TE Vfgh Beschluss 2008/10/8 V402/08

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2008
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einesFlächenwidmungsplans hinsichtlich der Widmung des im Eigentum derAntragstellerinnen stehenden Grundstücks zT als Freiland; keineKonkretisierung nachteiliger Eingriffe in Rechtspositionen,insbesondere keine Darlegung konkreter Bauabsichten; teils bloßwirtschaftliche Reflexwirkungen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragstellerinnen begehren in ihrem auf Art139 B-VG

gestützten Antrag, "den Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Anton / Arlberg (lt Gemeinderatsbeschluss vom 22.6.2006 und aufsichtsbehördl. Genehmigung vom 29.3.2007), soweit er das Gst 861/7 in der EZ 600 GB 84010 St. Anton / Arlberg der Antragsteller betrifft, als gesetzwidrig" aufzuheben.

2. Zur Darlegung ihrer Antragslegitimation führen die Antragstellerinnen aus, sie seien ideelle Miteigentümerinnen des Grundstückes 861/7, EZ 600, GB 84010 St. Anton/Arlberg, auf dem sich ein Einfamilienhaus befinde, das baurechtlich aufgrund eines Baubewilligungsbescheides aus dem Jahr 1984 errichtet worden sei, bis heute jedoch nicht in der Digitalen Katastralmappe (DKM) des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen (BEV) erfasst sei. Bei der Erlassung des Baubewilligungsbescheides sei das genannte Grundstück ein Bauplatz gewesen, da damals dafür die einheitliche Widmung als Bauland noch nicht erforderlich gewesen sei.

Der vom Gemeinderat der Gemeinde St. Anton/Arlberg am 22. Juni 2006 beschlossene und von der Tiroler Landesregierung am 29. März 2007 aufsichtsbehördlich genehmigte Flächenwidmungsplan 2006 sei am Ende der Kundmachungsfrist gemäß §67 TROG 2006 (19. April 2007) in Kraft getreten. Dieser sei gesetzwidrig, weil das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück 861/7 uneinheitlich teils als Bauland (Tourismusgebiet beschränkt - Tb), teils als Freiland (FL) gewidmet sei und nur wegen dieser Widmung kein Bauplatz mehr sei, obwohl kein gesetzlicher Grund gegen die einheitliche Widmung als Bauland vorliege.

Die Antragstellerinnen hätten sowohl im Verfahren zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes 2006, aber auch in dem zeitlich parallel durchgeführten Verfahren zur Neuerlassung des allgemeinen Bebauungsplanes auf diese Tatsache und die baurechtlich problematischen Folgen der uneinheitlichen Widmung erfolglos aufmerksam gemacht.

Das In-Kraft-Treten des Flächenwidmungsplanes 2006 habe für das Grundstück 861/7 der Antragstellerinnen bewirkt, dass dieses kein Bauplatz (iSd §2 Abs12 TBO 2001) mehr sei, obwohl sich darauf ein vor nunmehr über 20 Jahren errichtetes Einfamilienhaus befinde. Der Flächenwidmungsplan 2006 wirke also unmittelbar, da er der "neue" Flächenwidmungsplan (iSd §59 Abs11 TBO 2001) sei, nach dessen In-Kraft-Treten auch für das Grundstück 861/7 im Fall eines Bauansuchens oder einer Bauanzeige das Erfordernis der einheitlichen Widmung als Bauland bestehe. Für die Antragstellerinnen gebe es keinen zumutbaren Weg zur Geltendmachung dieser Gesetzwidrigkeit, da das Tiroler Baurecht keine Bestimmung kenne, welche inhaltlich mit der Bauplatzerklärung (in Salzburg) oder der Bauplatzbewilligung (in Oberösterreich) vergleichbar wäre. Es sei den Antragstellerinnen auch nicht zumutbar, ein Bauansuchen mit dem ausschließlichen Zweck zu stellen, durch dieses eine Anfechtung gemäß Art139 B-VG zu ermöglichen, oder bei einem künftigen Bauansuchen die gesamte Verfahrensdauer bedenken zu müssen, welche mit der Bekämpfung eines Bescheides bis zum Verfassungsgerichtshof und dem daran anschließenden baubehördlichen Verfahren zwangsläufig verbunden sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Antrages:

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

1.2. Die von den Antragstellerinnen genannten Wirkungen der angefochtenen Verordnung sind jedoch keine solchen, die ihre Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst bestimmten Weise aktuell beeinträchtigen: Die Antragstellerinnen bringen lediglich vor, dass jede bewilligungspflichtige oder auch nur anzeigepflichtige Baumaßnahme (selbst wenn es sich um den Abbruch oder eine Schadensbehebung nach einer teilweisen Zerstörung des bestehenden Gebäudes infolge eines Brandes, eines Lawinen- oder Murenabganges handle) trotz des bestehenden Einfamilienhauses rechtlich unmöglich bzw. verboten sei. Sie könnten ihren privatrechtlichen Verkehrssicherungspflichten und ihrer öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Erhaltung in einem ungefährlichen Zustand aufgrund der derzeitigen Widmung nur in dem Umfang nachkommen, in dem dafür keine Baumaßnahmen notwendig seien. Außerdem würden die mit einem Bauplatz regelmäßig verbundenen (bau-)rechtlichen Möglichkeiten und Rechte wegfallen und eine damit verbundene, entschädigungslose Wertminderung von Haus und Grund eintreten.

Die Antragstellerinnen machen damit aber - soweit es sich nicht überhaupt bloß um wirtschaftliche Reflexwirkungen der Widmung handelt (vgl. VfSlg. 17.080/2003) - keine konkreten nachteiligen Eingriffe in Rechtspositionen geltend. Sie behaupten insbesondere nicht, konkrete Bauabsichten zu haben. Für die Legitimation zu einem Individualantrag gemäß Art139 B-VG kann in keinem Fall auf die Voraussetzung, dass nachteilige Eingriffe in Rechtspositionen konkretisiert werden, verzichtet werden (vgl. VfSlg. 17.361/2004).

1.3. Der Verordnungsprüfungsantrag war somit mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VfGH / Formerfordernisse,VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:V402.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten