TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/26 90/02/0047

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Veröffentlicht am 26.09.1990
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AtemalkoholmeßgeräteV;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §49;
AVG §50;
MRK Art5;
MRK Art6;
StVO 1960 §20 Abs2 idF 1975/402;
StVO 1960 §5 Abs1 idF 1986/105;
StVO 1960 §5 Abs2a litb idF 1986/105;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 23. Jänner 1990, Zl. MA 70-11/585/89/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 7. Mai 1988 um

23.38 Uhr auf einer näher bezeichneten Straßenstrecke im

1. Wiener Gemeindebezirk mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten und das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Er habe dadurch Übertretungen nach § 20 Abs. 2 und nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde nahm die Begehung der beiden Taten durch den Beschwerdeführer als erwiesen an, weil zwei Sicherheitswachebeamte als Zeugen übereinstimmend mit der Anzeige aussagten, sie seien mit einem Streifenwagen dem vom Beschwerdeführer gelenkten Kfz auf einer Strecke von ungefähr 300 m in gleichbleibendem Abstand mit einer Geschwindigkeit von etwa 95 km/h gefolgt. Sie hätten nach der Anhaltung des Beschwerdeführers bei diesem Alkoholisierungssymptome festgestellt. Eine anschließend durchgeführte Atemluftprobe habe Werte von 0,43 bzw. 0,4 mg/l erbracht.

1. Offenbar in Bezugnahme auf beide ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen macht der Beschwerdeführer geltend, daß ihm keine Möglichkeit gegeben worden sei, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen, was Art. 6 MRK verletze. Bei den Zeugenvernehmungen seien Suggestivfragen gestellt worden, die geeignet gewesen wären, die Unbefangenheit des Leiters der Amtshandlung in Zweifel zu ziehen.

Abgesehen davon, daß die Durchführung der vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren auf Grund des zu Art. 5 MRK erhobenen Vorbehaltes der Republik Österreich nicht den Verfahrensgarantien des Art. 6 MRK unterliegt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. November 1984, Slg. Nr. 10.236), entspricht es dem Gesetz, einen Zeugen in Abwesenheit des Beschuldigten zu vernehmen, dem Beschuldigten diese Aussagen in geeigneter Form zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1964, Slg. Nr. 6396/A).

Aus den Niederschriften über die Vernehmungen der beiden Sicherheitswachebeamten als Zeugen ergibt sich nicht, welche Fragen den Zeugen gestellt worden sind; die Niederschriften geben nur den Inhalt der Aussagen der Zeugen wieder. Wenn sich der Beschwerdeführer mit seinem Vorwurf, es seien "Suggestivfragen" gestellt worden, darauf bezieht, daß der Zeuge Inspektor A am 29. November 1988 ausgesagt hat, ihm sei die von ihm (etwas über ein halbes Jahr vorher) verfaßte Anzeige vorgelesen worden, deren Richtigkeit er bestätige, so war der Zeuge doch vor Beginn der Vernehmung über deren Gegenstand zu unterrichten. Es ist auch durchaus zulässig, in - den §§ 49 und 50 VStG 1950 entsprechend durchgeführten - Zeugenaussagen auf frühere Äußerungen, insbesondere auf die Anzeige, Bezug zu nehmen (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 1986, Zl. 85/18/0148). Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer auch eine - im übrigen in Ansehung ihrer Auswirkungen nicht näher konkretisierte - wesentliche Befangenheit des die Zeugenvernehmung durchführenden Behördenorgans nicht darzutun. In diesem Zusammenhang ist das Beschwerdevorbringen, der gegenständliche Vorfall sei den Zeugen nicht in einer solchen Art und Weise vorgehalten worden, daß sich die Zeugen zum Zeitpunkt der Vernehmung an den bereits lange zurückliegenden Vorfall nicht ohne weiters hätten erinnern können, nicht verständlich. Den Zeugen wurde im Gegenteil nach der Aktenlage der Vorfall in einer Weise in Erinnerung gerufen, die sie in die Lage versetzte, die gewünschten Auskünfte zu geben.

2. Lediglich im Zusammenhang mit der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 führt der Beschwerdeführer aus, das Ergebnis der mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 durchgeführten Atemluftprobe sei unrichtig. Eine Widerlegung des mit einem derartigen Gerät erzielten Untersuchungsergebnisses müsse zulässig sein.

Dazu ist der Beschwerdeführer zunächst auf den Wortlaut des § 5 Abs. 1 StVO 1960 zu verweisen, wonach der Gesetzgeber bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber von der Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses ausgeht. Ein mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 erzieltes Ergebnis macht Beweis über die Alkoholbeeinträchtigung. Der Gesetzgeber ist dabei grundsätzlich von der Tauglichkeit solcher Meßgeräte ausgegangen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1989, Zl. 89/02/0039). Dem Beschwerdeführer sind aber weiters die Bestimmungen der Abs. 4a und 7 lit. a des § 5 StVO 1960 entgegenzuhalten, nach denen er zur Widerlegung des Ergebnisses einer vorgenommenen Atemluftprobe mit einem Gerät nach § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 die Vornahme einer Blutabnahme und -alkoholmessung hätte verlangen können. Der Gesetzgeber hebt den Anspruch des einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 Verdächtigen auf eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes bei Ergebnissen im Grenzbereich von 0,4 bis 0,5 mg/l im Abs. 4b sogar besonders hervor. Es wäre daher am Beschwerdeführer gelegen gewesen, durch ein derartiges Verlangen die behauptete Unrichtigkeit des Meßergebnisses zu belegen. Sein diesbezügliches Beschwerdevorbringen ist daher ebenfalls unbegründet.

Zur Behauptung des Beschwerdeführers, das im Verwaltungsstrafakt mit "W 288" bezeichnete Gerät zur Messung des Alkoholgehaltes der Atemluft habe nicht der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, BGBl. Nr. 106/1987, entsprochen, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 8 VwGG eine Stellungnahme der belangten Behörde eingeholt. Darin wurde ausgeführt, daß es sich bei dem in Rede stehenden Gerät um eines des Herstellers X AG mit der Gerätebezeichnung "Alcomat M 52052/A 15" und damit um ein solches im Sinne des § 1 lit. b der zitierten Verordnung gehandelt habe. Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund dieses Vorbringens von dessen Richtigkeit aus, zumal das Gerät im Verwaltungsstrafakt als "Alcomat" bezeichnet wird und diese Bezeichnung nur auf von der X AG hergestellte Geräte zutrifft (die anderen im § 1 der zitierten Verordnung angeführten Geräte weisen die Bezeichnungen "Alcometer" bzw. "Alcotest" auf). Bei der Bezeichnung "W 288" handelt es sich offenbar um eine Inventarnummer oder um ähnliches.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beweismittel Zeugenbeweis GegenüberstellungParteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenBeweismittel Zeugenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990020047.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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