TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/26 89/13/0265

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Veröffentlicht am 26.09.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
13/03 Sonstige Angelegenheiten der Staatsvertragsdurchführung
Sonstige Kriegsfolgen;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §825;
BAO §200 Abs1;
BAO §200 Abs2;
BAO §77 Abs1;
Erfassung bestimmter Vermögenswerte 1976 §13 Abs1;
Erfassung bestimmter Vermögenswerte 1976 §14 Z1;
Erfassung bestimmter Vermögenswerte 1976 §20 Abs1;
KStG 1966 §1 Abs1 Z5;
KStG 1966 §4;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/13/0094 Besprechung in: ÖStZB 1991, 188;

Betreff

Beschwerden der S 1. gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Oktober 1989, Zl. 6/2-2005/86-02, betreffend Zurückweisung von Berufungen, und

2. gegen den Bescheid derselben belangten Behörde vom 14. März 1990, Zl. 6/2-230/89-02, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erlassung endgültiger Körperschaftsteuerbescheide

Spruch

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 7.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

An der ESW-KG war die Beschwerdeführerin, eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft, als Komplementärin mit 51 % und die Vereins-AG mit dem Sitz in Prag mit 49 % als Kommanditist beteiligt.

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde das Vermögen der Vereins-AG vom tschechoslowakischen Staat "nationalisiert". Die österreichischen Gerichte anerkannten die Nationalisierung (als Vermögensentzug) hinsichtlich des im Inland gelegenen Vermögens jedoch nicht und bestellten zum Schutz der unbekannten Personen, denen Rechte an diesem Vermögen zukommen, gemäß § 276 ABGB einen Abwesenheitskurator. Diesen Kurator ermächtigte das Pflegschaftsgericht in den Jahren 1970, 1972 und 1976, die Beschwerdeführerin mit (zuletzt) 23,9015 % als Miteigentümerin des in Österreich gelegenen Vermögens der Vereins-AG anzuerkennen.

Ein nach dem Bundesgesetz vom 13. Dezember 1976, BGBl. Nr. 713, mit dem bestimmte Vermögenswerte erfaßt und abgewickelt werden (im folgenden kurz "Vermögensabwicklungsgesetz" bezeichnet), durchgeführtes Verfahren erbrachte im Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 die Feststellung, daß der Beschwerdeführerin neben den schon erwähnten 23,9015 % weitere 65,4485 % am inländischen Vermögen der Vereins-AG zustehen; die restlichen 10,65 % Miteigentumsanteile gingen im Hinblick auf eine Vereinbarung mit der Finanzprokurator auf die Beschwerdeführerin über. In Durchführung des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien kam es auf Grund eines Beschlusses des Kreis- als Handelsgericht Wels vom 11. Dezember 1984 im Handelsregister bei der ESW-KG zu der Eintragung, daß alle Miteigentumsanteile an dem Anteil der Kommanditistin "Vereins-AG" der persönlich haftenden Beschwerdeführerin zustehen. Die Kommanditistin sei daher ausgeschieden, die Kommanditgesellschaft aufgelöst. Die ESW wurden nach den Feststellungen der belangten Behörde im erstangefochtenen Bescheid in der Folge als inländische Betriebsstätte der Beschwerdeführerin fortgeführt und dann mit Sacheinlagevertrag vom 25. April 1985 in eine inländische Kapitalgesellschaft unter Inanspruchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen des Strukturverbesserungsgesetzes rückwirkend ab 1. Jänner 1985 eingebracht.

Nach weiteren Feststellungen der belangten Behörde im erstangefochtenen Bescheid und nach der Aktenlage veranlagte das Finanzamt für Körperschaften in Wien die durch die entschädigungslose Enteignung der Aktionäre der Vereins-AG entstandene Gemeinschaft bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung "Berechtigte am Kommanditanteil der ESW" als nicht rechtsfähiges Zweckvermögen gemäß § 4 KStG 1966 zur Körperschaftsteuer, wobei der (gewerbliche) Gewinnanteil des Kommanditisten abzüglich der entsprechend den Beschlüssen des Pflegschaftsgerichts auf die Beschwerdeführerin entfallenden Anteile und die außerhalb der KG von den unbekannten Berechtigten erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert wurden.

