TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/20 89/02/0120

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art131a;
MRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs2;
VStG §31 Abs2 idF 1977/101;
VStG §31 Abs3 Satz1 idF 1984/299 ;
VStG §31 Abs3 Satz2 idF 1984/299;
VStG §54b Abs1 idF 1987/516 ;
VStG §54b Abs2 idF 1987/516 ;
VwGG §42 Abs4;
VwRallg;

Betreff

N gegen Bundespolizeidirektion Wien, wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 18. April 1986 zugestellten Straferkenntnis des Bezirkspolizeikommissariates Favoriten vom 26. März 1986, Zl. Pst 19636/85, wurde der Beschwerdeführer wegen der am 6. Dezember 1985 begangenen Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG zu einer Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe von 14 Tagen) und zum Ersatz der Verfahrenskosten von S 1.000,-- verurteilt. Dieses Straferkenntnis ist infolge Unterlassung einer Berufung rechtskräftig geworden.

Mit dem dem Vertreter der Beschwerdeführers am 31. Juli 1987 zugestellten Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Juli 1987, Zl. MA 70-10/1246/87/Str, wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Bezirkspolizeikommissariates Brigittenau vom 10. Jänner 1986, Zl. Pst 10.171/85, keine Folge gegeben, sodaß der Beschwerdeführer wegen der am 30. September 1985 begangenen Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG zu einer (weiteren) Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzarreststrafe von 4 Wochen) und zu Verfahrenskosten von je S 2.000,-- (insgesamt S 4.000,--) verurteilt worden ist. Das Gesuch des Beschwerdeführers vom 8. September 1987 um Gewährung von Ratenzahlungen wurde mit Bescheid des Bezirkspolizeikommissariates Brigittenau vom 10. September 1987 bewilligt, der Beschwerdeführer hat jedoch nach der Aktenlage keinerlei Teilzahlung geleistet.

Nachdem in der Folge wiederholte Aufforderungen zum Antritt der Ersatzarreststrafen sowie auch Anordnungen zur Vorführung zum Strafantritt erfolglos blieben, wurde der Beschwerdeführer am 20. März 1989 um 15.20 Uhr in Wien X im Rahmen einer Anhaltung zwecks Fahrzeugkontrolle festgenommen und in den Arrest des Bezirkspolizeikommissariates Favoriten überstellt. Nach Zahlung der beiden Geldstrafenbeträge von S 10.000,--

(zuzüglich Verfahrenskosten von S 1.000,--) und S 20.000,--

(zuzüglich Verfahrenskosten von S 4.000,--) wurde der Beschwerdeführer um 20.15 Uhr desselben Tages aus dem Arrest entlassen.

Mit der vorliegenden Beschwerde wendete sich der Beschwerdeführer zunächst an den Verfassungsgerichtshof und stellte den Antrag, "die faktische Amtshandlung durch Einhebung der Strafen von S 20.000,-- und S 10.000,-- sowie der Kosten in der Höhe von S 4.000,-- und S 1.000,-- durch die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten am 20. März 1989 durch Einzahlungsbestätigungen aufzuheben." Er brachte u.a. vor, "die Geldstrafen" seien "im Rahmen des Antrittes zur Ersatzfreiheitsstrafe" bezahlt worden. Die Bezahlung derselben sei nicht freiwillig erfolgt, sondern "durch die Inhaftnahme zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe", obwohl bereits Vollstreckungsverjährung eingetreten gewesen sei.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 13. Juni 1986, Zl. B 535/89, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die belangte Behörde beantragt die Zurückweisung,

hilfsweise die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ungeachtet des Beschwerdeantrages, in dem der Beschwerdeführer auch die Einhebung der Verfahrenskosten anführt, geht der Verwaltungsgerichtshof in Hinblick auf das übrige Beschwerdevorbringen davon aus, daß der Beschwerdeführer nicht die Einhebung dieser Kosten als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ansieht.

