TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/12 90/05/0035

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §4;
ZustG §7;

Betreff

N gegen Kärntner Landesregierung vom 23. August 1989, Zl. 3-Gem-85/5/89, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einer Straßenangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde X).

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem Schreiben vom 8. Juni 1988 ersuchten Ferdinand M und die Beschwerdeführerin die mitbeteiligte Gemeinde, die öffentliche Wegparzelle 379, KG Y, auszubauen und zu asphaltieren, wobei die Antragsteller sich bereit erklärten, 25 % der gesamten Herstellungskosten je zur Hälfte zu übernehmen. Dieses Schreiben ist jedoch nur von Ferdinand M und nicht auch von der Beschwerdeführerin unterzeichnet. Im Akt erliegt allerdings ein von der Beschwerdeführerin unterschriebener Zettel, datiert mit 7. Juni 1988, welcher folgende Erklärung zum Gegenstand hat: "Ich, Hannelore N, wohnhaft in Y 24, erkläre mich bereit, die 25 % für die Asphaltierung der Straße bereitÜ". In ihrer Gegenschrift führt die Gemeinde aus, daß die Beschwerdeführerin diese Erklärung einem Mitglied des Gemeinderates gegenüber abgegeben habe, wobei sie sich darüber im klaren gewesen sei, daß die 25 %ige Interessentenleistung zwischen M und ihr aufzuteilen sei und auf jede beteiligte Liegenschaft ein Anteil entfalle; ihren Wohnort habe die Beschwerdeführerin ausdrücklich mit Y 24 bezeichnet.

Mit Bescheid vom 8. Juni 1988 stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 23 Abs. 2 des Kärntner Straßengesetzes 1978 fest, daß die Beschwerdeführerin und Ferdinand M zu den Ausbaukosten des Grundstückes 379, KG Y, einen Anteil zu leisten haben. Dieser Bescheid wurde an die Adresse der Beschwerdeführerin in Y 24 zugestellt und am 15. Juni 1988 von Johanna R als "Mitbewohnerin" im Wege der Ersatzzustellung übernommen.

Mit einem Schreiben des Bürgermeisters vom 2. November 1988 wurde der Bescheid in Ablichtung der Beschwerdeführerin an ihre Adresse in Z übermittelt.

In ihrer Berufung vom 14. November 1988 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 1988.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1988 wies der Gemeindevorstand die Berufung als verspätet zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Erklärung vom 7. Juni 1988 nachweislich beurkundet habe, in Y 24 wohnhaft zu sein. Der Zustellvorgang vom 15. Juni 1988 sei daher rechtmäßig erfolgt und die Berufung erweise sich sohin als verspätet.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung behauptet die Beschwerdeführerin, die mitbeteiligte Gemeinde habe genaue Kenntnis davon, daß sie nicht in Y 24, sondern in Z wohnhaft sei. Eine Erklärung, wonach sie in Y 24 wohnhaft sein sollte, habe sie gegenüber der Gemeinde nie abgegeben. Sollte dennoch ein derartiger "Beurkundungsvorgang vorhanden" sein, so sei dieser arglistig zustandegekommen und hätte der Irrtum der Gemeinde sofort auffallen müssen. In Y 24 halte sich die Beschwerdeführerin auch nicht vorübergehend auf.

Auf Grund des Vorbringens in der Vorstellung veranlaßte die Gemeindeaufsichtsbehörde die ergänzende Einvernahme des Zustellers, der als Zeuge erklärte, am 15. Juni 1988 Grund zur Annahme gehabt zu haben, daß sich die Beschwerdeführerin regelmäßig an der von ihr angegebenen Abgabestelle, nämlich Y 24, aufhalte. (Eine nähere Begründung für diese Annahme ist der Zeugenaussage nicht zu entnehmen.)