Mit Schriftsatz vom 30. Jänner 1985 stellten die ESW namens der Beschwerdeführerin betreffend die "unbekannten Berechtigten am Kommanditanteil der ESW" den Antrag, die seit 1965 mit Ausnahme der Jahre 1975 und 1976 vorläufig erlassenen Körperschaftsteuerbescheide gemäß § 200 Abs. 2 BAO durch endgültige Bescheide zu ersetzen und im Hinblick auf den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 bei der Erlassung der endgültigen Bescheide dem Umstand Rechnung zu tragen, daß hinsichtlich des Sondervermögens des Vereines die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes für beschränkt Steuerpflichtige rückwirkend zum Tragen kämen und demnach die Einkünfte aus Kapitalvermögen keiner Körperschaftsteuerpflicht unterliegen würden.

Mit Bescheid vom 13. März 1985 - gerichtet an die "unbekannten Berechtigten am Kommanditanteil der ESW" zu Handen der ESW-KG - gab das Finanzamt für Körperschaften in Wien diesem Antrag teilweise statt. Es erklärte die gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassenen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1970-1973 bzw. 1978 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig. Im übrigen wies es den Antrag als unbegründet ab. Begründend führte es unter anderem aus, daß hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide 1965 bis 1969 bereits absolute Verjährung eingetreten und der Körperschaftsteuerbescheid 1974 bereits mit Bescheid vom 30. Juni 1976 für endgültig erklärt worden und somit in Rechtskraft erwachsen sei. Hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide 1970-1973 bzw. 1978 legte das Finanzamt dar, daß dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 konstitutive Wirkung zukomme und daher erst mit diesem Stichtag hinsichtlich des Sondervermögens des Vereines die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes für beschränkt Steuerpflichtige zum Tragen kämen.

Mit Bescheiden vom 11. März 1985 erklärte das Finanzamt weiters die vorläufigen Körperschaftsteuerbescheide 1979-1983 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig.

Unter dem Datum 21. März 1985 wurden gemäß § 295 BAO geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 1975 und 1976 sowie ein gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültiger Körperschaftsteuerbescheid für 1977 erlassen.

Die Bescheide vom 11. und 21. März 1985 waren jeweils an die "Berechtigten am Kommanditanteil" zu Handen der ESW bzw. der ESW-KG gerichtet.

Gegen alle vorstehend angeführten Bescheide brachten die ESW mit Schriftsätzen vom 3. April 1985 jeweils das Rechtsmittel der Berufung ein.

Die belangte Behörde wies die Berufungen mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 1989 gemäß § 273 in Verbindung mit § 278 BAO zurück. Begründend legte sie dar, daß das vom Finanzamt unter der Bezeichnung (unbekannte) Berechtigte am Kommanditanteil der ESW als nicht rechtsfähiges Zweckvermögen gemäß § 4 KStG 1966 veranlagte Körperschaftsteuersubjekt mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 zu bestehen aufgehört habe und mit diesem Zeitpunkt auch die für die unbekannten Aktionäre der Vereins-AG bestellte Abwesenheitskuratel erloschen sei. Die vom Finanzamt für Körperschaften am 11. und 13. sowie am 21. März 1985 erstellten "Bescheide", welche an ein nicht (mehr) existierendes Körperschaftsteuersubjekt gerichtet gewesen und an eine bereits aufgelöste Kommanditgesellschaft zugestellt worden seien, gingen daher ins Leere. Diese Erledigungen hätten daher auch keine Rechtswirkungen entfalten können.

Die von der ESW im eigenen Namen gegen diese Erledigungen eingebrachten Berufungen vom 3. April 1985 seien zwar nach Auffassung der belangten Behörde infolge des Umstandes, daß der Antrag vom 30. Jänner 1985 namens der Beschwerdeführerin eingebracht worden sei, die ESW zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufungen als inländische Betriebsstätte der Beschwerdeführerin anzusehen gewesen wären und schließlich die Beschwerdeführerin in der Säumnisbeschwerde vom 26. Oktober 1988 (zur hg. Zl. 88/13/0194) diese Berufungen als ihre erklärt habe, als von der Beschwerdeführerin eingebracht anzusehen. Die Berufungen seien aber nach dem Gesagten nicht gegen Bescheide gerichtet und wären deshalb gemäß § 273 Abs. 1 BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Im übrigen sei anzumerken, daß selbst dann, wenn es sich bei den fraglichen Erledigungen des Finanzamtes um Bescheide gehandelt hätte, die gegenständlichen Berufungen mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin zurückzuweisen gewesen wären, weil nach § 246 Abs. 1 BAO zur Einbringung einer Berufung niemand befugt sei, an den der Bescheid nicht ergangen sei. Die Erledigungen des Finanzamtes wären jedoch an die (unbekannten) Berechtigten am Kommanditanteil der ESW gerichtet gewesen und nicht an die Beschwerdeführerin.

Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 1989 begehrte die Beschwerdeführerin gemäß § 311 Abs. 2 BAO die Entscheidung über ihren schon erwähnten Antrag vom 30. Jänner 1985 durch die belangte Behörde. Da die über diesen Antrag absprechenden Bescheide des Finanzamtes ins Leere gegangen seien, wäre der Antrag nach wie vor unerledigt.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auch den Antrag vom 30. Jänner 1985 als unzulässig zurück. Das Handelsgericht Wien habe mit Beschluß vom 3. Mai bzw. 23. November 1977 nach §§ 6 ff Vermögensabwicklungsgesetz das Verfahren über die Vermögenswerte der Vereins-AG eröffnet und einen Verwalter bestellt. Da gemäß § 8 Abs. 1 Vermögensabwicklungsgesetz auf den nach Eröffnung des Feststellungsverfahrens vom Gericht bestellten Verwalter die §§ 80 bis 86, 125 und 126 der Konkursordnung sinngemäß anzuwenden seien, hätte der Verwalter als gesetzlicher Vertreter der steuerpflichtigen Vermögensmasse gemäß § 80 Abs. 1 BAO die diese treffenden abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen und sei befugt gewesen, die dieser zustehenden Rechte wahrzunehmen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Vermögensabwicklungsgesetzes (305 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIV.GP) werde zu § 8 Vermögensabwicklungsgesetz weiters ausgeführt, daß nach Übergabe der Vermögenswerte an den gerichtlich bestellten Verwalter bestehende öffentliche Verwaltungen von Amts wegen aufzuheben seien, weil alle Rechte und Pflichten des öffentlichen Verwalters auf den gerichtlich bestellten Verwalter übergingen. Nach § 6 Abs. 1 Verwaltergesetz 1952, BGBl. Nr. 100/53, übten die öffentlichen Verwalter alle Rechte und Pflichten des Verfügungsberechtigten (der Organe) aus und würden das Unternehmen nach außen vertreten. Nach Auffassung der belangten Behörde sei daher der jeweils gerichtlich bestellte Verwalter ausschließlich zur Vertretung des Steuerrechtssubjektes (unbekannte) Berechtigte am Kommanditanteil der ESW-KG legitimiert gewesen. Daraus folge aber, daß die Beschwerdeführerin bzw. die ESW namens der Beschwerdeführerin keineswegs berechtigt gewesen seien, im eigenen Namen für die "unbekannten Berechtigten am Kommanditanteil der ESW" (steuerpflichtige Vermögensmasse) einzuschreiten bzw. Anträge zu stellen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen beide Bescheide der belangten Behörde Beschwerde und machte darin jeweils inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerden erwogen:

I.1. Die Nationalisierung einer ausländischen Aktiengesellschaft bedeutet für den inländischen Bereich den Wegfall ihrer Rechtspersönlichkeit und bewirkt, daß an die Stelle der Gesellschaft eine communio incidens der früheren Aktionäre tritt, die zwar im Inland die Gesellschaft nicht fortsetzen, wohl aber als Miteigentümer des inländischen Vermögens zu behandeln sind und demnach gemäß der ihnen am Hauptstamm zustehenden Quotenbeteiligung verfügen können (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Februar 1974, Zl. 1423/72, und die dort zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes). Solche Zufallsgemeinschaften im Sinne des § 825 ABGB (Gamerith in Rummel, ABGB-Kommentar2, § 825 Rz 10) konnten aus bekannten und unbekannten Gemeinschaftern bestehen (siehe z.B. OGH 10. November 1954, 3 Ob 692/54; 23. Jänner 1968, 8 Ob 2/68; 24. April 1968, 6 Ob 84/68). Waren die Gemeinschafter bekannt, so konnten ihnen auch die Einkünfte aus dem inländischen Vermögen im Sinne des § 4 KStG 1966 unmittelbar zugerechnet und damit bei ihnen versteuert werden. Das Vermögen der unbekannten Gemeinschafter bildete hingegen entsprechend dem hg. Erkenntnis Zl. 1423/72 ein nicht rechtsfähiges Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 5 und des § 4 KStG 1966 (im folgenden nur noch als "Zweckvermögen" bezeichnet).

