TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/17 90/15/0034

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Veröffentlicht am 17.09.1990
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

ABGB §1090;
GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1;
GebG 1957 §33 TP5 Abs1;
GebG 1957 §33 TP5 Abs3;
MRG §12;
MRG §30 Abs2;

Beachte

Besprechung in:ÖStZ 1991, 564;

Betreff

N-Gesm.b.H. & Co. KG gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. Februar 1990, Zl. GA 11-510/5/90, betreffend Rechtsgebühr:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin schloß als Mieterin am 12. März 1987 mit der O-Gesellschaft m.b.H. & Co KG einen Mietvertrag über die Erdgeschoßräume im Betriebsgebäude auf der EZ nnnn KG XY, Kremserstraße 2a, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"2) BRANCHE DER MIETERIN

Der Umfang der Geschäftstätigkeit der Mieterin, die sie im Mietgegenstand ausüben will, wird beschrieben wie folgt:

Betrieb eines Lebensmittelsupermarktes mit Frischfleisch und entsprechendem Non food-sortiment.

3) DAUER DES MIETVERHÄLTNISSES

Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen .....

Das Mietverhältnis ist unter Einhaltung einer halbjährlichen Kündigungsfrist jeweils zum Ende eines Kalenderjahres aufkündbar, wobei die Kündigung mittels eingeschriebenen Briefes zu erfolgen hat. Die Kündigung gilt nur als rechtzeitig, wenn der Kündigungsbrief vor dem 1.7. eines jeden Jahres nachweislich beim Kündigungsgegner eingelangt ist.

Ungeachtet des oben bezeichneten Kündigungsrechtes sowie der Möglichkeit zur vorzeitigen Vertragsauflösung gemäß § 1117 ABGB erklärt die Mieterin jedoch ausdrücklich, auf die Ausübung ihres Kündigungsrechtes bis zum 31.12.1999 zu verzichten. In gleicher Weise verpflichtet sich die Vermieterin das Kündigungsrecht nur bei Vorliegen von wichtigen Gründen auszuüben und wird auf die diesbezüglichen Bestimmungen des Punktes 13) verwiesen.

4) WEITERGABERECHT

Die Vermieterin räumt der Mieterin das Recht ein, auch während der vereinbarten Mietdauer einen Nachfolgemieter namhaft zu machen. Sofern gegen diese Person des Nachfolgemieters keine willkürlichen Gründe entstehen und insbesondere die Bonität dieses Nachfolgemieters ausreichend gesichert ist, verpflichtet sich die Vermieterin mit diesem von der Mieterin genannten Nachfolgemieter einen Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen dieses Vertrages abzuschließen und endet in diesem Fall das gegenständliche Mietverhältnis durch einvernehmliche Auflösung. Die Kosten der Errichtung und Vergebührung eines derartigen Nachmietvertrages hat der Nachfolgemieter zu tragen.

13) AUßERORDNETLICHE BEENDIGUNG DES MIETVERHÄLTNISSES BZW.

WICHTIGE GRÜNDE DIE AUCH DIE VERMIETERIN ZU EINER AUFLÖSUNG DES

MIETVERHÄLTNISSES BERECHTIGEN

Ungeachtet den Bestimmungen des Punktes 3) kann das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist seitens der Vermieterin mittels eingeschriebenen Briefes sofort aufgelöst werden, wenn

a) die Mieterin trotz zweimaliger schriftlicher Abmahnung beharrlich gegen wesentliche Bestimmungen des Mietvertrages verstößt,

b) die Mieterin mit einer Monatsmiete in Verzug geraten ist und trotz schriftlicher Nachfristsetzung von einem Monat nicht fristgerecht bezahlt,

c) über das Vermögen der Mieterin ein Vorverfahren, Ausgleichs- oder Konkursverfahren rechtskräftig eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig abgewiesen wird,

d) die Mieterin vom Mietobjekt einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, insbesondere auch bei einer eigenmächtigen Umänderung oder widmungswidrigen Veränderung des Mietgegenstandes ohne Zustimmung des Vermieters.

In all diesen Fällen hat die Mieterin das Mietobjekt binnen angemessener Frist, jedoch binnen acht Wochen ab Bekanntgabe der Auflösung unter den Bedingungen dieses Mietvertrages geräumt zu übergeben.

Dagegen steht der Mieterin ungeachtet der Bestimmungen des Punktes 3) das Recht einer vorzeitigen Auflösung bei vorsätzlicher Störung des Geschäftsbetriebes durch die Vermieterin oder durch Personen, die ihr zuzuzählen sind, zu."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist in diesem Zusammenhang allein strittig, ob es sich bei dem vorstehenden Vertrag um einen Bestandvertrag auf unbestimmte oder auf bestimmte Dauer handelt.

Mit der im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als unbegründet ab und vertrat dazu (wie die Abgabenbehörde erster Instanz) die Rechtsauffassung, es liege ein Bestandverhältnis vor, das zunächst auf die Dauer von zwölf Jahren und anschließend für unbestimmte Zeit gelten solle. Das Finanzamt sei bei der gemäß § 33 TP 5 GebG 1957 vorgenommenen Gebührenfestsetzung zu Recht vom 15-fachen Jahresentgelt ausgegangen, weil der Mietvertrag für die ersten zwölf Jahre einen Bindungswillen der Vertragsparteien unzweifelhaft erkennen lasse. Bei den ausdrücklich bezeichneten Kündigungsgründen, aus denen der Vertrag auch schon während der ersten zwölf Jahre vom Vermieter aufgelöst werden könne, handle es sich nicht lediglich um eine Wiederholung der in § 30 Abs. 2 MRG vorgesehenen Gründe, sondern vielmehr um eine gezielte Auswahl und sei unter diesen Auflösungsmöglichkeiten keine, die nach ihrem Gewicht und ihrer Wahrscheinlichkeit die Gewähr für die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages böte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Qualifikation des vorliegenden Bestandvertrages "als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen" und auf eine dieser Qualifikation entsprechende Vergebührung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 Satz 1 GebG 1957 sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten.

