TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/19 89/04/0266

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Veröffentlicht am 19.06.1990
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Index

L71062 Marktordnungen Kärnten;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §368 Z16;
MO Villach 1979 §18 Abs1;
MO Villach 1979 §30 Z1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z1;
VwRallg;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Kärnten vom 20. Oktober 1989, Zl. Gew-991/1/89, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 8. November 1988 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt:

"Sie haben, wie von einem Organ des Marktamtes der Stadt Villach festgestellt wurde, am 5.10.1988 mit dem Pkw VV, Kennzeichen XX, im Marktgebiet von Villach, X-Platz, ohne Zuweisung einen Marktstandplatz belegt."

Auf Grund des Einspruches des Beschwerdeführers gegen diese Strafverfügung erging das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 22. Mai 1989, dessen Spruch wie folgt lautete:

"Sie haben am 5.10.1988 um 7.35 Uhr an einem Markttag in Villach, X-Platz, das mehrspurige Kraftfahrzeug VV mit dem behördlichen Kennzeichen XX ohne Zuweisung auf einem Marktplatz abgestellt, obwohl jedes Verstellen von nicht zugewiesenen Marktflächen verboten ist."

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 30 Z. 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 der Marktordnung der Stadt Villach verletzt und es wurde über ihn gemäß § 368 Z. 16 GewO 1973 eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 12 Stunden) verhängt.

Einer dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Kärnten mit Bescheid vom 20. Oktober 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 keine Folge, wobei der Spruch des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz dahingehend berichtigt wurde, daß dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach den §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 30 Z. 1 sowie 18 Abs. 1 der Marktordnung der Stadt Villach vom 23. November 1979 in Verbindung mit § 368 Z. 16 Gewerbeordnung 1973 zur Last gelegt wurde.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensganges - im wesentlichen folgendes aus:

Nach § 18 Abs. 1 der Marktordnung der Stadt Villach sei jedes Verstellen von nicht zugewiesenen Marktflächen, insbesondere der Zu- und Durchgänge, mit Gegenständen jeder Art verboten. Nach § 30 Abs. 1 leg. cit. begehe eine Verwaltungsübertretung, wer einen Marktplatz oder eine Markteinrichtung ohne Zuweisung beziehe oder benütze. Außer Streit gestellt werde das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, wonach dieser laut Anzeige des Marktamtes der Stadt Villach am 5. Oktober 1988 um 7.35 Uhr an einem Markttag in Villach, X-Platz, das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen XX ohne Zuweisung auf einem Marktplatz abgestellt habe. Gemäß § 2 der Marktordnung der Stadt Villach finde jeden Mittwoch und Samstag der Wochenmarkt am X-Platz und in der Markthalle statt. Der 5. Oktober 1988 sei ein Mittwoch gewesen und somit sei es erwiesen, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit Marktflächen ohne Zuweisung verstellt habe. Hinsichtlich der Einspruchsangaben des Beschwerdeführers, daß der Vollzug der Strafbestimmungen nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde falle, werde festgestellt, daß der Magistrat Villach im gegenständlichen Verfahren als Bezirksverwaltungsbehörde eingeschritten und somit gemäß § 333 GewO 1973 zur Ahndung der Verwaltungsübertretung nach § 386 Z. 16 GewO 1973 befugt sei. Zum Vorbringen, daß der Beschwerdeführer als frei niedergelassener Rechtsanwalt nicht dem Geltungsbereich des § 1 der Marktordnung der Stadt Villach unterliege, sei festzuhalten, daß der § 30 der Marktordnung der Stadt Villach bestimme, daß eine Verwaltungsübertretung begehe, wer einen Marktplatz oder eine Markteinrichtung ohne Zuweisung beziehe oder benütze. Aus diesem Gesetzestext sei klar zu entnehmen, daß, wer immer, also jede Person, die unrechtmäßig einen Marktplatz belege, eine Verwaltungsübertretung begehe und somit den Bestimmungen der Marktordnung der Stadt Villach unterliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, gemäß § 368 Z. 16 GewO 1973 begehe eine Verwaltungsübertretung, wer die gemäß § 326 GewO 1973 erlassenen Verordnungen über das Verbot des Feilhaltens bestimmter Waren auf Märkten oder die gemäß § 331 GewO 1973 erlassenen Marktordnungen nicht einhalte. Nach § 324 GewO 1973 gelte diese Strafbestimmung auch für von der GewO ausgenommene Tätigkeiten, soweit sie das III. Hauptstück, Märkte, beträfen. Das Abstellen eines Pkw auf einer öffentlichen Verkehrsfläche - zu einem Zeitpunkt, in dem kein Markt stattfinde (allenfalls Feststellungsmangel) - ohne Feilhalten von Waren, könne die Anwendung von Gebots- oder Verbotsnormen der Marktordnung der Stadt Villach nicht begründen. Im übrigen seien nach § 337 GewO 1973 die in diesem Bundesgesetz festgelegten Aufgaben der Gemeinde mit Ausnahme der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens solche des eigenen Wirkungsbereiches. Es könne wohl nicht gut gesagt werden, daß an Markttagen der Vollzug der Straßenverkehrsordnung außer Kraft gesetzt sei. Auch werde ihm im Straferkenntnis des Magistrates Villach vom 22. Mai 1989 zum Vorwurf gemacht, er hätte die Marktordnung der Stadt Villach übertreten, weil er einen Marktplatz ohne Zuweisung benützt habe. Der Zuweisung eines Marktplatzes sei inhärent, daß dort gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt würden, die mit dem Abstellen eines Pkw und mit seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt nichts zu tun hätten. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene "Umqualifizierung des Tatbestandes", ohne Gelegenheit zur Rechtfertigung, sei unzulässig. § 331 Abs. 3 GewO 1973 beinhalte lediglich, daß der Landeshauptmann für die Genehmigung von Marktordnungen zuständig sei und eine solche Genehmigung nicht erteilen dürfe, wenn sie vom Standpunkt des ungestörten Straßenverkehrs bedenklich sei. Vom Standpunkt des ungestörten Straßenverkehrs sei die Villacher Marktordnung nicht bedenklich, weil sie vom Landeshauptmann genehmigt worden sei. Es handle sich demnach um eine Bestimmung, die der ungestörten Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs an Markttagen diene. Daraus könne nicht geschlossen werden, daß hiemit Agenden im Vollzug der Straßenverkehrsordnung in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden übertragen würden.

Die Beschwerde erweist sich schon im Hinblick auf folgende Überlegungen im Ergebnis als berechtigt:

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG 1950 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Nach Abs. 2 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt an.

Nach § 32 Abs. 2 VStG 1950 ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. hiezu beispielsweise das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1978, Slg. N.F. 9.664/A).

Bei der Beantwortung der Frage, ob Verjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG 1950 eingetreten ist, ist von der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 auszugehen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1989, Zl. 89/05/0153).

Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 8. November 1988 zur Last gelegt, "am 5. Oktober 1988 mit dem Pkw VV, Kennzeichen XX, im Marktgebiet von Villach, X-Platz,

OHNE ZUWEISUNG EINEN MARKTSTANDPLATZ BELEGT ZU HABEN".

Nach dem Wortlaut des Spruches des Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 22. Mai 1989 wird dem Beschwerdeführer angelastet, er habe "am 5.10.1988 um 7.35 Uhr an einem Markttag in Villach, X-Platz, das mehrspurige Kraftfahrzeug VV mit dem behördlichen Kennzeichen XX OHNE

ZUWEISUNG AUF EINEM MARKTPLATZ ABGESTELLT, OBWOHL JEDES

VERSTELLEN VON NICHT ZUGEWIESENEN MARKTFLÄCHEN VERBOTEN IST".

Dieser Bescheid wurde hinsichtlich der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 von der belangten Behörde bestätigt.

