TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/21 89/17/0011

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Veröffentlicht am 21.09.1990
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §3;
B-VG Art49 Abs1;
LAO Wr 1962 §70 Abs2 idF 1988/021;
LAONov Wr 1988 Art2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §48 Abs1 lita;
VwGG §48 Abs1 Z1 impl;
VwRallg;

Beachte

Besprechung in:ÖStZ 1991/435;

Betreff

A gegen Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 23. März 1988, Zl. MDR-Z 9/87, betreffend Wasser- und Abwassergebühren

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der als Gebührenbescheid bezeichneten Erledigung des Magistrates der Stadt Wien vom 5. September 1986 wurden gegenüber dem Beschwerdeführer für die Wasserabgabestelle in Wien 23, eine Wasserbezugsgebühr von S 20.521,--, eine Wasserzählergebühr von S 180,-- und eine Abwassergebühr von S 16.752,-- unter gleichzeitiger Abrechnung früherer und Vorschreibung neuer Teilzahlungsbeträge festgesetzt.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die unbelegte Vermutung des Beschwerdeführers, der Stand des bei ihm eingebauten Wasserzählers sei unrichtig gewesen, habe sich als unzutreffend erwiesen. Der nach Ansicht des Beschwerdeführers überhöht angezeigte Wasserbezug beruhe auch nicht auf einem Fehler des Wasserzählers, weil der vom Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 31 ausgebaute Wasserzähler überprüft und hiebei festgestellt worden sei, daß er eine Fehlergrenze von 5 v.H. auf oder ab nicht überschreite. Eine "Vorlage des Wasserzählers" sei nunmehr nicht mehr möglich, weil dieser bereits zerlegt sei. Dem Beschwerdeführer sei es aber freigestanden, den nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in seiner Obhut befindlichen Wasserzähler "durch einen eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen." Unter Zugrundelegung der mit Hilfe des Wasserzählers festgestellten Wasserbezugsmenge entspreche auch die festgesetzte Abwassergebühr dem Gesetz. Über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Herabsetzung der Abwassergebühr gemäß § 13 des Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes (KKG) sei in diesem Verfahren nicht zu entscheiden gewesen.

Der Beschwerdeführer bekämpfte diesen Bescheid zunächst mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 29. November 1988, B 1034/88-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.

Die vorliegende Beschwerde macht sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Festsetzung der Gebühren jeweils nur vom tatsächlichen (niedrigeren) Verbrauch, "im Recht nach § 13 KKG" sowie in seinem Recht auf Zurückweisung seiner Berufung, weil die erstinstanzliche Erledigung keinen Bescheidcharakter aufweise, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die Replik des Beschwerdeführers erwogen:

§ 70 WAO in der Fassung vor der Novelle LGBl. für Wien Nr. 21/1988 hatte folgenden Wortlaut:

"§ 70 (1) Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, daß die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

(2) Bei im Lochkartenverfahren oder in ähnlichen Verfahren hergestellten Ausfertigungen gilt die aufgedruckte Namensangabe als Unterschrift im Sinne des Abs. 1."

Mit der am 23. Juni 1988 im Landesgesetzblatt für Wien ausgegebenen WAO-Novelle LGBl. Nr. 21/1988 erhielt der § 70 Abs. 2 WAO folgende neue Fassung:

"(2) Ausfertigungen, die mittels einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage hergestellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter jener Dienststelle der Abgabenbehörde, um deren Erledigung es sich handelt, genehmigt."

Zufolge Art. II der in Rede stehenden WAO-Novelle gilt die Neufassung des § 70 Abs. 2 WAO auch für vor dem Inkrafttreten hergestellte Ausfertigungen. Diese Regelung erfaßt mangels ausdrücklicher gegenteiliger Anordnung nur jene vor dem Inkrafttreten hergestellten Ausfertigungen, hinsichtlich derer im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle noch keine rechtskräftige Berufungsentscheidung vorlag.

Wie auch die Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde zeigen, hält diese die Neufassung des § 70 Abs. 2 WAO durch die Novelle LGBl. Nr. 21/1988 wegen der im Art. II dieser Novelle enthaltenen rückwirkenden Inkraftretensbestimmung auch im Beschwerdefall für anwendbar. Sie leitet aus diesem Umstand offenbar ab, der der erstinstanzlichen Erledigung anhaftende Mangel, daß sie die Unterschrift des Genehmigenden auf der Urschrift nicht aufweist, sei durch die rückwirkende Änderung der Rechtslage saniert.

Bei dieser ihrer Rechtsansicht übersieht die belangte Behörde jedoch, daß der Verwaltungsgerichtshof einen mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Verwaltungsakt auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Rechtsaktes bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen hat. Die Berücksichtigung von Sachverhalts- oder Rechtsänderungen, die sich zwischen dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung und dem Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Gerichtshofes ereignen, durch den Verwaltungsgerichtshof ist in den Fällen einer gesetzlichen Rückwirkungsanordnung der hier vorliegenden Art ausgeschlossen (vgl. hiezu Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S 142, sowie beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 1. Dezember 1987, Zl. 86/16/0008, vom 3. Juli 1986, Zl. 86/08/0063, und vom 2. März 1956, Slg. Nr. 1374/F).

Ist aber nach dem Gesagten die erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetretene Änderung der Rechtslage durch die WAO-Novelle LGBl. Nr. 21/1988 unberücksichtigt zu lassen, so ist im Beschwerdefall die Bestimmung des § 70 WAO in der Fassung v o r der in Rede stehenden Novelle Prüfungsmaßstab dafür, ob die erstinstanzlichen Gebührenfestsetzungen Bescheidcharakter aufweisen oder nicht. Die Rechtslage stellt sich jedoch in diesem Fall nicht anders dar als im Falle des hg. Erkenntnisses vom 20. Juni 1986, Zl. 85/17/0075, zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 73 der NÖ. Abgabenordnung 1977, auf welches Erkenntnis zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 43 Abs. 2 VwGG).

Aus den dargestellten Erwägungen folgt, daß die Berufung des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzliche Erledigung ebenso wie im Falle des zitierten Bezugserkenntnisses mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes hätte zurückgewiesen werden müssen. Statt dessen hat die belangte Behörde als Berufungsbehörde die erstinstanzliche Gebührenfestsetzungen im Berufungsbescheid bestätigt. Dadurch hat die belangte Behörde aber ihren Bescheid selbst mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet. Ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf die sonstigen Rechtsrügen des Beschwerdeführers einzugehen, war infolgedessen der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bemerkt sei aber, daß auch das Beweisverfahren der Abgabenbehörden insofern einen wesentlichen Mangel aufweist, als das einzige Beweismittel - nämlich der maßgebende Wasserzähler - noch im Laufe des Abgabenverfahrens ohne Dazutun des Beschwerdeführers zerlegt und an einer anderen Wasserabgabestelle installiert worden ist; dadurch wurde der Beschwerdeführer zu Unrecht gehindert, das gemeinsame Beweismittel auch seinerseits auszuschöpfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Stempelgebührenersatz war nur für die erforderlichen ZWEI anstelle der tatsächlich eingebrachten DREI Beschwerdeausfertigungen zuzuerkennen.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989170011.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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