TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/27 89/12/0201

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Veröffentlicht am 27.09.1990
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Index

L24006 Gemeindebedienstete Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/06 Dienstrechtsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §45;
DGO Graz 1957 §15;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des RN in X, vertreten durch Dr. A und Dr. B, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. September 1989, Zl. Präs.-K-140/1985-22, betreffend Entlassung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1940 geborene Beschwerdeführer stand seit dem 1. Juni 1964 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz und war zuletzt als Beamter der Verwendungsgruppe C dem Steueramt (MA 8a) zur Dienstleistung zugeteilt.

Die vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens zeigen, daß der Beschwerdeführer seit 1984 wegen verschiedener Delikte bzw. Pflichtverletzungen, die meist im Zusammenhang mit dem chronischen Alkoholismus des Beschwerdeführers gestanden sind, sowohl strafgerichtlich als auch verwaltungsstrafrechtlich und disziplinär bestraft worden ist. U.a. wurde der Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis vom 29. April 1987 disziplinär dafür bestraft, daß er am 26. Feber 1986, ohne die Amtsleitung hievon in Kenntnis zu setzen, dem Dienst ferngeblieben ist.

Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 8. Feber 1989 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 lit. d der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, (im folgenden kurz: DO), auf Grund seines nicht gerechtfertigten Fernbleibens vom Dienst seit 28. Oktober 1988 nach bereits am 22. Dezember 1988 erfolgtem Ablauf der ihm gemäß § 25 Abs. 1 und 2 des genannten Gesetzes gestellten Frist, den Dienst anzutreten bzw seine Abwesenheit vom Dienst zu rechtfertigen, mit sofortiger Wirkung (27. Jänner 1989) entlassen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer seit dem 28. Oktober 1988 dem Dienst ohne Rechtfertigung ferngeblieben sei. Mit Schreiben vom 4. November 1988 sei er gemäß § 25 Abs. 1 DO aufgefordert worden, den Dienst anzutreten bzw. seine Abwesenheit zu rechtfertigen. Am 22. Dezember 1988 sei die im § 25 DO normierte Frist von sechs Wochen abgelaufen, sodaß nach der genannten Gesetzesstelle die Entlassung auszusprechen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung wie folgt:

"Auf die Aufforderung zum Wiederantritt meines Dienstes habe ich mit einem Pensionierungsansuchen reagiert, das ich jedoch infolge meines schlechten Gesundheitszustandes nicht ausreichend begründet habe.

Ich bitte, unter Berücksichtigung meiner langjährigen anstandslosen Dienstverrichtung, meine derzeit triste Lage einer menschlichen Beurteilung zuzuführen. Nach meinem eigenen Ermessen bin ich seit vielen Monaten auf Grund meiner körperlichen und seelischen Situation dienstunfähig und bin bereit, mich einer diesbezüglichen amtsärztlichen Untersuchung zu stellen.

Ich bitte daher nochmals, mich auf Grund meiner Dienstunfähigkeit gemäß § 45 DO in den dauernden Ruhestand zu versetzen. Ich beantrage dieser Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen."

Die belangte Behörde änderte daraufhin mit Bescheid vom 18. Mai 1989 den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß dem Spruch angefügt wurde, daß einer Berufung gemäß § 12 Abs 2 DVG aufschiebende Wirkung zukomme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab.

In der Begründung dieses Bescheides werden die Erwägungen der belangten Behörde im wesentlichen wie folgt dargelegt: Der Beschwerdeführer habe auf die vom Personalamt erlassene amtliche Aufforderung zur Rückkehr in den Dienst vom 4. November 1988, zugestellt am 14. November 1988, den Dienst nicht angetreten, sondern darauf mit einem unbegründeten Ansuchen um Versetzung in den Ruhestand reagiert. Auf Grund des Berufungsvorbringens und der Tatsache, daß der Beschwerdeführer sich im Landessonderkrankenhaus Graz in stationärer Behandlung befunden habe, sei die Notwendigkeit zu einem ergänzenden Ermittlungsverfahren in folgenden Punkten gegeben gewesen:

1) Während welcher Zeit habe sich der Beschwerdeführer in Behandlung befunden?

2) Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers über diesen Krankenhausaufenthalt sei einzuholen.