Nach ständiger hg. Judikatur besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen auf bestimmte Zeit und auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen, nach dem letzten Satz des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG nicht im Wege steht. Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muß (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1976, Zl. 2163/74 Slg. NF. 5066/F; 5. Oktober 1987, Zl. 86/15/0102; 6. März 1989, Zl. 88/15/0037 und 16. Oktober 1989, Zl. 88/15/0040). Die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG (früher § 19 Abs. 2 MG) stellt keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten dar, sodaß in einem solchen Fall ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist (vgl. dazu die schon zitierten hg. Erkenntnisse vom 5. Oktober 1987, Zl. 86/15/0102, 16. Oktober 1989, Zl. 88/15/0040 und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführerin rügt gleich zu Beginn ihrer Ausführungen die unvollständige Wiedergabe des gebührenrechtlich relevanten Vertragstextes im angefochtenen Bescheid und vermeint unter Hinweis auf dessen Punkt 4, es sei für die Mieterin im Wege der "Weitergabe" jederzeit die Möglichkeit gegeben, das Bestandverhältnis zu beenden.

Dieser Argumentation vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zu verschließen:

Bei dem in Rede stehenden Text handelt es sich um die vertragliche Vereinbarung eines sogenannten Präsentationsrechtes (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht 102 Rz 2 zu § 12 MRG), welches dem Mieter das Recht einräumt, dem Vermieter eine geeignete Person als Nachfolger vorzuschlagen, wobei der Vermieter grundsätzlich verpflichtet ist, den Präsentierten zu akzeptieren, außer es liegen begründete Einwände (die im vorliegenden Fall insbesondere im Bonitätsbereich gelegen sein könnten) vor. Stimmt der Vermieter dem Abschluß eines Mietvertrages mit dem präsentierten, geeigneten Nachfolger nicht zu, so kann das Präsentationsrecht vom Mieter klagsweise durchgesetzt werden (Würth-Zingher, a. a.O. unter Berufung auf MietSlg. 20.155 und 36.157).

Im vorliegenden Fall ist in diesem Zusammenhang zwischen den Vertragsparteien noch ausdrücklich festgelegt, daß durch kontrahieren des Vermieters mit dem präsentierten Nachfolger der Mietvertrag mit dem ersten Mieter aufgelöst wird.

Der Mieter hat es somit in Gestalt seines Präsentationsrechtes gemäß Punkt 4 des Vertrages in der Hand, jederzeit auch während der ersten zwölf Jahre durch Beschreiten des oben aufgezeigten Weges eine Auflösung des Bestandverhältnisses zu bewirken.

Unter Beachtung der Mobilität des Geschäftslebens, die, wie die Erfahrung des täglichen Lebens zeigt - anders als es die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift dazustellen sucht -, gerade auch im Bereich der Geschäftsbranche "Lebensmittelsupermarkt" gegeben ist, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die Möglichkeit der Auflösung des Vertrages gemäß seinem Punkt 4 "hochgradig unwahrscheinlich" wäre. Ganz im Gegenteil, gerade ökonomisch denkende Unternehmer vereinbaren sogenannte Weitergabs- oder Präsentationsrechte in von ihnen geschlossenen Bestandverträgen deshalb, um im Wege der Ausübung derselben jederzeit den sich laufend ändernden ökonomischen Verhältnissen entsprechend Rechnung tragen zu können.

Das im vorliegenden Fall durch Punkt 4 des Mietvertrages eingeräumte Recht des Mieters, eine Auflösung des Vertrages unter Umständen durchaus realistischerweise auch gegen den Willen des Vermieters durchzusetzen, muß bei der nach der oben zitierten hg. Judikatur gebotenen Betrachtung der Vertragsauflösungsmöglichkeit im konkreten Fall nach ihrem Gewicht und ihrer Wahrscheinlichkeit so beurteilt werden, daß damit wegen der Freiheit des Mieters zur Vertragsbeendigung insgesamt eine ungewisse Vertragsdauer anzunehmen ist. Das Präsentationsrecht des Mieters verleiht nämlich dem vorliegenden Vertrag insbesondere verglichen mit dem Fall der Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG (früher 19 Abs. 2 MG) unter Bedachtnahme auf die Schwierigkeiten, die bekanntermaßen ein aufkündigender Vermieter bei der erfolgreichen Durchsetzung seines Anliegens hat, ein derartiges Maß an Ungewissheit hinsichtlich seiner Dauer, daß arg. a maiori ad minus im Sinne der schon oben zitierten hg. Judikatur (Erkenntnisse vom 5. Oktober 1987, Zl. 86/15/0102, und vom 16. Oktober 1989, Zl. 88/15/0040, sowie der dort zitierten hg. Vorjudikatur) hier ein Bestandvertrag vorliegt, der von Anfang an von ungewisser Dauer ist.

Indem die belangte Behörde ganz offensichtlich die rechtliche Bedeutung des besagten Punktes 4 des Vertrages verkannt hat, hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was zu seiner Aufhebung führen muß (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG), sodaß auf die übrigen Beschwerdeargumente nicht mehr eingegangen zu werden braucht.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Präsentationsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990150034.X00

Im RIS seit

06.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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