§ 18 Abs. 1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 23. November 1979, mit der eine Marktordnung für die Stadt Villach erlassen wird, lautet:

"Jedes Verstellen von nicht zugewiesenen Marktflächen, insbesondere der Zu- und Durchgänge, mit Gegenständen jeder Art ist verboten."

§ 30 Z. 1 dieser Verordnung lautet:

"Wer einen Marktplatz oder eine Markteinrichtung ohne Zuweisung bezieht oder benützt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist im Sinne des § 368 Z. 16 der GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974, mit Geldstrafen bis zu S 10.000,-- zu belegen."

Für den Tatbestand des § 30 Z. 1 der Marktordnung der Stadt Villach ist damit allein wesentlich, daß ein Marktplatz oder eine Markteinrichtung OHNE ZUWEISUNG BEZOGEN ODER BENÜTZT WIRD.

Die Bestimmung des § 18 Abs. 1 verbietet hingegen ausdrücklich das VERSTELLEN VON NICHT ZUGEWIESENEN MARKTFLÄCHEN; insbesondere der Zu- und Durchgänge, mit Gegenständen jeder Art. Für den Ausdruck "Verstellen" ist im gegebenen Zusammenhang die Bedeutung wesentlich, daß durch Aufstellen von Gegenständen bzw. durch Im-Wege-Stehen etwas unpassierbar gemacht oder versperrt wird (vgl. hiezu die Ausführungen zum Ausdruck "das Verstellen" in: Duden, das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 6. Band, Mannheim/Wien/Zürich 1981, Seite 2.780).

Die Bestimmung des § 18 Abs. 1 der Marktordnung der Stadt Villach weist somit im Vergleich zur Bestimmung des § 30 Z. 1 dieser Verordnung ein anderes Tatbestandsmerkmal auf (VERSTELLEN von nicht zugewiesenen Marktflächen).

Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Bestimmungen ergibt sich, daß es sich bei den beiden zitierten Bestimmungen um zwei verschiedene Tatbestände handelt.

Dies bedeutet in Ansehung der zitierten Bestimmungen der §§ 31 Abs. 1 und 32 Abs. 2 VStG 1950 sowie im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß jeder dieser Tatbestände von der Verwaltungsstrafbehörde gesondert zu prüfen ist bzw. daß die Verfolgungshandlung klar zum Ausdruck bringen muß, welcher der beiden Tatbestände zur Last gelegt wird.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 8. November 1988 zur Last gelegt, mit einem näher bezeichneten Pkw "im Marktgebiet von Villach, X-Platz, ohne Zuweisung einen Marktplatz BELEGT ZU HABEN". Erstmals im Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 22. Mai 1989 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, das näher bezeichnete KFZ ohne Zuweisung auf einem Marktplatz abgestellt zu haben, "obwohl jedes Verstellen von nicht zugewiesenen Marktflächen verboten ist".

Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer laut vorliegendem Rückschein am 24. Mai 1989 zugestellt. Da sich die ursprüngliche Verfolgungshandlung (Strafverfügung vom 8. November 1988) nicht auf das Sachverhaltselement des "Verstellens" von nicht zugewiesenen Marktflächen bezog und nach der Aktenlage auch keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 gesetzt wurde, die (auch) das Sachverhaltselement des Verstellens von nicht zugewiesenen Marktflächen umfaßte, ist davon auszugehen, daß die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 in Ansehung des hier in Rede stehenden Deliktes (laut Straferkenntnis vom 22. Mai 1989) bereits vor Erlassung des Straferkenntnisses - nämlich mit Ablauf des 5. April 1989 - geendet hat, weshalb in Ansehung des hier in Rede stehenden Strafvorwurfes Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG 1950 eingetreten ist.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon im Hinblick darauf mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, wobei die Zuerkennung der Verfahrenskosten nur im Rahmen des diesbezüglichen Antrages erfolgen konnte.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Dauerdelikt "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Verstellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989040266.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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