TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/26 89/14/0295

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Veröffentlicht am 26.06.1990
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs3 Z6;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1972 §2 Abs4;
EStG 1972 §28 Abs2;
EStG 1972 §28;
UStG 1972 §12 Abs2 Z2 litb;
UStG 1972 §2 Abs5 Z2 idF 1983/587;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1990, 417;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 27. Oktober 1989, Zl. 4/72/1-BK/Hd-1987, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1982 bis 1986.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerfestsetzungsverfahren für 1982 und 1983 behandelte das Finanzamt in den geänderten Sachbescheiden ebenso wie bei Festsetzung der Umsatz- und Einkommensteuer für die Folgejahre des Streitzeitraumes die Vermietung eines Gebäudes durch die Beschwerdeführerin mit den entsprechenden einkommen- und umsatzsteuerrechtlichen Folgen als Liebhaberei.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die Vermietung lasse auf Dauer keine Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten, weil 1977 bis 1981 Werbungskostenüberschüsse erklärt worden seien, ebenso 1982 und für die Jahre 1984 bis 1986. Allerdings hätte sich für 1981 bei einer dem Betriebsprüfungsergebnis entsprechenden Korrektur der Werbungskosten für dieses Jahr ein Einnahmenüberschuß ergeben. Der Beobachtungszeitraum sei ausreichend.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid nach der Gesamtheit des Vorbringens in ihrem Recht darauf verletzt, daß die Vermietung des Gebäudes in den Streitjahren weder einkommen- noch umsatzsteuerrechtlich als Liebhaberei behandelt wird. Sie behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Vorwurf, die Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung sei der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht worden, läßt eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht erkennen, weil die Beschwerdeführerin nicht aufzeigt, was sie bei Kenntnis der Stellungnahme, die sie ohne weiters vor Erhebung der Beschwerde hätte einsehen können, vorgetragen oder beantragt hätte, das ihrer Berufung Erfolg versprochen hätte. Sie beschränkt sich nämlich darauf zu behaupten, es sei nicht auszuschließen, daß die Stellungnahme für die Beschwerdeführerin negative Aussagen enthalten habe, die Auswirkungen auf den angefochtenen Bescheid gehabt hätten. Solche aufzuzeigen, hat die Beschwerdeführerin aber unterlassen. Der Verwaltungsgerichtshof kann von sich aus dergleichen nicht erkennen.

Als Einkommen stellt sich eine Vermietung dar, wenn sie auf Dauer gesehen zu einem Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten führen kann. Es kommt also nicht darauf an, ob im jeweiligen Abgabenjahr ein Einnahmenüberschuß erzielt wird. Es wird bei der Betrachtung steuerlicher Liebhaberei auch nicht auf einen absehbare Zeit übersteigenden Gesamtzeitraum bis zur Beendigung der Vermietungstätigkeit abgestellt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1989, 88/14/0137, ÖStZB 1990, 34). Entscheidend für die Prognose der zukünftigen Entwicklung ist vielmehr die Überschußerzielungsmöglichkeit auf Dauer gesehen, wie sie sich aus der Beobachtung der Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben während eines längeren Zeitraumes ergibt (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 1985, 84/14/0048, ÖStZB 1985, 186, und vom 16. September 1987, 87/13/0011, ÖStZB 1988, 131). Wie lang dieser Beobachtungszeitraum im Einzelfall sein muß, hängt von den jeweils gegebenen Umständen ab. Grundsätzlich wird (für Vermietung und Verpachtung) ein Beobachtungszeitraum von fünf Jahren als genügend anzusehen sein, nach den Umständen des Falles kann sich auch ein längerer Zeitraum als notwendig oder ein kürzerer als hinreichend erweisen (vgl. etwa den von der belangten Behörde zitierten Fall, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1983, 82/15/0053, ÖStZB 1984, 248, zugrundelag). Bei der Vermögensverwaltung, zu der die Vermietung zu zählen ist, bestehen nämlich eher starre Einnahmen- und Ausgabenrelationen, weshalb es in der Regel innerhalb eines kürzeren Zeitraumes als bei betrieblichen Einkunftsquellen möglich sein wird, die wirtschaftlichen Chancen einzuschätzen. Ergibt sich aus dem Verhältnis der Fixkosten zu den Mieteinnahmen, daß auf Dauer gesehen kein Überschuß zu erwarten ist, reicht ein kürzerer Beobachtungszeitraum aus. Sind die Verhältnisse in den einzelnen Phasen des Beobachtungszeitraumes unterschiedlich und außergewöhnlich, wird ein längerer Zeitraum der Beobachtung notwendig sein. Bei einem Miethaus ist es trotz fehlender Aussicht, auf Dauer Überschüsse zu erzielen, nicht zulässig, Liebhaberei anzunehmen, wenn Zwangsvorschriften auf dem Wohnungs- bzw. Mietensektor Überschüsse verhindern (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, ESt-Hdb2, Tz 23 zu § 2). Es ist daher stets im Auge zu behalten, daß es um eine Prognose von Möglichkeiten der Einnahmenüberschußerzielung geht, die tatsächlichen Gegebenheiten daher nur insofern Bedeutung haben, als sie Schlußfolgerungen auf diese Möglichkeiten zulassen. Den Komponenten, aus denen sich Einnahmen und Ausgaben zusammensetzen und der Häufigkeit ihres Vorkommens in den einzelnen Perioden kommt also entscheidende Bedeutung zu; den Ursachen der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung ist Beachtung zu schenken, wobei außergewöhnliche Vorfälle, also Ereignisse, von denen nicht anzunehmen ist, daß sie sich regelmäßig wiederholen, die also die Prognose beeinträchtigen, aus der Betrachtung auszuscheiden sind. Schematische Beurteilungen sind zu vermeiden.

