TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/19 90/08/0028

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Veröffentlicht am 19.06.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §6;
ABGB §7;
ArbVG §2 Abs1;
ASVG §49 Abs1;
GBefG 1952 §1 Abs1 idF 1982/630;
GBefG 1952 §1;
GBefG 1952 §4 Abs2 idF 1982/630;
GBefG 1952 §4 Abs2;
KollV Güterbeförderungsgewerbe Art2 Z2;
VwRallg;

Betreff

H gegen Landeshauptmann von Wien vom 7. Dezember 1989, MA 14 - Sch 26/89, betreffend Beitragsnachbelastung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Nach Durchführung einer Beitragsprüfung verpflichtete die mitbeteiligte Partei mit Bescheid vom 11. April 1989 die Beschwerdeführerin als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 und 3 iVm §§ 44 und 49 ASVG, § 62 Abs. 2 AlVG 1958 bzw. 1977 sowie § 13 Abs. 2 EFZG, § 19 Abs. 4 AKG und § 5 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages für die in der Anlage zum Bescheid genannten Dienstnehmer und für die Zeit vom 1. Februar 1986 bis 31. August 1988 Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Gesamthöhe von S 14.041,45 zu entrichten.

Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, daß die Beschwerdeführerin als Gewerbetreibende mit der Durchführung von Kleintransporten mit Kraftfahrzeugen beschäftigt ist, deren höchstzulässige Nutzlast 600 kg nicht übersteigt, deren Eigengewicht im betriebsfertigen Zustand jedoch 400 kg übersteigt. Die Beschwerdeführerin unterliegt daher zufolge der Bestimmung des § 4 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes BGBl. Nr. 63/1952, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 30. Dezember 1982, BGBl. Nr. 630/1982, erst 1. Juli 1983, nicht (mehr) der Konzessionspflicht nach den Bestimmungen des § 3 Güterbeförderungsgesetz.

Unbestritten ist ferner, daß sich die gegenständliche Beitragsnachbelastung der Höhe nach zutreffend aus dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs für Arbeiter in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vom 7. Jänner 1980 ableitet.

2.2. Strittig ist, ob der genannte Kollektivvertrag für den Betrieb der Beschwerdeführerin anzuwenden ist.

Dessen Art. II (Geltungsbereich) lautet:

"Dieser Kollektivvertrag gilt:

1. Räumlich: Für das gesamte Gebiet der Republik Österreich.

2. Fachlich: Für die dem Fachverband zugehörigen Unternehmungen, welche das Gewerbe der Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen aufgrund des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 63/1952, in seiner jeweils geltenden Fassung ausüben.

3. Persönlich: Für alle Dienstnehmer, die bei einem Dienstgeber nach Punkt 2. beschäftigt sind, mit Ausnahme jener Dienstnehmer, auf welche die Merkmale des Angestelltengesetzes, BGBl. Nr. 292/1921, in seiner jeweils geltenden Fassung zutreffen."

2.2.1. Die Lösung der entscheidungswesentlichen Frage, ob die Beschwerdeführerin im Sinne des Art. II Z. 2 in Verbindung mit Z. 3 des Kollektivvertrages dessen Geltungsbereich unterliegt, hängt von der Auslegung der auf das Güterbeförderungsgesetz verweisenden Wendung in Art. II Z. 2 KV ab. Die nach der Sachlage in Betracht kommenden Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes, in der Stammfassung des BGBl. Nr. 63/1952, lauteten:

"Abschnitt I.

Allgemeine Bestimmungen.

Geltungsbereich.

§ 1. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs durch Beförderungsunternehmen und für den Werkverkehr mit solchen Kraftfahrzeugen.

Anwendungsbereich der gewerberechtlichen Bestimmungen.

§ 2. Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen trifft, gelten für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Bestimmungen der Gewerbeordnung und des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung ohne Rücksicht auf die durch die Verordnung zur Einführung des Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeug im Lande Österreich vom 26. Juli 1938, deutsches RGBl. I S.949, eingetretenen Änderungen. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über außerordentliche gewerberechtliche Maßnahmen, BGBl. Nr. 30/1937, in der geltenden Fassung sind jedoch auf die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen nicht anzuwenden.

Abschnitt II.

Besondere Bestimmungen über die Konzession.

Konzessionspflicht.

§ 3. Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen darf nur aufgrund einer Konzession ausgeübt werden (§ 1 c Abs. 3 der Gewerbeordnung) sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt (§ 4).

Ausnahmen von der Konzessionspflicht.

§ 4. (1). Eine Konzession nach § 3 oder die Anmeldung eines besonderen Gewerbes ist nicht erforderlich:

1.

