen des Operationssaales durch den Beschwerdeführer keine Reaktion gezeigt habe und darüber hinaus die Rückholung des Beschwerdeführers jederzeit hätte veranlassen können, weil er ja - wie die Zeitkarte beweise - im Heeresspital anwesend gewesen sei. Auf Grund des damaligen Wissensstandes des Beschwerdeführers betreffend die Interpretation des terminus "unter Anleitung und Aufsicht" des § 2 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1984, als auch der Weisung des damaligen Leiters des Heeresspitals hinsichtlich des Einsatzes von "GWD-Ärzten" ohne "ius-practicandi", sei für den Beschwerdeführer eindeutig klar gewesen, daß seine körperliche und persönliche Anwesenheit im Operationssaal neben dem auszubildenden Kollegen nicht notwendig gewesen sei und auf Grund des dargestellten Wunsches des Operateuers auch nicht verlangt worden sei. Wenn daher die zuständigen Juristen von Bund und Ländern zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich verschiedener Rechtsmeinungen zur Durchführung der Anleitung und Aufsicht von auszubildenden Ärzten gewesen seien, der Beschwerdeführer bei seinen Tätigkeiten im Heeresspital diese Art und Weise des Verhaltens bei seinem Dienstantritt bis laufend vorgefunden habe, könne ihm seines Erachtes nach kein Vorwurf gemacht werden, daß er als Nichtjurist den terminus "Anleitung und Aufsicht" offensichtlich nicht richtig interpretiert habe. Da er sich somit im Rechtsirrtum befunden habe, der die Schuldhaftigkeit ausschließe, wäre er nicht disziplinär strafbar gewesen.

Dieses Vorbringen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Beschwerdeführer räumt selbst ein, daß ihm die Bestimmung des § 2 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1984 bekannt war, der zufolge Turnusärzte lediglich zur unselbständigen Ausübung ärztlicher Tätigkeit unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte berechtigt sind. Wenn der Beschwerdeführer dann weiter vorbringt, ihm sei zum damaligen Zeitpunkt die Konkretisierung des Begriffes "Aufsicht" nicht in der derzeitigen Klarheit gegeben gewesen, ist dieses Vorbringen schon von vornherein nicht geeignet einen Rechtsirrtum darzulegen. Der Beschwerdeführer übersieht, daß nach der genannten gesetzlichen Bestimmung die Turnusärzte lediglich zur unselbständigen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit berechtigt sind. Der vom Beschwerdeführer für seinen Standpunkt ins Treffen geführte Umstand, daß es keine exakte Definition des Ausdruckes "Anleitung und Aufsicht" gebe, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr darauf zurückzuführen, daß der Begriffsinhalt im gegebenen Zusammenhang von vornherein nicht unklar ist. Insbesondere bezogen auf den konkreten, dem Beschwerdeführer vorgeworfenen und von ihm im wesentlichen gar nicht bestrittenen Sachverhalt, ist wohl eindeutig klar, daß das Verhalten des Beschwerdeführers - nämlich die praktische Übertragung der Verantwortung bei einer Operation auf einen Turnusarzt, von dem in der konkreten Situation lebensnotwendige Maßnahmen innerhalb von Sekunden gesetzt werden müssen - nicht der gesetzlichen Regelung entsprochen hat. Dazu kommt noch, daß der Beschwerdeführer nicht einmal dafür Sorge getragen hat, im Sinne einer Rufbereitschaft erreichbar und innerhalb kürzester Zeit verfügbar zu sein. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß der Operateur seine Herbeiholung jederzeit hätte veranlassen können, weil er ja - nach der Zeitkarte - im Heeresspital anwesend gewesen sei, ist bezogen auf den unbestritten festgestellen Sachverhalt und die einen Narkosearzt treffende Verpflichtung geradezu als bedenklich zu bezeichnen.

Wenn sich der Beschwerdeführer auf die angebliche Praxis im Heeresspital beruft, nach der die Heranziehung von Turnusärzten für selbständige Dienste üblich gewesen sei, ist er darauf hinzuweisen, daß einem solchen Kriterium für die Frage der Vorwerfbarkeit seines Verhaltens jedenfalls nur dann Bedeutung zukommen kann, wenn der Inhalt der verletzten Norm nicht eindeutig und die Rechtswidrigkeit der Praxis auf diese Weise nicht offensichtlich ist; denn der Beamte hat sich an den Vorschriften und nicht an einer damit im Widerspruch stehenden Praxis zu orientieren (vgl. in diesem Sinne Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1980, Zl. 240/80, Slg. N.F. Nr. 10.136/A und vom 28. April 1982, Zl. 82/09/0004, Slg. N.F. Nr. 10.722/A).

Abgesehen davon, daß die Bezugnahme des Beschwerdeführers auf die mit der Beschwerde vorgelegte Kopie eines Schriftstückes über eine Besprechung des Gesundheitsministers mit Vertretern eines Bundeslandes über die Zulässigkeit des Einsatzes von Turnusärzten in Krankenanstalten eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung darstellt, ist die darin dokumentierte Haltung der fachkompetenten Personen eindeutig und auch in der Judikatur sowohl des Obersten Gerichtshofes als auch des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt (vgl. die darin genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1988, Zl. 88/18/0046 und vom 25. April 1988, Zl. 88/18/0035).

Da bereits auf Grund des Beschwerdevorbringes erkennbar war, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in keinem Recht verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in einem gemäß gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.

Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990090079.X00

Im RIS seit

22.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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