Der Beschwerdeführerin ist nun darin beizupflichten, daß die belangte Behörde den Sachverhalt, betrachtet man ihn unter den vorgenannten Gesichtspunkten, nicht vollständig ermittelt und festgestellt hat, um die Frage steuerrechtlicher Liebhaberei abschließend beurteilen zu können. Aus ihren bruchstückhaften Feststellungen läßt sich das für die Gesamtbeurteilung dieser Frage eindeutige Bild nicht gewinnen.

Die Tatsache negativer Ergebnisse durch einen entsprechenden Beobachtungszeitraum ist zwar ein gewichtiges Indiz für die Ungeeignetheit der Quelle zur dauerhaften Erzielung von Erträgen. Im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen, das außergewöhnliche Ereignisse in dem von der belangten Behörde beobachteten Zeitraum aufzuzeigen versucht, und im Hinblick auf angeblich beachtliche Erträge in einem vorangegangenen Zeitraum, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, sich eingehend mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen, sowie den entsprechenden Sachverhalt eingehend zu ermitteln und festzustellen.

Wenn die Beschwerdeführerin auch erst ab 1977 das Gebäude in ihr Privatvermögen überführt hat, so ist es doch im vorliegenden Zusammenhang keineswegs bedeutungslos, ob die Einnahmen-Ausgabenrelation aus der Vermietung dieses Gebäudes in dem vorher liegenden Zeitraum, als es noch zum Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin gehörte, eine solche war, daß allein aus der Vermietung des Gebäudes in den Jahren 1973 bis 1976 angeblich Einnahmenüberschüsse von S 224.000,-- erzielt wurden, falls die Art der Bewirtschaftung dieses Objektes in diesem Zeitraum mit der des folgenden Zeitraumes vergleichbar war. Entscheidend für die Ertragsfähigkeit ist nämlich in der Regel nicht, wer die Vermietung betreibt und ob das Gebäude zu einem Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört, sondern auf welche Art und Weise die Vermietung vorgenommen wird und ob diese in den jeweiligen Phasen vergleichbar ist. Bei diesem Vergleich mit der Periode 1973 bis 1976 müßten zur Herstellung des Vergleiches allerdings Einnahmen- und Ausgabenkomponenten ausgeschieden werden, die sich aus der Zugehörigkeit des Gebäudes zum Betriebsvermögen ergaben. Die belangte Behörde hätte sich daher damit befassen müssen, ob tatsächlich seinerzeit aus der Vermietung des Gebäudes derart hohe Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben erzielt werden konnten, wie damals gewirtschaftet wurde, und aus welchen Gründen die Ergebnisse in den Folgejahren so absanken, daß sich durch mehrere Jahre Werbungskostenüberschüsse ergaben.

