TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/9 89/10/0225

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Veröffentlicht am 09.07.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AMG 1983 §1 Abs1;
AVG §68 Abs1;
LMG 1975 §18;
VwRallg;

Betreff

X-GesmbH gegen Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 29. September 1989, Zl. 767.350/4-VII/12/89, betreffend Zurückweisung der Anmeldung einer Ware als Verzehrprodukt nach dem Lebensmittelgesetz

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 19. Juli 1989 untersagte der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst gemäß § 18 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975), BGBl. Nr. 86, das Inverkehrbringen des von der beschwerdeführenden Partei mit Eingabe vom 30. Mai 1989 angemeldeten Erzeugnisses "Y-Kapseln" als Verzehrprodukt. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der einschlägigen Fachliteratur zu entnehmen, daß den Inhaltsstoffen dieses Erzeugnisses eine pharmakologische Wirkung zukomme. In der Bescheidbegründung wurden sodann unter Bezugnahme auf Fachliteratur die arzneilichen Wirkungen von Fischöl- bzw. der darin vorkommenden Omega-3-Fettsäuren im einzelnen angeführt. Auf Grund der schlüssigen Gutachten der Amtssachverständigen sei somit das Erzeugnis als Arzneimittel zu beurteilen.

1.2. Mit Bescheid vom 29. September 1989 wies der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 die Anmeldung der beschwerdeführenden Partei vom 25. September 1989, betreffend das Inverkehrbringen von "Y-Fischöl-Kapseln" als Verzehrprodukt zurück.

Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Zusammensetzung dieses Erzeugnisses mit jener des im Mai 1989 angemeldeten Erzeugnisses ident. Der Umstand, daß im Verpackungstext geringfügige Änderungen vorgenommen und der Hinweis auf die Dosierung ersatzlos gestrichen worden sei, sei für die vorliegende Entscheidung irrelevant, da die "objektiv-arzneiliche Wirkung" (Arzneimittel nach der allgemeinen Verkehrsauffassung) davon nicht betroffen sei. Im vorliegenden Fall sei eindeutig - abgesehen von der subjektiven Zweckbestimmung - nach der allgemeinen Verkehrsauffassung eine "objektiv-arzneiliche Wirkung" zu erwarten. Der Sachverhalt habe somit in den für die Entscheidung wesentlichen Elementen gegenüber der früheren Anmeldung keine Veränderung erfahren.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der sich die beschwerdeführende Partei in ihrem sich aus § 18 LMG 1975 ergebenden Recht auf Nichtuntersagung des ordnungsgemäß angemeldeten Produktes "Y-Kapseln" als Verzehrprodukt, zumindest aber in ihrem Recht auf Sachentscheidung, verletzt erachtet.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 68 Abs. 1 AVG 1950 lautet:

"Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

§ 68 Abs. 1 AVG 1950 soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1928, Slg. Nr. 15276/A, vom 8. Juni 1956, Zl. 2139/55, und vom 3. Juli 1970, Zl. 589/70). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird demgemäß durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem bereits formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1970, Slg. N.F. Nr. 7762/A, vom 14. Juni 1971, Sgl. N.F. Nr. 8035/A, und vom 10. Dezember 1979, Zl. 1656/79 = ZfVB 1980/4/1324, vom 5. September 1980, Zl. 620/78, und vom 1. Juni 1983, Zl. 82/08/0013 = ZfVB 1984/2/775).

Gegenstand der Rechtskraft ist der Spruch, allenfalls im Zusammenhang mit der maßgebenden Begründung des Bescheides. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "entschiedenen Sache" ist nicht nach der objektiven Rechtslage zu beurteilen, sondern nach der Wertung, die das geänderte Sachverhaltselement in der rechtskräftig gewordenen Entscheidung erfahren hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1981, Zl. 09/3089/80 = ZfVB 1982/5/1946).

