TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/19 88/07/0081

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Veröffentlicht am 19.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §41 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
WRG 1959 §103 Abs1;
WRG 1959 §107 Abs1;
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §121;
WRG 1959 §28;

Betreff

B und CN gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 10. Mai 1988, Zl. III/1-25.116/10-88, betreffend Parteistellung in einem wasserrechtlichen Verfahren (mitbeteiligte Partei: P sen.).

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Juli 1985 hatte die Bezirkshauptmannschaft Gmünd auf Grund der Anzeige des nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Mitbeteiligten über die beabsichtigte Wiederherstellung seiner unter PZ 349 eingetragenen Wasserkraftanlage (Wehranlage des X-Teiches) gemäß §§ 28, 98 und 107 WRG 1959 festgestellt, daß das Vorhaben weitgehend dem früheren Zustand entspreche und die beabsichtigten - die Schützenanlage samt Steg und Ufermauern betreffenden - Änderungen vom Standpunkt öffentlicher Interessen und fremder Rechte zulässig seien. Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers und dritter Parteien hatte sodann der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 8. April 1986 den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950) behoben und die Angelegenheit zur Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Wasserrechtsbehörde erster Instanz zurückverwiesen. Wie sich aus der Begründung dieses Rechtsmittelbescheides ergibt, hatte die Berufungsbehörde beanstandet, daß Erörterungen darüber fehlten, ob fremde Rechte berührt würden und wer als Partei zu betrachten sei, ferner, daß die Planunterlagen die Art der Wiedererrichtung nicht eindeutig erkennen ließen. Im fortgesetzten Verfahren, an dem die Beschwerdeführer nicht teilnahmen, erging sodann der Bescheid der genannten Bezirkshauptmannschaft vom 7. August 1986, mit welchem gemäß §§ 28, 55 Abs. 3, 98 Abs. 1 und 105 WRG 1959 festgestellt wurde, daß die im Zuge der Wiederherstellung der bezeichneten Wasserbenutzungsanlage beabsichtigten, näher beschriebenen Änderungen bei Einhaltung bestimmter Vorschreibungen vom Standpunkt öffentlicher Interessen und fremder Rechte zulässig seien. Dieser den Beschwerdeführern nicht zugestellte Bescheid wurde in der Folge nicht angefochten. Im Februar und März 1988 beantragten die Beschwerdeführer bei der genannten Bezirksverwaltungsbehörde die Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren zur Wiederherstellung der besagten Wehranlage; sie behaupteten eine Beeinträchtigung ihrer Grundstücke durch einen unzulässigen Überstau der Wehranlage.

Mit Bescheid vom 29. März 1988 wies die Bezirkshauptmannschaft Gmünd hierauf gemäß §§ 28, 98 Abs. 1 und 102 WRG 1959 den Antrag der Beschwerdeführer auf Zuerkennung der Parteistellung ab und ihren - für den Fall der Zuerkennung mündlich gestellten - Antrag auf Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft vom 7. August 1986 mangels Parteistellung zurück.

Auf Grund der Berufung der Beschwerdeführer änderte der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 10. Mai 1988 schließlich gemäß § 98 WRG 1959 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 den Bescheid vom 29. März 1988 dahin ab, daß der Antrag der Beschwerdeführer auf Zuerkennung der Parteistellung im bezeichneten Feststellungsverfahren wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich der Bescheidzustellung bestätigt wurde. Begründend wurde unter Hinweis auf § 42 AVG 1950 und § 107 Abs. 2 WRG 1959 ausgeführt, die Wasserrechtsbehörde habe den Antrag des Mitbeteiligten in einer mündlichen Verhandlung inhaltlich behandelt, zu der sämtliche der Behörde bekannten Parteien geladen worden seien; überdies sei die Anberaumung der Verhandlung an der Amtstafel des Gemeindeamtes bekanntgemacht worden. Da nun das Vorbringen der Beschwerdeführer erst nach Rechtskraft des Bescheides vom 7. August 1986 erstattet worden sei, dürfe die Frage einer Parteistellung im Verfahren nach § 28 WRG 1959 nicht (mehr) inhaltlich geprüft werden. Mit Verstreichen der Rechtsmittelfrist in bezug auf den Bescheid vom 7. August 1986 sei rechtskräftig dargelegt, wer in jenem Verfahren als Partei zu gelten habe, weshalb es sich insofern um eine entschiedene Sache handle. Mangels Parteistellung hätten die Beschwerdeführer daher auch keinen Anspruch auf Bescheidzustellung.