Im Beschwerdefall bestand zunächst eine communio incidens nur unbekannter Gemeinschafter (OGH 14. Jänner 1953, 3 Ob 773/52). Das Inlandsvermögen stellte daher vorerst zur Gänze Zweckvermögen dar, für das (dessen Gemeinschafter) ein Abwesenheitskurator im Sinne des § 276 ABGB bestellt war (siehe die den Beschwerdefall betreffenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 14. Jänner 1953, 3 Ob 773/52, vom 6. April 1965, 4 Ob 38/65, und vom 20. Juli 1978, 3 Ob 614, 615/78). Später anerkannte das Pflegschaftsgericht schrittweise (als nunmehr bekannt) das Miteigentum der Beschwerdeführerin am Inlandsvermögen im Ausmaß von 23,9015 %. Auf Grund des Vermögensabwicklungsgesetzes stellte dann das Handelsgericht Wien mit dem Beschluß vom 30. Oktober 1984 fest, daß 23,9015 % Miteigentumsanteile am Inlandsvermögen der Vereins-AG auf Grund der Beschlüsse des Pflegschaftsgerichtes der Beschwerdeführerin gehören und weitere 65,4485 % Miteigentumsanteile der Beschwerdeführerin als Ergebnis des Verfahrens nach dem Vermögensabwicklungsgesetz zustehen. Bezüglich des restlichen 10,65 %igen Miteigentumsanteiles, welcher gemäß § 14 Abs. 1 des Vermögensabwicklungsgesetzes dem Bund heimfalle, hätten die Miteigentümer im Sinne des § 20 des Gesetzes vereinbart, daß unter Ausschaltung der Verwertung des gesamten Vermögens ein Betrag von S 31,708.800,-- an den Bund falle, hingegen alle Miteigentumsanteile (am Kommanditanteil der ESW) und das gesamte übrige Vermögen nach Maßgabe der Schlußrechnung der Beschwerdeführerin zustehe.

Aus der Sicht des bereits wiedergegebenen erstangefochtenen Bescheides, mit dem Berufungen der Beschwerdeführerin unter anderem deshalb zurückgewiesen wurden, weil die an die (unbekannten) Berechtigten am Kommanditanteil (der ESW-KG) gerichteten Bescheide des Finanzamtes ins Leere gegangen wären, ergibt sich auf Grund vorstehender Ausführungen folgendes:

Mit dem Zweckvermögen erfaßt das Körperschaftsteuergesetz 1966 nicht rechtsfähiges (keine Rechtspersönlichkeit besitzendes) VERMÖGEN als Körperschaftsteuersubjekt. Die aus solchem Vermögen erzielten Einkünfte unterliegen der Körperschaftsteuer, an das Zweckvermögen, das als solches für die Körperschaftsteuerentrichtung einzustehen hat, richtet sich bei der Körperschaftsteuerfestsetzung das Leistungsgebot. Das Zweckvermögen kann aber nur so lange Gegenstand einer Körperschaftsteuerfestsetzung und eines Leistungsgebotes sein, als es als gesondertes Vermögen und damit als möglicher selbständiger Träger steuerlicher Rechte und Pflichten noch vorhanden ist. Sobald sich aber herausstellt, daß es sich nicht um Zweckvermögen, sondern um einem bestimmten Steuerpflichtigen unmittelbar zurechenbares Vermögen handelt, kommt nur noch jener Steuerpflichtige als Körperschaftsteuersubjekt (oder Einkommensteuersubjekt - siehe § 4 KStG 1966) in Betracht, dem das bisherige Zweckvermögen zuzurechnen ist, wobei jener (nunmehr bekannte) Steuerpflichtige - z.B. eine Körperschaft -, der jetzt als Träger des früheren Zweckvermögens feststeht, auch für die noch gegenüber dem Zweckvermögen festgesetzte Körperschaftsteuer aufzukommen hat. Gegenüber der Körperschaft und nicht gegenüber dem bereits als IHR Vermögen festgestellten früheren Zweckvermögen hat nunmehr die Körperschaftsteuerfestsetzung zu erfolgen und das Leistungsgebot zu ergehen; gegenüber dem nun nicht mehr vorhandenen Körperschaftsteuersubjekt "Zweckvermögen" gehen Körperschaftsteuerfestsetzung und Leistungsgebot ins Leere.

