TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/7 90/18/0058

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Veröffentlicht am 07.09.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ZustG §14;
ZustG §2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/18/0059

Betreff

N gegen Oberösterreichische Landesregierung und Landeshauptmann von Oberösterreich vom 17. Jänner 1990, Zl. VerkR-12.498/1-1990-II/Fra, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund und das Land Oberösterreich haben dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 5.310,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 1. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 und mehrerer Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz 1967 schuldig erkannt und es wurden über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Jänner 1990 wiesen die Oberösterreichische Landesregierung und der Landeshauptmann von Oberösterreich die vom Beschwerdeführer gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung als verspätet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das erstbehördliche Straferkenntnis sei laut Rückschein am 14. Dezember 1989 zugestellt worden. Mit diesem Tag habe die gemäß § 51 Abs. 3 VStG 1950 mit 2 Wochen bemessene Berufungsfrist zu laufen begonnen. Die Frist habe daher mit Ablauf des 28. Dezember 1989 geendet. Das Rechtsmittel sei jedoch trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung laut Poststempel erst am 29. Dezember 1989 zur Post gegeben worden. Da es sich bei der Frist um eine durch Gesetz festgelegte handle, sei ihre Verlängerung nicht möglich, weshalb das Rechtsmittel zurückzuweisen gewesen sei, ohne auf die Sache selbst einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangten Behörden legten die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstatteten eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, er befinde sich seit August 1989 im landesgerichtlichen Gefangenenhaus des Landesgerichtes Linz in Untersuchungshaft. Am 28. Dezember 1989, sohin am letzten Tag der Frist, habe er dem zuständigen Justizwachebeamten einen von ihm verfassten Berufungsschriftsatz gegen das Straferkenntnis erster Instanz mit der Bitte übergeben, dieses an die Polizei zu senden. Er habe damit innerhalb der Berufungsfrist die Berufung eingebracht; diese sei daher rechtzeitig. Die belangte Behörde habe es unterlassen, ihm zur Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung Parteiengehör zu gewähren, sodaß er nicht in der Lage gewesen sei, diese Umstände der Behörde bekanntzugeben.

Bei der Frage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, handelt es sich um eine solche, bei der die belangte Behörde gemäß § 39 Abs. 2 AVG 1950 den Sachverhalt von amtswegen zu klären hat. Die Rechtsmittelbehörde hat daher das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung dem Rechtsmittelwerber aber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 1985, Zl. 85/07/0123).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11473/A, ausgesprochen hat, ist bei Anstaltshäftlingen eine Frist, in die zufolge § 33 Abs. 3 AVG 1950 die Tage des Postenlaufes nicht eingerechnet werden, unabhängig vom Zeitpunkt der tatsächlichen Postaufgabe dann gewahrt, wenn das die Frist wahrende Schriftstück am letzten Tag der Frist vom Häftling den Anstaltsorganen übergeben wurde. Im Hinblick auf diese Rechtslage kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangten Behörden zu einem anderen Bescheid hätten kommen können, wenn sie dem Beschwerdeführer vor ihrer Entscheidung Parteiengehör gewährt hätten.

Die belangten Behörden belasteten daher infolge Unterlassung des Parteiengehörs den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180058.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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