3) Der Beschwerdeführer sei einer amtsärztlichen Untersuchung dahingehend zu unterziehen, ob und inwieweit er auf Grund seiner körperlichen und seelischen Situation daran gehindert gewesen sei, in der Zeit vom 28. Oktober 1988 bis einschließlich 22. Dezember 1988 seine Abwesenheit vom Dienst zu rechtfertigen bzw. ob und welche Krankheitszustände der Genannte damals aufgewiesen habe.

Das Ermittlungsverfahren habe in diesem Zusammenhang folgendes ergeben:

Der Beschwerdeführer habe sich in der Zeit vom 2. bis 31. März 1989 in stationärer Behandlung des Landessonderkrankenhauses Graz befunden, wobei er laut der Krankengeschichte diese Behandlung freiwillig angetreten habe und am 31. März 1989 aus disziplinären Gründen entlassen worden sei, zumal er an diesem Abend nicht in seine Station zurückgekehrt sei. Der Beschwerdeführer habe in diesem Zusammenhang als richtig zugegeben, während der Nacht unerlaubt ausgeblieben zu sein. Ein weiterer stationärer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Landessonderkrankenhaus habe in der Zeit vom 9. April bis einschließlich 3. Mai 1989 stattgefunden. Der Beschwerdeführer habe in diesem Aufenthalt nach seinen eigenen Angaben angestrebt, vom Alkohol wegzukommen, habe jedoch die Medikamenteneinnahme sowie den Besuch der Stationsversammlung mit der Begründung verneint, daß er körperlich gesund sei.

Aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 13. Juli 1989 ergebe sich folgender Befund:

"Der Berufungswerber ist als 49 1/2-jähriger Mann in gutem Allgemein- und normalem Ernährungszustand, Haut und sichtbare Schleimhäute normal durchblutet, Gang unbehindert, keine Atemnot.

KOPF-HALS: Frei beweglich, äußere Sinnesorgane und Nervenaus-

           trittspunkte frei, Mundhöhle und Rachen bland (frei

           von Entzündungen), Gebiß saniert, keine krankhaften

           Lymphknoten, unauff. Tastbefund der Schilddrüse

BRUSTKORB: Symmetrisch beatmet, normaler Klopfschall über bd.

           Lungen, reines Atemgeräusch, Herzgrenzen normal,

           Herzaktion rhytmisch, Herztöne rein, betonter

           2. Herzton, RR 180/100.

BAUCH:     Kein Druckschmerz, keine krankhafte Resistenz, Leber

           am Rippenbogen, Milz nicht tastbar, Nierenlager und

           Bruckpforten frei,

GLIEDMASZEN UND WIRBELSÄULE unauffällig.

NEUROLOGISCH: Kein Zittern, keine vegetative Reizsymptomatik,

keine sensiblen oder motorischen Ausfälle, keine Herd- oder Halbseitenzeichen, Reflexe seitengleich unauffällig.

PSYCHISCH: erscheint der Untersuchte örtlich, persönlich und

zeitlich orientiert, auf Fragen wird ausreichend und höflich geantwortet, das äußere Erscheinungsbild ist gepflegt, keine Wahnideen, keine produktive Symptomatik, die Stimmungslage situativ angepaßt, ausgeglichen."

Im zitierten Gutachten werde zusammenfassend festgestellt, daß beim Beschwerdeführer ein mehrjähriger chronischer Alkoholmißbrauch bestehe, der aber nicht zu so wesentlichen Auswirkungen geführt habe, daß gravierende Organschäden oder ein klinisch faßbarer geistiger Abbau nachweisbar seien. Auf Grund der Vorgeschichte und des klinischen Befundes sei der Beschwerdeführer durchaus in der Lage gewesen, bei ihm aufgetretene Gesundheitsstörungen, soziale Probleme zu erkennen und entsprechende Schritte hinsichtlich eines Pensionierungsbegehrens in die Wege zu leiten. Dieses Verhalten sei durchaus angemessen und lasse keinerlei psychische Abartigkeit erkennen. Demnach wäre er auch in der Lage gewesen, seine Abwesenheit vom Dienst ordnungsgemäß dem Dienstgeber zur Kenntnis zu bringen.

