TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/25 90/05/0064

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Veröffentlicht am 25.09.1990
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland;
L81701 Baulärm Burgenland;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82201 Aufzug Burgenland;
L82251 Garagen Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §56;
AVG §73 Abs2;
BauO Bgld 1969 §93 Abs2;
VwRallg;
ZustG §16;

Betreff

N gegen Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 15. Februar 1990, Zl. X-L-6/1-1990, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister):

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 24. April 1989 ersuchte der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung der Baubewilligung für einen Gastgewerbebetrieb durch Umbau des bestehenden erdgeschoßigen Objektes sowie Zubau an den Altbau auf dem Grundstück Nr. 370/1, EZ 1088 KG X. Mit Schreiben vom 24. April 1989 teilte der Bürgermeister dem Beschwerdeführer mit, daß sein Bauansuchen erst dann einer Erledigung zugeführt werde, wenn die Raumplanungsbehörde und die Naturschutzbehörde über das Ansuchen entschieden haben. In der Verhandlung vom 22. August 1989 stellte der Verhandlungsleiter fest, daß für das Bauvorhaben ein Bauplatzerklärungsbescheid nicht vorliege. Der Vertreter des Beschwerdeführers brachte dazu vor, daß das Grundstück Nr. 370/1 KG X mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 29. April 1982, Zl. 10/2/82, nach der geltenden Burgenländischen Bauordnung rechtskräftig zum Bauplatz erklärt worden sei und dieser Bescheid dem gegenständlichen Bauakt angeschlossen sei. Eine zweite Bauplatzerklärung sei daher nicht erforderlich. Für den Fall, daß eine zweite Bauplatzerklärung konkret für das gegenständliche Bauvorhaben erforderlich sein sollte, stellte er in eventu den Antrag, eine derartige Bauplatzerklärung vor Erteilung dieser Baubewilligung zu erlassen. Weiters findet sich in der Niederschrift über die Verhandlung der Satz "somit wurde die heutige Baukommission abgewiesen". Am 22. September 1989 langte beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde ein Devolutionsantrag, gerichtet an den Gemeinderat der Gemeinde X betreffend die Baubewilligung ein. In diesem Antrag wurde ausgeführt, gemäß § 93 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung hätte der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz binnen drei Monaten mit schriftlichem Bescheid über das Bauansuchen zu entscheiden gehabt, die Frist sei bereits am 25. Juli 1989 abgelaufen. Eine Entscheidung über das Ansuchen liege gleichwohl noch nicht vor; demgemäß seien die Rechtsfolgen des § 73 AVG eingetreten. Überdies wurde in diesem Antrag auch darauf hingewiesen, daß bereits mit Bescheid vom 29. April 1982 das gegenständliche Grundstück zum Bauplatz erklärt wurde und dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

Mit dem mit 22. September 1989 datierten Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde wurde das Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß für die Erteilung der angestrebten Baubewilligung für die vorgesehenen Neu-, Zu- und Umbauten eine Bauplatzerklärung erforderlich sei. Der Bauwerber habe seinem Ansuchen weder den Nachweis der Bauplatzerklärung angeschlossen, noch gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung um die erforderliche Bauplatzerklärung unter Anschluß der hiezu erforderlichen Unterlagen angesucht. Auf den Eventualantrag des Bauwerbers in der Bauverhandlung vom 22. August 1989, vor Erteilung der Baubewilligung einen Bauplatzerklärungsbescheid zu erlassen, habe nicht mehr eingegangen werden können, weil dieser Antrag im Baubewilligungsverfahren nicht mehr gestellt werden könne. Der Hinweis des Beschwerdeführers, für das Grundstück liege ein Bauplatzerklärungsbescheid vom 29. April 1982 bereits vor, sei ebenfalls verfehlt. Abgesehen davon, daß für das gegenständliche Bauvorhaben kein Bauplatzerklärungsbescheid vorliege, fehlten im Bauplatzerklärungsbescheid vom 29. April 1982 alle Bestimmungen, die in einem derartigen Bescheid gemäß § 13 BauO enthalten sein müßten. Der Bescheid vom 29. April 1982 habe auch aus diesem Grunde dem gegenständlichen Bauansuchen nicht zugrundegelegt werden können.

Der Bescheid vom 22. September 1989 wurde dem Beschwerdeführer zuhanden seines ausgewiesenen Vertreters am 25. September 1989 zugestellt, einem Nachbarn wurde dieser Bescheid nach der Aktenlage bereits am 22. September 1989 zugestellt.