In ihrer Äußerung vom 1. April 1989 nahm die Beschwerdeführerin zu dieser Aussage dahingehend Stellung, daß sie sich regelmäßig in Z aufhalte, gelegentlich aber ihre in Y wohnhafte Tante besuche. Der Briefträger wisse ganz genau, daß sie sich nicht in Y aufhalte, weil ihre Tante allein im Haus wohne. Dies sei auch in der Gemeinde bekannt und auch Bescheide der Gemeinde in Steuerangelegenheiten würden ihr an ihre Wohnadresse in Z zugestellt. Die Beschwerdeführerin führte sodann näher aus, wie ihre Erklärung vom 7. Juni 1988 zustandegekommen sei. Sie behauptet in diesem Zusammenhang, daß sie den Text nach dem Diktat des Gemeinderates T geschrieben habe, wobei sie jedoch darauf hingewiesen habe, daß sie in Z wohne. Gemeinderat T habe daraufhin gemeint, daß es sich um den Weg in Y 24 handle. Nicht erwähnt worden sei, daß die Unterschrift der Gemeinde vorgelegt werde, vielmehr habe T betont, er komme nur im Auftrag des Nachbarn der Beschwerdeführerin.

In ihrer Äußerung vom 18. Mai 1989 führte die Gemeinde zum Vorbringen der Beschwerdeführerin aus, der Gemeinderat T verneine ausdrücklich, daß der Text der Verpflichtungserklärung vom 7. Juni 1988 von ihm stamme, vielmehr habe diese Erklärung die Beschwerdeführerin ohne jedwedes Zutun formuliert und verfaßt. In ihrer Gegenäußerung vom 10. Juni 1989 hielt die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen aufrecht.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Kärntner Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde stellte im wesentlichen fest, daß die Beschwerdeführerin nicht bestritten habe, in der Erklärung vom 7. Juni 1988 angegeben zu haben, in Y 24 wohnhaft zu sein. Der einvernommene Postzusteller habe weiters als Zeuge erklärt, Grund zur Annahme gehabt zu haben, daß sich die Beschwerdeführerin regelmäßig an der von ihr angegebenen Abgabestelle aufhalte. Damit sei aber die Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters vom 8. Juni 1988 ordnungsgemäß erfolgt und die Berufung sei zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Gemeinde erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Frage strittig, ob der Bescheid des Bürgermeisters vom 8. Juni 1988 der Beschwerdeführerin an der Adresse Y 24 im Bereich der mitbeteiligten Gemeinde zugestellt werden durfte. Nach § 4 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Der Bürgermeister als Straßenbehörde erster Instanz ging bei der Erlassung des Bescheides vom 8. Juni 1988 davon aus, daß die Beschwerdeführerin und ihr in der Sachverhaltsdarstellung genannter Nachbar in dem Ansuchen vom gleichen Tage bestimmte Adressen angegeben haben. Dieses Ansuchen wurde allerdings von der Beschwerdeführerin nicht unterfertigt, wie gleichfalls schon in der Sachverhaltsdarstellung dargetan worden ist. Die von der Beschwerdeführerin verfertigte Erklärung vom 7. Juni 1988 war nicht an die Gemeinde gerichtet, sodaß weder diese Erklärung noch das Ansuchen vom 8. Juni 1988 als Beweis dafür angeführt werden können, daß die Adresse Y 24 als Abgabestelle in Betracht kommt. Weiters hat die Beschwerdeführerin im Zuge des Vorstellungsverfahrens zutreffend die Auffassung vertreten, daß auf Grund der verschiedenen Zustellungen der mitbeteiligten Gemeinde an sie ihre Wohnadresse der Gemeinde bekannt sein mußte. Der Verwaltungsgerichtshof teilt sohin die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß der erstinstanzliche Bescheid an ihre Wohnadresse in Z zugestellt hätte werden müssen.

Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung nach § 7 des Zustellgesetzes als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist. Da der Bescheid vom 8. Juni 1988 tatsächlich am 15. Juni 1988 der Tante der Beschwerdeführerin zugestellt worden ist, wäre zu prüfen gewesen, ob nicht der Bescheid in der Folge der Beschwerdeführerin im Sinne des § 7 des Zustellgesetzes tatsächlich zugekommen ist. Diese Frage wurde weder auf Gemeindeebene noch im Verfahren vor der belangten Behörde geprüft, weil irrtümlich die Adresse Y 24 als Abgabestelle angesehen und die Zustellung an den Ersatzempfänger (§ 16 Zustellgesetz) als gesetzmäßig beurteilt wurden. Damit hat aber die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050035.X00

Im RIS seit

12.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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