TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/24 90/19/0184

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Veröffentlicht am 24.09.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs6;
AAV §93 Abs5;
BArbSchV §1;
BArbSchV §19 Abs4;
BArbSchV §2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

N. gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 3. Jänner 1990, Zl. Ge-40.391/4-1989/Pan/Lb, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 1. Dezember 1988 wurde gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 von der Fortführung des gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer wegen des Vorwurfes einer Übertretung nach § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, (AschG) in Verbindung mit § 46 Abs. 6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, BGBl. Nr. 218/1983, eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens abgesehen und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

2. Der dagegen vom Arbeitsinspektorat für den

9. Aufsichtsbezirk erhobenen Berufung vom 23. Jänner 1989 gab der Landeshauptmann von Oberösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 3. Jänner 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 und § 31 Abs. 2 lit. p ASchG insofern Folge, "als der angefochtene Bescheid behoben und in nachstehendes Straferkenntnis abgeändert wird:

Herr K., wh. L., S.-Straße, hat als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. Gesellschaft mbH in L., S.-Straße, die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der K. GmbH & Co. KG in L., S.-Straße, ist und damit als Arbeitgeber und gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ der K. Gesellschaft mbH & Co. KG in L., S.-Straße, zu verantworten, daß am 3.8.1988 auf der Baustelle in L., Wohnanlage E.-Straße, 3 Arbeitnehmer der o.a. Firma mit Verputzarbeiten auf einem einfachen Leitergerüst beschäftigt waren, wobei dieses Leitergerüst insoferne mangelhaft war, als die vorgeschriebene Mittelwehr fehlte.

Herr K. hat dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 46 Abs. 6 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983, i.d.g.F. begangen.

Gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, i.d.g.F. i.V.m. § 100 AAV wird über den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- verhängt.

Zur Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß weder die objektive noch die subjektive Tatseite bestritten worden sei; lediglich das Verhältnis des § 19 Abs. 4 der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, (BSchV) und des § 46 Abs. 6 AAV zueinander sei zu klären. Aus § 2 BSchV und § 93 Abs. 5 AAV sei ersichtlich, daß die Normen der AAV im Anwendungsbereich der BSchV subsidiär Geltung hätten. § 19 Abs. 4 BSchV regle lediglich das Anbringen von Fuß- und Brustwehr; den Begriff der Mittelwehr kenne diese Norm nicht. Demnach gebe es bezüglich der Mittelwehr keine besondere Regelung i.S. des § 2 BSchV. Entsprechend dieser Vorschrift gelte sohin für das Anbringen von Mittelwehren die subsidiäre Regelung der AAV. Da § 46 Abs. 6 AAV für Gerüste eine Mittelwehr vorsehe, sei auch eine solche anzubringen. Folglich liege im gegenständlichen Fall eindeutig ein Verstoß gegen § 46 Abs. 6 AAV vor, da das Fehlen der Mittelwehr nicht bestritten worden sei. Ebensowenig sei die Verantwortung des Beschwerdeführers bestritten worden, sodaß die Verhängung einer Geldstrafe über diesen gerechtfertigt sei. (Die weitere Begründung befaßt sich mit der Strafzumessung).

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 2 BSchV gelten bei den unter den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Arbeiten, sofern im nachstehenden nicht anderes bestimmt wird, auch die einschlägigen Vorschriften der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 265/1951, in der jeweils geltenden Fassung.

Soweit in anderen Rechtsvorschriften auf die Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 265/1951, hingewiesen wird, bezieht sich zufolge des § 93 Abs. 5 AAV dieser Hinweis nunmehr auf die Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung und auf den nicht durch diese Verordnung außer Kraft gesetzten Teil der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung.

Nach § 19 Abs. 4 erster Satz BSchV sind Gerüstlagen in Höhen von mehr als 2 m über dem Erd- oder Geschoßboden dort, wo Absturzgefahr besteht, mit Brustwehren und, mit Ausnahme der einfach gestellten Leitergerüste, mit Fußwehren zu versehen.

§ 46 Abs.6 AAV ordnet an, daß Gerüstbeläge, die über Gewässern liegen oder von denen Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen können, mit Brust- und Fußwehren gesichert sein müssen; dies gilt auch für Öffnungen im Gerüstbelag. Zwischen Brust- und Fußwehr muß eine Mittelwehr so angebracht sein, daß der lichte Abstand zwischen jeweils zwei Teilen der Umwehrung nicht mehr als 0,40 m beträgt.

2.1. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde die in Ansehung einfach gestellter Leitergerüste bestehende Eigenschaft des § 19 Abs. 4 BSchV als Spezialnorm im Verhältnis zu § 46 Abs. 6 AAV verkannt habe. Im Hinblick auf dieses Verhältnis der beiden genannten Normen zueinander sei für einfach gestellte Leitergerüste ausschließlich § 19 Abs. 4 BSchV anzuwenden, wonach solche Gerüste weder mit Fuß- noch mit Mittelwehren ausgestattet sein müßten.

2.2. Nach dem Wortlaut des § 2 BSchV (arg.: "auch") in Verbindung mit § 93 Abs. 5 AAV sind bei den unter den Geltungsbereich der BSchV fallenden Arbeiten (vgl. deren § 1) grundsätzlich die einschlägigen Vorschriften der AAV zusätzlich zu denen der BSchV anzuwenden. Dieser Grundsatz steht unter dem Vorbehalt, daß im nachstehenden, d.h. in den weiteren, dem § 2 BSchV folgenden Bestimmungen dieser Verordnung nicht anderes bestimmt, also die Anwendung "auch" der AAV ausgeschlossen wird.

2.3. Gerüstlagen (Gerüstbeläge), bei denen eine Absturzgefahr aus mehr als 2 m besteht, müssen insgesamt mit einer Brustwehr und einer Fußwehr, dies nach § 19 Abs. 4 BSchV, sowie mit einer Mittelwehr, dies nach § 46 Abs. 6 AAV, versehen sein. Verzichtet § 19 Abs. 4 BSchV bei einfach gestellten Leitergerüsten auf die Fußwehr, dann bedeutet das nicht, daß auch eine Mittelwehr nicht angebracht sein muß. § 19 Abs. 4 BSchV nennt keine Mittelwehr; es kann deshalb aus der Formulierung, "Gerüstlagen ... sind ... mit Brustwehren und, mit Ausnahme der einfach gestellten Leitergerüste, mit Fußwehren zu versehen", nicht auf den Wegfall dieser nach § 46 Abs. 6 AAV geforderten Wehr geschlossen werden.

3. Dennoch ist der angefochtene Bescheid - ohne daß es erforderlich wäre, auch noch auf die Frage des bestrittenen Verschuldens einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, weil sein Spruch keine Aussage darüber enthält, daß es sich um einen Gerüstbelag handelte, der über einem Gewässer lag oder von dem Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen konnten.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 540,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 60,--, Vollmachtgebühr S 120,--) zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190184.X00

Im RIS seit

24.09.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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