Die gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachte Berufung, in der der Beschwerdeführer auch auf die Unzuständigkeit des Bürgermeisters im Hinblick auf den gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 eingebrachten Antrag hinwies, wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 21. Dezember 1989 unter Punkt 1 ab. Mit demselben Bescheid wurde unter Punkt 2 der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 15. Februar 1990 ab. Auf die Frage der Zuständigkeit des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz wurde nicht eingegangen. Im wesentlichen schloß sich die Aufsichtsbehörde der auf Gemeindeebene vertretenen Rechtsansicht an, wonach eine Bauplatzerklärung nicht vorliege und einem erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Eventualantrag auf Erteilung der Bauplatzerklärung nicht stattgegeben werden konnte, weil er nicht "gleichzeitig" mit dem Bauansuchen im Sinne des § 90 Abs. 1 Z. 4 der Burgenländischen Bauordnung gestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 93 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970, lautet:

"(2) Über ein Ansuchen gemäß § 90 ist binnen drei Monaten mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden. Wird diese Frist nicht eingehalten, tritt die Rechtsfolge nach § 73 AVG 1950 ein."

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. geht, wenn der Partei innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des Antrages bei der Behörde der Bescheid nicht zugestellt wird, auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Liegen die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag vor (Nichterledigung eines Antrages durch hier - drei Monate), so geht MIT dem Einlangen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag an diese Behörde über. Ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde, unabhängig davon, ob die Unterbehörde tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG 1950 war, rechtswidrig (vgl. das Erkenntnis vom 22. September 1983, Zl. 83/08/0058, mit weiteren Judikaturhinweisen), es sei denn, der Devolutionsantrag wäre gemäß § 73 Abs. 2 letzter Satz leg. cit. bereits vor der Bescheiderlassung rechtzeitig abgewiesen worden.

Im Beschwerdefall war nun im Zeitpunkt des Einlangens des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers beim Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde am 22. September 1989 die Dreimonatsfrist des § 93 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung abgelaufen. Mit dem Einlangen des Devolutionsantrages ging daher die Zuständigkeit zur Erledigung des Bauansuchens an den Gemeinderat über. Mit demselben Zeitpunkt war eine Zuständigkeit des Bürgermeisters zur Erlassung des Bescheides nicht mehr gegeben. Der Bescheid ist mit seiner Zustellung erlassen. Obwohl der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer erst am 25. September 1989 zugestellt wurde, wurde er doch einem Nachbarn (Josef K) laut Rückschein bereits am 22. September 1989 zugestellt. Allerdings handelte es sich dabei um eine Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustellG, ob allenfalls die Voraussetzungen des § 16 Abs. 5 dieses Gesetzes vorlagen (Abwesenheit von der Abgabestelle, sodaß der Empfänger nicht rechtzeitig Kenntnis vom Zustellvorgang erlangen konnte), bzw. wann die Zustellung als bewirkt anzusehen war, geht aus dem Akt nicht hervor. Der Bescheid wurde daher möglicherweise bereits am 22. September 1989, dem Datum, das der Bescheid auch trägt, erlassen. Ob die Zustellung des Bescheides an den Nachbarn VOR Einlangen des Devolutionsantrages erfolgte, kann dem Akt nicht entnommen werden. Die Aktenlage läßt daher keine Beurteilung zu, ob der Bürgermeister noch zur Bescheiderlassung zuständig war.

Der im Bescheid des Gemeinderates vertretenen Rechtsansicht, die Baubehörde erster Instanz habe schon in der Verhandlung vom 22. August 1989 mit der Verkündung des mündlichen Bescheides das Bauansuchen des Beschwerdeführers abgewiesen ("somit wurde die heutige Baukommission abgewiesen"), kann schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil gemäß § 93 Abs. 2 BO über ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden ist. Da die Behördenzuständigkeit jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen ist, hätte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde demnach ermitteln müssen, ob der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vor oder nach Zustellung des Bescheides vom 22. September 1989 an den Bescheidadressaten Josef K eingelangt war. Daraus hätte sich dann ergeben, ob der Gemeinderat inhaltlich über die Berufung abzusprechen oder den Bescheid des Bürgermeisters wegen Unzuständigkeit zu beheben und selbst über das Baubewilligungsansuchen abzusprechen hatte.

Da nicht auszuschließen ist, daß der Gemeinderat bei Durchführung der erforderlichen Erhebungen zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, die belangte Behörde aber verkannt hat, daß das Verfahren auf Gemeindebene in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Kostenbegehrens auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelZeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenRechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050064.X00

Im RIS seit

25.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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