Im Beschwerdefall ist zudem in Rechnung zu stellen, daß die Körperschaftsteuerfestsetzung gegenüber dem Zweckvermögen ursprünglich überwiegend vorläufig erfolgte. Als Grund hiefür lassen die Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen, daß die Abgabenbehörde es als ungewiß ansah, ob nicht die Einkünfte aus dem Inlandsvermögen der Vereins-AG endgültig jemand anderem als dem Zweckvermögen zuzurechnen wären. So ist die Berufungsvorentscheidung betreffend die Körperschaftsteuer für 1966 damit begründet, daß sich die Vorläufigkeit des Bescheides aus dem Fortbestehen der seit Jahren offenen Zurechnungsfrage ergebe. Als offen erachteten die Abgabenbehörden offenkundig die Zurechnung jener Einkommensteile, die sich nicht schon vor dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 mit zuletzt 23,9015 % entsprechend den Abgabenerklärungen der Beschwerdeführerin als für sie FESTSTEHENDER Anteil zuordnen ließen.

Mit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984, der laut Amtsbestätigung dieses Gerichtes jedenfalls bereits am 14. November 1984 rechtskräftig war, fiel die Unsicherheit über die Zurechnung der Einkünfte aus dem Inlandsvermögen der Vereins-AG endgültig weg. Nach diesem Beschluß stand endgültig fest, daß die Beschwerdeführerin mit nahezu 90 % Miteigentümerin des Inlandsvermögens der Vereins-AG war. In bezug auf die Beschwerdeführerin bestand keineswegs mehr ein Sondervermögen (Zweckvermögen). Die im März 1985 an das Zweckvermögen gerichteten Bescheide gingen gegenüber der Beschwerdeführerin jedenfalls ins Leere.

Die Bescheide, die der erstangefochtene Bescheid als ins Leere gegangen ansieht, bringen unzweifelhaft den Willen des Finanzamtes zu einer Entscheidung gegenüber dem Zweckvermögen zum Ausdruck. Die Bescheide sind an die "unbekannten Berechtigten am Kommanditanteil" bzw. die "Berechtigten am Kommanditanteil" gerichtet. Als "unbekannte Berechtigte am Kommanditanteil" bzw. als "Berechtigte am Kommanditanteil" verstanden aber das Finanzamt und die für das Zweckvermögen einschreitende ESW-KG immer nur das Zweckvermögen als solches und nicht die Beschwerdeführerin (siehe insbesondere Eingabe vom 28. September 1971, vorläufiger Körperschaftsteuerbescheid 1970 vom 7. Dezember 1971, Eingabe vom 31. Oktober 1972, vorläufiger Körperschaftsteuerbescheid 1971 vom 19. Juli 1973, Eingabe vom 31. Oktober 1973 und vorläufiger Körperschaftsteuerbescheid 1972 vom 7. November 1973, Eingabe vom 27. September 1977, Körperschaftsteuerbescheid 1976 vom 9. Februar 1978, Eingabe vom 28. Oktober 1982, Körperschaftsteuererklärung für 1981, vorläufiger Körperschaftsteuerbescheid für 1981 vom 4. Februar 1983 usw.). "Unbekannte Berechtigte" gab es überdies seit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 keinesfalls mehr. (Bekannte wie unbekannte) Berechtigte AM KOMMANDITANTEIL waren schließlich seit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wels vom 11. Dezember 1984, der in Durchführung des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 festhält, daß die Kommanditisten ausgeschieden und die Kommanditgesellschaft aufgelöst ist, nicht mehr vorhanden. Die an die unbekannten Berechtigten am Kommanditanteil bzw. an die Berechtigten am Kommanditanteil gerichteten Bescheide des Finanzamtes konnten damit jedenfalls gegenüber der beschwerdeführenden Kapitalgesellschaft keine Wirkung entfalten (siehe auch z.B. die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 1985, Zl. 84/16/0070, und vom 20. Oktober 1989, Zl. 86/17/0164). Die belangte Behörde hat daher die Berufungen gegen diese Bescheide, die auch nach ihrer Auffassung der Beschwerdeführerin zuzurechnen sind, zu Recht zurückgewiesen.

2. Unberechtigt ist jedoch die Zurückweisung des Antrages vom 30. Jänner 1985, der auf Erlassung endgültiger Körperschaftsteuerbescheide gerichtet ist.