.....

2.

.....

3.

.....

4.

.....

5.

.....

(2) Eine Konzession nach § 3 ist nicht erforderlich für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, deren Eigengewicht im betriebsfertigen Zustand 400 kg nicht übersteigt."

Der Abschnitt II des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 63/1952, enthält in den §§ 5 bis 7 weitere Bestimmungen über die Konzession, in seinem Abschnitt III Bestimmungen über den Werkverkehr, in seinem Abschnitt IV Strafbestimmungen und im Abschnitt V Schluß- und Übergangsbestimmungen.

2.2.2. In den für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Bestimmungen wurde das Güterbeförderungsgesetz durch das Bundesgesetz vom 30. November 1982, BGBl. Nr. 630/1982, abgeändert. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 in der neuen Fassung lautet wie folgt:

"Geltungsbereich.

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs durch Beförderungsunternehmen und für den Werksverkehr mit solchen Kraftfahrzeugen; es gilt nicht für Fuhrwerksdienste, auf die die Gewerbeordnung 1973 gemäß ihrem § 2 Abs. 1 Z. 2 nicht anzuwenden ist."

§ 2 wurde durch die Güterbeförderungsgesetznovelle 1982 aufgehoben und § 3 Abs. 1 sowie § 4 Abs. 2 wie folgt abgeändert:

"Konzessionspflicht und Arten der Konzessionen

§ 3. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen darf nur aufgrund einer Konzession (§ 5 Z. 2 GewO 1973) ausgeübt werden, sofern dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt (§ 4).

.....

Ausnahmen von der Konzessionspflicht.

§ 4. (1) Eine Konzession nach § 3 oder die Anmeldung eines besonderen Gewerbes ist nicht erforderlich:

1.

.....

2.

.....

3.

.....

4.

.....

5.

.....

(2) Eine Konzession nach § 3 ist nicht erforderlich für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässige Nutzlast 600 kg nicht übersteigt."

Diese Neuregelung ist zufolge Art. IV Abs. 1 der Novelle BGBl. 630/1982 sechs Monate nach dem seiner Kundmachung folgenden Monatsersten, somit 1. Juli 1983, in Kraft getreten.

2.3. Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsauffassung, daß sie deshalb nicht dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs unterliege, weil sie gemäß § 4 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes in der Fassung der Novelle BGBl. 630/1982 von der Konzessionspflicht ausgenommen sei. Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung würde zweierlei bedeuten: Die Annahme, daß die oben erwähnte Bestimmung des Kollektivvertrages sich nicht auf die mit "Geltungsbereich" überschriebene Regelung des § 1 des Güterbeförderungsgesetzes bezieht, und (als Konsequenz), daß mit jeder Änderung des Umfanges der Konzessionspflicht auch eine Änderung des persönlichen Geltungsbereiches des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs verbunden wäre.

Für die Frage, ob sich Art. II Z. 2 des Kollektivvertrages nur auf § 1 oder (auch) auf die Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes über die Konzessionspflicht bezieht, gibt es sowohl in der einen, als auch in der anderen Richtung Auslegungshinweise: Dafür, daß der Kollektivvertrag auf den Geltungsbereich im Sinne des § 1 abstellen wollte, spricht, daß neben der Konzessionspflicht auch andere Regelungen im Güterbeförderungsgesetz in der Fassung des Stammgesetzes BGBl. Nr. 63/1952 getroffen werden, wie z.B. die Regelungen den Werkverkehr betreffend, der gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. ebenfalls von der Konzessionspflicht ausgenommen ist. Der persönliche Geltungsbereich des Güterbeförderungsgesetzes ist daher mit dem Umfang der tatsächlich konzessionspflichtigen Unternehmen nicht identisch. Für die Auffassung, die Verweisung des Art. II Z. 2 KV beziehe sich nur auf den Kreis der konzessionspflichtigen Unternehmen, spricht hingegen die Wendung "welche das Gewerbe ..... aufgrund des Güterbeförderungsgesetzes ..... ausüben", die darauf hindeutet,

daß die (befugte) Gewerbeausübung ihre Rechtsgrundlage im Güterbeförderungsgesetz haben muß, womit letztlich (in Abgrenzung zu jenen Unternehmungen, die ihre Tätigkeit aufgrund der Gewerbeordnung ausüben) hauptsächlich die Konzessionspflicht angesprochen wäre. Wenn man von der zuletzt genannten Auslegungsvariante ausginge, dann hinge das Schicksal der vorliegenden Beschwerde weiters davon ab, ob der Umfang der konzessionspflichtigen Unternehmen in jenem Sinne zu verstehen ist, wie er im Zeitpunkt des Abschlusses des Kollektivvertrages bestanden hat (also § 4 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes in der Fassung des Stammgesetzes) oder ob die JEWEILIGE Fassung des Güterbeförderungsgesetzes betreffend die Umschreibung des Kreises der konzessionspflichtigen Unternehmen maßgebend sein soll (somit ab 1. Juli 1983 die Bestimmung des § 4 Abs. 2 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 630/1982), wie dies der Wortlaut des Kollektivvertrages an sich vorsieht.