Am 4. September 1989 habe der Beschwerdeführer zu den Ergebnissen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Stellung genommen und vorgebracht, daß er mit den Ausführungen des Gutachtens vom 13. Juli 1989 insoweit einverstanden sei, als es sich auf den Untersuchungszeitraum Juli 1989 beziehe. In den Monaten Oktober bis Dezember 1988 sei jedoch sein Gesundheitszustand wesentlich schlechter gewesen, sodaß er aus damaliger Sicht nicht in der Lage gewesen sei, seine Abwesenheit zu rechtfertigen. Auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes habe er auch sein Pensionierungsansuchen eingebracht.

Diese Ausführungen des Beschwerdeführers änderten jedoch nichts - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - an der Schlüssigkeit des vorliegenden Gutachtens, sodaß nach der Aktenlage in Verbindung mit den Ergebnissen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens feststehe, daß der Beschwerdeführer seit dem 28. Oktober 1988 dem Dienst ohne Rechtfertigung ferngeblieben sei und es unterlassen habe, nach Zustellung der amtlichen Aufforderung zur Rückkehr in den Dienst am 14. November 1988 innerhalb der im § 25 Abs. 1 DO bezeichneten Frist seinen Dienst anzutreten bzw seine Abwesenheit zu rechtfertigen, d.h., konkret im Falle einer auch nur subjektiv empfundenen Dienstunfähigkeit eine Krankmeldung zu erstatten.

Damit sei für die Behörde erster Instanz der Tatbestand des § 15 Abs. 2 lit. d DO iVm § 25 Abs. 2 DO als erwiesen anzunehmen und der Beschwerdeführer ohne Disziplinarverfahren zu entlassen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird und mit der auch die Krankheitsgeschichte des Beschwerdeführers aus dem Landessonderkrankenhaus Graz sowie weitere Unterlagen vorgelegt werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens - aber nicht vollständig (insbesondere fehlt das während der unentschuldigten Abwesenheit des Beschwerdeführers eingebrachte Pensionierungsansuchen) - vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Zur Gegenschrift wurde - unaufgefordert - eine ergänzende Äußerung des Beschwerdeführers eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall inhaltlich anzuwendende Rechtsgrundlage bildet die Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957 (im folgenden kurz: DO). Nach § 12 lit. d leg. cit. wird das Dienstverhältnis durch Entlassung aufgelöst. Die Entlassung erfolgt nach § 15 Abs. 1 lit. d DO auf Grund des § 25 Abs. 2

DO.

§ 25 DO lautet:

"(1) Bleibt ein Beamter ohne Rechtfertigung länger als drei Tage dem Dienst fern, so ist er schriftlich oder, falls sein Aufenthalt unbekannt ist oder aus anderen Gründen die Zustellung der schriftlichen Aufforderung nicht bewirkt werden kann, durch Kundmachung an der Amtstafel aufzufordern, seinen Dienst anzutreten bzw. seine Abwesenheit zu rechtfertigen, und ihm anzudrohen, daß er nach fruchtlosem Verlauf von sechs Wochen seit der ergangenen Aufforderung entlassen wird. Die Frist läuft von dem Tag, an dem die schriftliche Aufforderung zugestellt bzw. die Kundmachung an der Amtstafel angeschlagen wird.

(2) Tritt der Beamte innerhalb der in Abs. 1 bezeichneten Frist den Dienst ohne Rechtfertigung nicht an, so ist er ohne Disziplinarverfahren zu entlassen."

Nach § 45 Abs. 1 DO hat der Beamte Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand, wenn er dienstunfähig und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit ausgeschlossen ist.

Im § 8 Abs. 1 DVG ist zu den §§ 37, 43, 45 und 65 AVG 1950 ergänzend festgelegt, daß die Behörde im Dienstrechtsverfahren die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen hat. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung hat die Partei im Dienstrechtsverfahren nur insoweit Anspruch darauf, daß ihr Gelegenheit gegeben wird, von den Ergebnissen amtlicher Erhebungen und Beweisaufnahmen Kenntnis und zu ihnen Stellung zu nehmen, als diese Ergebnisse von dem bisherigen für den Bescheid maßgebenden Vorbringen der Partei abweichen.