Die Beschwerdeführerin hat im Berufungsverfahren auch vorgetragen, daß die Werbungskostenüberschüsse in der Mehrzahl der Jahre seit 1977 auf Zahlungsschwäche bzw. Insolvenz von Mietern zurückzuführen gewesen seien und durch neue Mieter für die Zukunft eine jährliche Mieteinnahme von S 50.000,-- gesichert sei. Zu diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde darauf beschränkt festzustellen, daß der Mietvertrag mit einem neuen Mieter nur auf sechs Monate abgeschlossen worden sei und im Jahre 1986 nur Mieteinnahmen von S 45.000,-- zugeflossen seien. Diese Tatsachen schließen jedoch nicht aus, daß die Behauptung der Beschwerdeführerin über die Erzielung höherer Mieteinnahmen für die Zukunft richtig ist. Zu den Ursachen des Ausfalls von Mieteinnahmen im Beobachtungszeitraum und zu den Möglichkeiten ihrer Vermeidung hat die belangte Behörde überhaupt keine Feststellungen getroffen.

Sie hätte jedoch unter Berücksichtigung obiger Ausführungen zu überprüfen und festzustellen gehabt, ob tatsächlich außergewöhnliche Verhältnisse vorlagen, weil Mieter in Zahlungsschwierigkeiten und Insolvenz geraten seien, es sich also nur um vorübergehende und insoweit auf Grund der Rechtslage (Kündigungsschutz) unvermeidbare Einnahmenausfälle (nach Behauptung der Beschwerdeführerin in Höhe von rund S 120.000,--) gehandelt hat, mit denen für die Zukunft nicht mehr gerechnet werden muß, die also bei der Prognose für die Zukunft außer Betracht zu lassen wären.

Die belangte Behörde hätte daher zu klären gehabt, mit welchen wiederkehrenden Überschüssen in Hinblick auf relativ fixe Einnahmen und Ausgaben zu rechnen ist und welche Positionen den Ertrag nur vorübergehend und auf welche Zeit hinaus beeinflussen. Dabei wäre nur ein absehbarer Zeitraum bis zu 12 Jahren in Anschlag zu bringen gewesen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 12. September 1989).

Der Beschwerdeführerin ist allerdings darin nicht zu folgen, daß die Zehntelabsetzung für eine Großreparatur (Dachstuhlinstandsetzung) gemäß § 28 Abs. 2 EStG 1972 als rein steuerliche Maßnahme zu betrachten und in periodenfremden Besteuerungszeiträumen daher außer acht zu lassen sei. Für die Ertragsfähigkeitsprüfung ist nämlich eine periodenüberschreitende Betrachtung geboten, die sich allerdings - wie bereits erwähnt - für die Zukunft auf einen absehbaren Zeitraum von 12 Jahren beschränken muß. Anders als bei der Zehntelabsetzung nach dem Stadterneuerungsgesetz (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 22. Jänner 1985), betrifft die hier allein interessierende Zehntelabsetzung nach § 28 Abs. 2 EStG 1972 einen Instandhaltungsaufwand, der offensichtlich nicht in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung der Einkunftsquelle vorgenommen wurde und der daher (systemgerecht) bereits im Jahr der Verausgabung als Werbungskosten abgesetzt werden könnte (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O. Tz 14 und 31 zu § 28), also nicht um eine der steuerlichen Investitionsbegünstigung vergleichbarer Sonderregelung, die anstelle der rechnerischen Absetzung für Abnutzung (§ 16 Abs. 1 Z. 8 in Verbindung mit § 7 EStG 1972) treten könnte.

Die belangte Behörde hat daher den für die rechtliche Beurteilung der Frage, ob in den Streitjahren eine Einkunftsquelle vorlag, wesentlichen Sachverhalt nicht ermittelt und daher auch nicht festgestellt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Es war nämlich aus dem angefochtenen Bescheid nicht eindeutig erkennbar, daß der Feststellungsmangel Folge einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde war, in welchem Fall die Aufhebung auf § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu stützen gewesen wäre.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Liebhaberei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989140295.X00

Im RIS seit

26.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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