TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/19 90/03/0123

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §6;

Betreff

N gegen Steiermärkische Landesregierung vom 13. März 1990, Zl. 11-75 Mi 4-89, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 13. März 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 4. Dezember 1987 gegen 14,32 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Südautobahn A 2 im Gemeindegebiet Gleisdorf-Süd in Fahrtrichtung Graz gelenkt und auf Höhe des Baukm 163,5 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h erheblich überschritten. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) verhängt. Der Beschwerdeführer bestreite in der Berufung, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 70 km/h überschritten zu haben. Die Gendarmeriebeamten hätten in ihrem Streifenwagen, als er sie überholt habe, die eingehaltene Geschwindigkeit nicht im Vorbeifahren schätzen können. Dem sei entgegenzuhalten, daß geschulte Straßenaufsichtsorgane eine zutreffende Geschwindigkeitsschätzung nicht nur im Vorbeifahren und Nachfahren vornehmen können, sondern auch dann, wenn sie mit erheblicher Geschwindigkeitsdifferenz selbst überholt werden und die von ihnen eingehaltene Geschwindigkeit am Tachometer ablesen können, wie dies gegenständlich hinsichtlich eines Geschwindigkeitsunterschiedes von rund 70 km/h der Fall gewesen sei. Einer der einschreitenden Beamten (Meldungsleger) habe bezeugt, daß der Zivilstreifenwagen (laut Tachometer) mit 130 km/h gefahren sei, als der Beschwerdeführer ihn sehr rasch (mit ca. 200 km/h) überholt habe. Obwohl der Streifenwagen auf 180 km/h beschleunigt worden sei, habe sich der Abstand zum Fahrzeug des Beschwerdeführers vergrößert. Es sei auch bereits eine Tachometerabweichung zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt. Damit sei schlüssig die sehr erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung dargetan, und zwar auch das geschätzte Ausmaß von ca. 70 km/h. Ein Straßenaufsichtsorgan könne auch aus einer Vergrößerung des Abstandes beim Nachfahren Schlüsse auf derartigen Geschwindigkeitsüberschreitungen ziehen. Daran ändere auch nichts, daß sich der zweite Gendarmeriebeamte (nach zwei Jahren erstmals vernommen) an den Vorfall nicht mehr erinnern könne. Weiters werde eine Notstandssituation eingewendet, da die Gattin des Beschwerdeführers (Beifahrerin) am Tatort plötzlich von kolikartigen Anfällen befallen worden sei. Sie hätte daher möglichst rasch einer ärztlichen Betreuung zugeführt werden müssen. Ihr Vertrauensarzt sei in Klagenfurt. Dieser sei von der Erstbehörde nicht eingehend genug befragt worden. Gemäß § 6 VStG sei ein Notstand nur dann gegeben, wenn jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten könne, daß er eine strafbare Handlung begehe. Zutreffend habe bereits die erste Instanz ausgeführt, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht das einzige Mittel zur Abwehr dieser Gefahr gewesen sei. Treten solche Anfälle auf, müsse natürlich bei der nächsten Gelegenheit ärztliche Hilfe herbeigeholt werden, weshalb die Festlegung auf einen erheblich entfernten Vertrauensarzt nicht entschuldigen könne. Der Beschwerdeführer hätte die Unvorhersehbarkeit der Anfälle und vor allem die Unmöglichkeit eines gesetzeskonformen Verhaltens, nämlich die rechtzeitige Erreichung eines anderen Arztes, bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit glaubhaft machen müssen. Dies habe er nicht getan. Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt (§ 43 Abs. 2) oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt (§ 43 Abs. 4), darf der Lenker eines Fahrzeuges gemäß § 20 Abs. 2 StVO ... auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren.

Zum Tatbild einer Verwaltungsübertretung nach dieser Gesetzesstelle gehört nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes somit lediglich der Umstand der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ohne Rücksicht auf das Ausmaß einer Überschreitung (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1990, Zl. 89/03/0264). Das Ausmaß der Überschreitung muß daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht in den Abspruch aufgenommen werden. Ebenso ist selbst die Anführung des Wortes "erheblich" überflüssig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1985, Zl. 85/02/0008).