Zutreffend weist die belangte Behörde darauf hin, daß der Beschwerdeführer im Beschwerdeantrag ausdrücklich nur die Einhebung der Geldstrafen bekämpft, nicht aber auch die Festnahme und Überstellung zu Zwecken des Strafvollzuges. Hiedurch unterscheidet sich der vorliegende Beschwerdefall von dem vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. September 1985, Zlen. 85/02/0004, 0238, 0239 entschiedenen Fall; damals war dem seinerzeitigen Beschwerdeführer überdies erklärt worden, er werde nur dann aus der Haft entlassen, wenn er die Geldstrafe bezahle. Entsprechendes wird hier vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Dennoch teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, damit wäre von der Rechtmäßigkeit des begonnenen Vollzuges der Ersatzarreststrafe auszugehen, die Einhebung der Geldstrafen hätte ein rechtlich selbständiges Schicksal, das für sich alleine zu beurteilen sei, es handle sich hiebei um keine Maßnahme mit Befehls- und Zwangsgewalt, sondern um eine vom Beschwerdeführer selbst veranlaßte, freiwillige Maßnahme, nicht. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang von Antrag und Beschwerdegründen hinreichend deutlich die Behauptung, der Beschwerdeführer habe nur deshalb die Geldstrafen bezahlt, weil er durch den - seiner Ansicht nach unberechtigten - Vollzug der Ersatzarreststrafe hiezu gezwungen worden sei; die Freiwilligkeit der Zahlung der Geldstrafen hat er ausdrücklich bestritten. Zweifellos hat der Beschwerdeführer diese Zahlung selbst "veranlaßt", nachdem er zwangsweise in den Arrest überstellt worden war; von der Ausübung unmittelbaren behördlichen Zwanges kann aber im Zusammenhang mit der Einhebung einer Geldstrafe nicht nur bei zwangsweiser Abnahme eines Geldbetrages gesprochen werden. Auch in einem Fall wie dem vorliegenden ist von mangelnder Freiwilligkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers auszugehen. Anders als durch Zahlung hätte er dem - allenfalls rechtswidrigen - Vollzug der Ersatzarreststrafe nicht entgehen können.

Die gegenständliche Beschwerde erweist sich somit als gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Zwangsgewalt im Sinne des § 131a B-VG gerichtet, weshalb sie entgegen der Meinung der belangten Behörde zulässig ist.

Bei der meritorischen Prüfung der Beschwerde ist auf den Einwand der Vollstreckungsverjährung einzugehen. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß am 20. März 1989, dem Tag seiner Festnahme und Zahlung, seit der rechtskräftigen Verhängung der Verwaltungsstrafen noch nicht drei Jahre vergangen waren, worauf § 31 Abs. 3 VStG in der Fassung der Novelle 1987 BGBl. Nr. 516 abstellt. Er meint, daß im Hinblick auf den Zeitpunkt der Tathandlungen und der Straferkenntnisse die alte Fassung dieser Bestimmung anzuwenden wäre, wonach die Verjährungsfrist mit der Vollendung einer Verwaltungsübertretung zu laufen beginnt; die so berechneten Fristen wären am 20. März 1989 tatsächlich abgelaufen gewesen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1987 am 1. Juli 1988 in Kraft getreten ist, sodaß am 20. März 1989 bereits die novellierte Gesetzesfassung anzuwenden war. Die Rechtsmeinung des Beschwerdeführers, dies wäre eine unzulässige Rückwirkung, ist unzutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof hat sowohl im Zusammenhang mit der Verlängerung der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG durch die Novelle, BGBl. Nr. 101/1977, als auch im Zusammenhang mit der Hinzufügung eines zweiten Satzes im § 31 Abs. 3 VStG (über die Nichteinrechnung der Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Verwaltungsgerichtshof) durch die Novelle BGBl. Nr. 299/1984, die Auffassung vertreten, daß einer Anwendung der geänderten Verjährungsbestimmung auf vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Novelle begangene Straftaten die Bestimmung des § 1 Abs. 2 VStG nicht entgegensteht, zumal sich diese nur auf die Strafe bezieht, nicht aber auf Verjährungsregelungen. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Bestimmung darf nur noch nicht die (Vollstreckungs)Verjährung eingetreten sein. Ein allgemeines, die Verjährungsbestimmungen erfassendes "Günstigkeitsprinzip" läßt sich auch aus Art. 7 Abs. 1 MRK nicht ableiten (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 5. November 1987, Slg. Nr. 12.570/A, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur, sowie auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 1987, Slg. Nr. 11212). Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Judikatur abzugehen.

Da im vorliegenden Fall bei Inkrafttreten der Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1987 am 1. Juli 1988 im Hinblick auf die gegenständlichen Straftaten vom 30. September 1985 und vom 6. Dezember 1985 Vollstreckungsverjährung noch nicht eingetreten war, war die geltende Fassung des § 31 Abs. 3 VStG anzuwenden, sodaß auch im Zeitpunkt der bekämpften Amtshandlung vom 20. März 1989 die Verjährungsfrist - wie schon ausgeführt - noch offen war. Sohin erweist sich die Einhebung der Geldstrafen als rechtmäßig.

Die vorliegende Beschwerde ist somit unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020120.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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