Der Berufungsbescheid vom 10. Mai 1988 wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführer in dem ihnen verwehrten Recht auf Zuerkennung der Parteistellung (nach § 102 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 12 Abs. 2 WRG 1959) und Bescheidzustellung verletzt erachten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte; auch der Mitbeteiligte erwiderte mit einer Gegenschrift auf das Beschwerdevorbringen; die Beschwerdeführer äußerten sich in der Folge zur Gegenschrift der belangten Behörde, die hiezu ihrerseits mit einer Gegenäußerung Stellung nahm.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im angefochtenen Bescheid ist der Antrag der Beschwerdeführer auf Zuerkennung der Parteistellung im Wiederherstellungsverfahren wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Da die Beschwerdeführer aber gerade behaupten, übergangene Parteien zu sein, könnte der in diesem Zusammenhang maßgebende Bescheid vom 7. August 1986 ihnen gegenüber nur dann Rechtskraft entfaltet haben, wenn sie übergangene Parteien im Sinne des § 107 Abs. 2 WRG 1959 wären (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1989, Zl. 89/07/0091, und die dort angeführte Vorjudikatur). Die eben genannte gesetzliche Bestimmung ist jedoch nicht in wasserrechtlichen Verfahren schlechthin anzuwenden - so etwa nicht im Überprüfungsverfahren (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 1987, Zl. 83/07/0131). Da im Verfahren über die Wiederherstellung zerstörter Anlagen (§ 28 WRG 1959) eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben und lediglich auf die "Anzeige" des Wasserberechtigten hin ein Feststellungsbescheid zu erlassen ist, während § 107 Abs. 1 WRG 1959 vom "Gesuch" und vom "Gesuchsteller" (nämlich betreffend die Verleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung

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vgl. § 103 Abs. 1 WRG 1959) spricht und zur Verhandlung bei sonstiger Nichtigkeit des Bescheides verpflichtet, § 107 Abs. 2 aber an § 107 Abs. 1 WRG 1959 anknüpft, bezieht sich diese letztere Vorschrift nicht auf mündliche Verhandlungen, die in einem Verfahren nach § 28 WRG 1959 durchgeführt werden. War aber nicht jene Regelung, sondern waren die allgemeinen Verfahrensbestimmungen anzuwenden, dann war gemäß § 8 AVG 1950 anhand der materiellen Rechtslage zu untersuchen, ob den Beschwerdeführern die von ihnen behauptete Parteistellung in jenem Verfahren zukam, dem sie nicht beigezogen worden waren, weil erst davon die Rechtswirksamkeit des Bescheides vom 9. August 1986 ihnen gegenüber abhing (vgl. dazu die Ausführungen und Judikaturangaben bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, 1987, S. 193 und 201 f.). Dies ist im vorliegenden Beschwerdefall nicht geschehen. Es ist außerhalb der hier nicht anzuwendenden Bestimmung des § 107 Abs. 2 WRG 1959 auch nicht möglich, mangels persönlicher Ladung der Beschwerdeführer eine Präklusion infolge Nichtteilnahme an der ordnungsgemäß kundgemachten mündlichen Verhandlung am 28. Juli 1986 anzunehmen, weil es hiezu einer persönlichen Verständigung der

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der Behörde im übrigen aus dem vorausgehenden Verfahren bekannten - Beschwerdeführer bedurft hätte (siehe die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 231, angegebene Rechtsprechung). Wäre es aber zu einer Bejahung der Parteistellung der Beschwerdeführer gekommen, hätte ihnen auch die begehrte Bescheidzustellung nicht verweigert werden dürfen.

Da die belangte Behörde somit in der bezeichneten Hinsicht, und zwar infolge Verkennung der Rechtslage, erforderliche Ermittlungen unterließ, welche zu einem dem Spruch des Bescheides nach anderen, im Sinne des Antrages der Beschwerdeführer liegenden, Ergebnis hätten führen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der seitens des Mitbeteiligten beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Übergangene Partei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988070081.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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