Mit seinem weiteren Vorbringen bekämpft der Beschwerdeführer die in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Feststellung, daß er die Geschwindigkeit um 70 km/h überschritten hätte, indem er deren Beweiswürdigung rügt und in diesem Zusammenhang auch Verfahrensmängel geltend macht.

Unter Bezugnahme auf das gegen die Beweiswürdigung gerichtete Beschwerdevorbringen ist daran zu erinnern, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d.h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034).

Die belangte Behörde hat die wesentliche Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung auf die Angaben des meldungslegenden Gendarmeriebeamten Inspektor Friedrich K. gestützt, der in seinen beiden Zeugenaussagen vom 31. August 1988 und 20. November 1989 dargelegt hat, daß das Zivilstreifenfahrzeug mit 130 km/h gefahren sei, als es der Beschwerdeführer mit rund 200 km/h überholt habe. Eine Anhaltung sei nicht möglich gewesen, da sich der Abstand innerhalb kürzester Zeit vergrößert habe. Obwohl das Dienstfahrzeug bei der Verfolgung auf eine Geschwindigkeit bis 180 km/h beschleunigt worden sei, habe sich der Abstand vergrößert. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Angaben dieses Zeugen seien widersprüchlich, findet in der Aktenlage keine Deckung. Gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bestehen keine Bedenken. Daß der zweite Gendarmeriebeamte sich rund zwei Jahre nach der Tat an den Vorfall nicht mehr erinnern konnte, ist durchaus verständlich. Wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, ist es einem Gendarmeriebeamten auf Grund seiner Schulung ohne weiteres möglich, eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf die im gegenständlichen Fall angewendete Art und Weise richtig festzustellen. Es wurde nicht nur beim Überholen geschätzt, sondern auch nachgefahren. Die vom Beschwerdeführer beantragte Beiziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen erweist sich daher als überflüssig, ganz abgesehen davon, daß die Bekämpfung des Schuldspruches schon deshalb wenig verständlich ist, zumal der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren zugegeben hat, die Geschwindigkeit überschritten zu haben.

Mit der Frage, warum keine Notstandssituation im Sinne des § 6 VStG habe angenommen werden können, hat sich schon die Erstbehörde, aber insbesondere auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausreichend und schlüssig auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer hat nicht einmal zu behaupten versucht, es habe eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben seiner Ehegattin bestanden, was aber Voraussetzung gewesen wäre. Zum Wesen des Notstandes gehört auch, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht auf andere Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, insbesondere die zu § 6 VStG unter E 9, S. 580, wiedergegebene Judikatur). Es wäre dem Beschwerdeführer durchaus zumutbar gewesen, wenn seine Gattin wirklich eine so dringende ärztliche Hilfe benötigt hätte, nicht von Gleisdorf nach Klagenfurt noch rund 150 km zu ihrem Vertrauensarzt mit überhöhter Geschwindigkeit weiterzufahren, sondern unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit einen in der Nähe befindlichen Arzt (z.B. Krankenhaus in Graz) aufzusuchen. Einer neuerlichen Vernehmung des Vertrauensarztes der Ehegattin, der sich im übrigen an einen derartigen Vorfall bei seiner ersten Befragung nicht erinnern konnte, es wurden auch in der Folge nicht etwa vorhandene schriftliche Aufzeichnungen des Arztes über einen am Tattag erfolgten Besuch bei ihm vorgelegt, bedurfte es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht. Nur nebenbei sei bemerkt, daß der Beschwerdeführer die Behauptung, es sei eine Notstandssituation vorgelegen, nicht etwa bei seiner ersten Rechtfertigung aufstellte, sondern erst Monate danach.

Da sich somit die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von AmtspersonenÜberschreiten der Geschwindigkeitfreie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990030123.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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