TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/27 90/18/0035

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Veröffentlicht am 27.06.1990
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Index

27/01 Rechtsanwälte;

Norm

RAO 1868 §2 Abs2;
RAO 1868 §26 Abs2;
RAO 1868 §28 Abs1 litb;
RAPG 1985 Art6 Abs3;

Betreff

Dr. N gegen Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für X vom 5. Februar 1990, Zl. 784/89, betreffend Dauer der praktischen Verwendung

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1989 stellte der Beschwerdeführer zwei Anträge an den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für X:

1) Anrechnung der Zeit einer Gerichtspraxis von neun Monaten und der Zeit einer Praxis als Notariatskandidat im gesetzlich zulässigen Ausmaß von 15 Monaten auf die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche Zeit der praktischen Verwendung,

2) Bestätigung, daß für ihn unter Berücksichtigung der obigen Zeiten der praktischen Verwendung der bei einem Rechtsanwalt zu verbringende Zeitraum der praktischen Verwendung vier Jahre beträgt.

Mit Bescheid vom 5. Februar 1990 sprach der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für X aus, daß die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung des Beschwerdeführers gemäß § 2 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung sieben Jahre zu dauern habe. In der Begründung wurde ausgeführt, die Übergangsbestimmung des Art. VI Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. Nr. 556 (Rechtsanwaltsprüfungsgesetz), sei auf den Beschwerdeführer deshalb nicht anzuwenden, weil dieser erst mit 1. Juli 1989 erstmals in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wegen Unzuständigkeit und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der Beschwerdeführer seinen Antrag vom 21. Dezember 1989, und zwar weder unter Punkt 1) noch unter Punkt 2), auf bestimmte gesetzliche Bestimmungen stützte, war die belangte Behörde gehalten, seinen Antrag unter allen in Frage kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.

Der Beschwerdeführer läßt unbestritten, daß Art. VI Abs. 3 des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes auf ihn nicht anzuwenden ist. Er weist aber auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung hin, welche lautet:

Die praktische Verwendung im Sinn des Absatzes 1 hat sieben Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens fünf Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen. Hat ein Rechtsanwaltsanwärter vor Antritt der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt an einer inländischen Universität den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum sechs Jahre und der bei einem Rechtsanwalt zu verbringende Zeitraum vier Jahre.

Nun hat der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 21. Dezember 1989 die Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Rechtswissenschaften nach der neuen Studienordnung behauptet und diese Behauptung durch die Vorlage einer Promotionsurkunde der A-Universität B vom 30. Juni 1988 bescheinigt.

Im Zusammenhalt mit der Feststellung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdeführer sei erstmals am 1. Juli 1989 in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen worden, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, das Ansuchen des Beschwerdeführers zu Punkt 2) seines Schriftsatzes vom 21. Dezember 1989 auch unter dem Gesichtspunkt des § 2 Abs. 2, Satz drei RAO zu prüfen. In der Unterlassung dieser Prüfung liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Weder die Rüge der Unzuständigkeit der belangten Behörde noch die Verfahrensrüge ist begründet.

Gemäß § 26 Abs. 2 RAO hat der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für X die dort genannten Angelegenheiten in Abteilungen zu erledigen. Die mit dem angefochtenen Bescheid allein entschiedene Frage nach der Dauer des vom Beschwerdeführer in der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt zu verbringenden Zeitraums gehört nicht zu den Materien des § 28 Abs. 1 lit. b RAO - die anderen im § 26 Abs. 2 RAO aufgezählten Agenden kommen schon nach dem ersten Anschein für die vorliegende Zuständigkeitsfrage nicht in Betracht. § 28 Abs. 1 lit. b RAO nennt die Führung der Liste der Rechtsanwaltsanwärter, die Bestätigung der Rechtsanwaltspraxis sowie die Ausfertigung der Legitimation zur Substituierung an dieselben. Die mit dem angefochtenen Bescheid entschiedene Frage gehört zu keiner dieser drei Agenden. Daher hatte über diese Frage der Ausschuß als Ganzes zu entscheiden.

Die Verfahrensrüge ist deshalb nicht gerechtfertigt, weil die belangte Behörde, von ihrer irrigen Rechtsansicht ausgehend, keinerlei Ermittlungsverfahren durchführte, insbesondere Beweismittel nicht würdigte.

Der angefochtene Bescheid war aus den weiter oben angeführten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180035.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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