2.4. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann letztlich die Frage, ob Art. II Z. 2 des KV (nur) auf § 1 des Güterbeförderungesetzes verweist oder den Umfang der Konzessionspflicht gemäß den §§ 3 und 4 dieses Gesetzes im Auge hat, dahingestellt bleiben, weil die genannte Verweisung jedenfalls nur in dem Sinne verstanden werden kann, der ihr im Zeitpunkt des Kollektivvertragsabschlusses (also jedenfalls vor Inkrafttreten der Novelle zum Güterbeförderungsgesetz BGBl. Nr. 630/1982) zugekommen ist; dies aus folgenden Gründen:

2.4.1. Der Kollektivvertrag als Instrument autonomer Rechtsschöpfung der kollektivvertragsfähigen Körperschaften im Sinne des § 4 ArbVG ist das wichtigste aus dem Kreis jener Rechtsinstitute, mit welchem - über das gesetzliche Instrumentarium hinaus - das auf einzelvertraglicher Ebene im Regelfall bestehende faktische Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch das gleichgewichtige Paktieren überbetrieblicher Interessensvertretungen ausgeglichen und normativ (d.h. gesetzesgleich; § 11 ArbVG) auf die Einzelarbeitsverträge eingewirkt werden soll (vgl. dazu etwa Floretta - Strasser, Kommentar zum ArbVG 14 f u. 92). Die Normsetzungsbefugnis kollektivvertragsfähiger Verbände (Floretta - Strasser, aaO, 20 f) wird vom Gesetz in zwei Spielarten bereitgestellt, nämlich als unmittelbare Normsetzungsbefugnis in jenen Angelegenheiten, die das Gesetz ausdrücklich nennt (§ 2 Abs. 2 ArbVG) und als Delegationsbefugnis an die Betriebsvereinbarung (§ 29 ArbVG, vgl. Floretta - Strasser, aaO, 171). Gemäß § 8 ArbVG sind die Mitglieder der am Abschluß des Kollektivvertrages beteiligten Körperschaften kollektivvertragsangehörig, dies jedoch nur, wenn der Kollektivvertrag selbst nichts anderes bestimmt. Abgesehen von der zwingenden Bestimmung des § 12 ArbVG über die Außenseiterwirkung von Kollektivverträgen obliegt es daher den Parteien des Kollektivvertrages auch, dessen persönlichen Geltungsbereich, der äußerstenfalls alle Mitglieder der jeweiligen Körperschaft umfaßt, auf bestimmte Mitgliedergruppen einzuschränken (vgl. Cerny, ArbVG, 8. Auflage, Anmerkung 2 zu § 8).

2.4.2. Weder den Bestimmungen der §§ 2 in Verbindung mit 29 ArbVG noch § 8 ArbVG kann aber eine sonstige Befugnis der Kollektivvertragsparteien entnommen werden, die Regelung des Geltungsbereiches oder des sonstigen normativen Inhaltes des Kollektivvertrages an andere (wenn auch Rechtssetzungs-)Autoritäten zu delegieren. Wie Koja (ÖJZ 1979, 29 ff, insbesondere 34, unter Berufung auf Mayer) überzeugend darlegte, hat rechtstheoretisch ein zur Normsetzung berufenes Organ die Kompetenzen, die ihm von der Rechtsordnung zugeteilt sind, (ergänze: selbst) auszuüben; zur Delegation bedarf es einer Ermächtigung jener (höheren) Rechtssetzungsautorität, von der es seine eigene Normsetzungsbefugnis ableitet (in diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob die Delegation ohne gesetzliche Ermächtigung als Verletzung der Pflicht zur Normsetzung gedeutet wird oder ob darin - so Strasser, Dynamische Verweisung in Kollektivverträgen, in: FS Floretta, 627 ff - eine unzulässige Aufzwingung von Rechtssetzungskompetenzen erblickt wird).