Bis zum Jahre 1983 kam es gegenüber dem Zweckvermögen überwiegend zu vorläufigen Körperschaftsteuerfestsetzungen. Grund hiefür war die unsichere Zurechnung des daraus erzielten Einkommens (siehe Punkt 1.). Seit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 besteht aber eine gerichtliche Feststellung, die darauf hinweist, daß die Beschwerdeführerin (in größerem Maße als bisher angenommen) an der communio incidens und dementsprechend an ihrem Einkommen und daher auch an dem bisher vorläufig dem Zweckvermögen zugerechneten Einkommen beteiligt war. Derjenige, dem gegenüber Abgaben, die bisher vorläufig festgesetzt waren, nunmehr endgültig festzusetzen sind, KOMMT im Sinne des § 77 Abs. 1 BAO als Abgabenschuldner IN BETRACHT, und zwar eben auch schon in bezug auf die Abgaben, die wegen der strittigen Zurechnung von Einkünften zunächst vorläufig festgesetzt wurden. Als Abgabepflichtigem ist ihm aber auch das Recht zuzubilligen, zu beantragen, daß der Schwebezustand der vorläufigen Veranlagung beendet und die Abgaben endgültig festgesetzt werden. Das Recht, eine endgültige Abgabenfestsetzung zu beantragen, ist dem Abgabepflichtigen umso weniger abzusprechen, wenn er, wie im Beschwerdefall, geltend macht, die endgültige Abgabenfestsetzung führe zu einer geringeren Steuerbelastung. Ob diese Behauptung zutrifft, ist in diesem Verfahrensstadium, in dem es aus der Sicht des zweitangefochtenen Bescheides nur um die - unrichtig gelöste - Frage der Antragsberechtigung geht, noch nicht zu prüfen.

II. Nach dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984 fiel ein Miteigentumsanteil von 10,65 % gemäß § 14 Abs. 1 Vermögensabwicklungsgesetz dem Bund heim. Der Bund erwarb damit an diesem Miteigentumsanteil ORIGINÄR Eigentum (Erläuterungen zu § 14 der Regierungsvorlage des Vermögensabwicklungsgesetzes, aaO). Im Hinblick auf diesen originären Eigentumserwerb durch den Bund kann, auch wenn dieser dann im Wege einer Vereinbarung gemäß § 20 Vermögensabwicklungsgesetz seinen Anteil an die Beschwerdeführerin abtrat, nicht unterstellt werden, daß bezüglich der 10,65 % ein schon vorher bestandenes Miteigentum der Beschwerdeführerin lediglich festgestellt wurde, sie also auch schon in der Zeit, für welche das Finanzamt die Körperschaftsteuer wegen der ungewissen Einkommenszurechnung vorläufig veranlagte, hinsichtlich der 10,65 % ebenfalls Eigentümerin gewesen wäre. § 13 Abs. 1 und § 14 Vermögensabwicklungsgesetz können in ihrem Zusammenhang vielmehr nur so verstanden werden, daß es zum Heimfall an den Bund kommt, wenn kein Eigentumsrecht eines anderen (eines Anmelders) festgestellt wird. Damit verbietet sich aber eine Zurechnung von Einkommensanteilen, die auf den Miteigentumsanteil von 10,65 % entfallen, an die Beschwerdeführerin für die Zeit vor der Rechtskraft des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien vom 30. Oktober 1984. Sofern bezüglich dieser 10,65 % Bedarf nach einer endgültigen Abgabenfestsetzung bestehen sollte, müßte gemäß § 82 Abs. 2 BAO ein Kurator bestellt werden, was nach dieser Vorschrift auch in Frage kommt, wenn zweifelhaft ist, wer beim WEGFALL einer juristischen Person oder eines dieser ähnlichen Gebildes oder EINES SONST VERBLEIBENDEN VERMÖGENS vertretungsbefugt ist.

III. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid keine Berechtigung zukommt (siehe Punkt I.1.). Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid ist hingegen begründet (siehe Punkt I.2.); dieser Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Infolge Abweisung der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid steht dem Bund ein Aufwandersatz von S 2.760,-- zu.

Der Erfolg der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid begründet den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Aufwandersatz in Höhe von S 10.500,--.

Aufgerechnet ist der Beschwerdeführerin sohin ein Aufwandersatz in Höhe von S 7.740,-- zuzuerkennen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Ein Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil der zweitangefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 5 VwGG nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlungen konnte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG absehen.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Nationalisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130265.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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