2.2.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, daß das Produkt unter der neuen Bezeichnung "Y-Kapseln" ohne Dosierungshinweis und ohne Hinweis auf die Omega-3-Fettsäuren neuerlich als Verzehrprodukt gemäß § 18 LMG 1975 angemeldet worden sei. Derartige Modifikationen stellten einen neuen Antrag dar. Es liege daher kein identes Produkt, zumindest was die Aufmachung anlange, vor. Die Produktdeklaration enthalte keinen Hinweis auf einen arzneilichen Zweck. Die belangte Behörde hätte daher eine Sachentscheidung zu treffen gehabt.

2.2.2. Aus der im Vorstehenden wiedergegebenen Rechtsprechung zu § 68 Abs. 1 AVG 1950 ist zu ersehen, daß es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides ankommt. Hat eine Behörde unter mehreren Versagungsgründen einen gewählt, auf den sie ihre Entscheidung stützt, und steht eben dieser Versagungsgrund auch der positiven Erledigung eines neuerlichen Antrages entgegen, dann ist dieser wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Ein Fall dieser Art liegt hier vor. § 1 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes stellt für das Vorliegen eines "Arzneimittels" - alternativ - auf zwei verschiedene Kriterien, nämlich darauf ab, ob Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen "nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen" oder "nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind", bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die in den folgenden Ziffern 1 bis 5 beschriebenen Wirkungen hervorzurufen bzw. Funktionen zu erfüllen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1985, Slg. N.F.

Nr. 11805/A = ZfVB 1986/1/167).

Die belangte Behörde hat im Bescheid vom 19. Juli 1989 die Eigenschaft des angemeldeten Produktes als Verzehrprodukt im Sinne des § 18 LMG 1975 verneint, und zwar nicht wegen der dem Erzeugnis nach seiner Aufmachung zugemessenen subjektiven arzneilichen Zweckbestimmung (Verwendung des Begriffes "lebenswichtig", Hinweis auf die OMEGA-3-Fettsäuren), sondern wegen der auf Grund der Zusammensetzung gegebenen "objektiv-arzneilichen Wirkung". Dieser Bescheidinhalt ergibt sich aus dem Spruch des Bescheides vom 19. Juli 1989 im Zusammenhalt mit seiner Begründung (vgl. den obigen Punkt 1.1.), die zur Sinnermittlung eines in dieser Art gefaßten Spruches notwendiger- und zulässigerweise mit heranzuziehen ist. Es trifft daher die Beschwerdebehauptung nicht zu, daß die Hinweise auf die arzneiliche Zweckbestimmung "Anlaß für die Untersagung" gewesen wären, "welche von der belangten Behöre aus diesen Deklarationen offenbar gelesen wurde".

Wird nun ein in seiner Zusammensetzung unbestritten identes Erzeugnis neuerdings angemeldet, liegt, da dieses Kriterium seinerzeit allein entscheidend war, eine wesentliche Sachverhaltsänderung nicht vor.

Der Hinweis der beschwerdeführenden Partei auf die Rechtsprechung, daß eine Änderung der Produktdeklaration einen neuen Antrag darstelle, betrifft den hier nicht relevanten Fall, daß die Abweisung der Anmeldung auf die Aufmachung des Produktes gestützt wurde. Nur insofern ist es zutreffend, daß die jeweilige Anmeldung nicht nur das Produkt, sondern auch dessen Aufmachung umfaßt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 1979, Zl. 2603/78 = ZfVB 1980/4/1187, oder zur Frage wesentlicher Abweichungen von der angemeldeten Produktdeklaration das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1985, Zl. 85/10/0068 = ZfVB 1986/1/168).

Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung der neuerlichen Anmeldung, betreffend das Inverkehrbringen des Produktes "Y-Kapseln" als Verzehrprodukt ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2.3. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst BGBl. Nr. 206/1989.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100225.X00

Im RIS seit

09.07.1990

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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