2.4.3. Die Verweisung auf bereits vorhandenes (und ordnungsgemäß kundgemachtes) Normenmaterial einer anderen Rechtssetzungsautorität (sog. statische Verweisung) bedeutet keine solche Delegation, weil der Inhalt der verwiesenen Normen dadurch lediglich (auch) zum Inhalt der verweisenden Norm (hier: Kollektivvertrag) gemacht wird und es sich somit in Wahrheit um Rechtssetzung der verweisenden Autorität handelt. Die Verweisung auf künftige (d.h. inhaltlich noch unbestimmte) Regelungen eines anderen Rechtssetzers (sog. dynamische Verweisung), etwa in der Form, daß jene "in der jeweils" (ergänze: künftig) "geltenden Fassung" anzuwenden sind, bedeutet hingegen Delegation der Normsetzungsbefugnis, die zu ihrer Wirksamkeit einer Ermächtigung jener Rechtssetzungsautorität bedarf, von der die verweisende ihre Rechtssetzungsbefugnis ableitet. Den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes kann aber eine solche Ermächtigung an die kollektivvertragsschließenden Körperschaften nicht entnommen werden (sieht man vom Sonderfall des § 29 ArbVG ab).

2.5. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich daher der Auffassung Strassers (aaO, 627 ff, insbesondere 636 f; ebenso OGH vom 30. August 1989, 9 Ob A 215, 216/89 = Infas 1990/A22 und Mayer - Maly, Verweisungsprobleme bei Kollektivverträgen, RdW 1984, 143 ff) an, wonach dynamische Verweisungen (hier auf Bundesrecht) im normativen Teil eines Kollektivvertrages unzulässig sind, weil den Kollektivvertragsparteien nach keiner gesetzlichen Vorschrift die Berechtigung zukommt, die ihnen durch das Arbeitsverfassungsgesetz übertragene Rechtsetzungsbefugnis an andere Institutionen, insbesondere den Bundes- oder Landesgesetzgeber weiterzugeben. Eine (unzulässige) dynamische Verweisung ist aber - jedenfalls soweit sie sich auf ordnungsgemäß kundgemachtes Bundes- oder Landesrecht bezieht - als statische Verweisung gültig.

2.6. Die Verweisung des Art. II Z. 2 des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe auf die Bestimmung des Güterbeförderungsgesetzes in der "jeweils geltenden Fassung" kann daher nur im Sinne einer statischen Verweisung auf die im Zeitpunkt des Abschlusses des Kollektivvertrages geltende Fassung des Güterbeförderungsgesetzes rechtswirksam sein. Da nach der Fassung des im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe geltenden Fassung des Stammgesetzes, insbesondere des § 4 Abs. 3 Güterbeförderungsgesetz, die Beschwerdeführerin der Konzessionspflicht (und somit nach jedem der oben erwähnten Gesichtspunkte auch dem Kollektivvertrag) unterlegen ist, sind die Behörden des Verwaltungsverfahrens mit Recht davon ausgegangen, daß der Anspruchslohn der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin im Sinne des § 49 ASVG dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs (Arbeiter) zu entnehmen ist.

Aufgrund dieser Rechtslage kommt es daher - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - auch nicht darauf an, ob sich die belangte Behörde mit den derzeit in Geltung stehenden Erläuterungen zum Kollektivvertrag auseinandergesetzt hat, wonach der Kollektivvertrag jene Unternehmen nicht umfasse, die Fahrzeuge unter der angeführten Gewichtsgrenze von 600 kg Nutzlast zur Gewerbeausübung verwenden würden. Kollektivverträge sind nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung (vgl. nur z.B. Cerny, Arbeitsverfassungsgesetz, 8. Auflage, Anm 2 zu § 2) wie Gesetze (also unter Anwendung der §§ 6 und 7 ABGB) auszulegen. Auf die Absichten der Kollektivvertragsparteien kommt es daher nur insoweit an, als diese im Wortlaut des Kollektivvertrages ihren Niederschlag gefunden haben und die Regelung selbst zulässig ist. Die von einer unrichtigen Rechtsauffassung (nämlich jener über die Zulässigkeit dynamischer Verweisungen in Kollektivverträgen) ausgehenden Erläuterungen zum hier anzuwendenden Kollektivvertrag sind nicht selbst Bestandteil des Kollektivvertrages und daher schon deshalb nicht geeignet, dem Standpunkt der Beschwerdeführerin zum Erfolg zu verhelfen.

Da in der Beschwerde gegen die rechnerische Richtigkeit des angefochtenen Bescheides nichts vorgebracht wird, ist dieser daher weder mit einer in der Beschwerde geltend gemachten noch vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Entgelt Begriff Kollektivvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990080028.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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