Nach dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen wiedergegebenen ärztlichen Gutachten wurde auf Grundlage des am 13. Juli 1989 erhobenen Befundes die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer sei in der Lage gewesen, seine Abwesenheit vom Dienst in dem fraglichen Zeitraum dem Dienstgeber ordnungsgemäß zur Kenntnis zu bringen. Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer am 4. September 1989 in der Zeit von 12.00 bis 12.30 Uhr zur Einsichtnahme vorgelegt und hierüber eine Niederschrift angefertigt, in der der Beschwerdeführer vorbrachte, sein Gesundheitszustand sei von Oktober bis Dezember 1988 wesentlich schlechter gewesen, sodaß er aus damaliger Sicht nicht in der Lage gewesen sei, seine Abwesenheit entsprechend begründet zu rechtfertigen.

Diesem Vorbringen begegnet die Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich damit, daß sich daraus nichts an der Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens ändere.

Die Beschwerde bringt hiezu im wesentlichen vor, daß durch die bloß halbstündige "Parteienvernehmung" dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Überlegung, der Einholung eines fachkundigen Rates bzw der Vorlage eines anderen Gutachtens genommen worden sei. Weiters bemängelt der Beschwerdeführer, daß das Gutachten keinerlei befundmäßige ärztliche Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand im maßgebenden Zeitraum enthalten habe.

Dieses Vorbringen ist im wesentlichen berechtigt.

In dem Gutachten des Amtsarztes vom 13. Juli 1989 sind weder medizinisch begründete Feststellungen bzw Überlegungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers im maßgebenden Zeitraum enthalten, noch ist eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Krankheitsgeschichte des Beschwerdeführers erfolgt. Da sich der Beschwerdeführer im März 1989 bzw. vom 9. April bis 3. Mai 1989 stationär im Landessonderkrankenhaus Graz befunden hat, wäre eine eingehende medizinische Auseinandersetzung mit dem neurologischen bzw. psychischen Status des Beschwerdeführers bzw. mit der Frage, inwieweit durch diese Krankenhausaufenthalte allenfalls eine maßgebende Besserung gegenüber dem seinerzeit im entscheidenden Zeitraum gegebenen Zustand eingetreten sein kann, angezeigt gewesen. Mit dem lediglich formelhaften Hinweis auf die Schlüssigkeit des vorliegenden Gutachtens wird dem Einwand des im Verwaltungsverfahren nicht vertretenen Beschwerdeführers, dem zusätzlich durch die Gestaltung des Parteiengehörs auch keine hinreichende Gelegenheit zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten worden ist, nicht entsprechend begegnet. Zum Parteiengehör ist weiters darauf hinzuweisen, daß die Gelegenheit zur Stellungnahme die Gestaltung des Vorganges in einer Weise erfordert, die der Partei nicht nur die Bedeutung zum Bewußtsein bringt, sondern ihr auch die Möglichkeit der Überlegung und entsprechenden Formulierung einräumt (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1982, Zl. 82/12/0079, und die dort weiters genannte Rechtsprechung). Insbesondere dann, wenn nur durch Fachgutachten zu klärende Fragen zu entscheiden sind, muß der Partei auch eine angemessene Frist für die Einholung fachlichen Rates bzw. zur Vorlage eines entsprechenden Gutachtens zur Verfügung stehen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1979, Zl. 1452/79, und die dort weiters genannte Rechtsprechung). Zur Untermauerung der Relevanz des vorher dargestellten Verfahrensmangels legte der Beschwerdeführer ein als "eidesstattliche Erklärung" bezeichnetes Schreiben seines Vorgesetzen vor, in dem dieser den ihm anläßlich zweier zufälliger Zusammentreffen mit dem Beschwerdeführer offenbar gewordenen Zustand des Beschwerdeführers in dem in Frage kommenden Zeitraum beschreibt.

Die in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretene Auffassung, daß § 45 AVG 1950 durch § 8 Abs. 2 DVG gleichsam ersetzt werde, teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht, weil in § 1 Abs. 1 DVG festgelegt ist, daß das AVG mit nachstehenden ABWEICHUNGEN anzuwenden ist. In § 8 Abs. 1 DVG wird die Behörde entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit gesondert gemahnt, auch die zum Vorteil der Partei dienenden Umstände zu berücksichtigen; nach Abs. 2 ist das Parteiengehör zwar insoferne eingeschränkt, als diese Verpflichtung nur dann besteht, wenn die amtlichen Erhebungsergebnisse von dem bisherigen für den Bescheid maßgebenden Vorbringen der Partei abweichen. Im Beschwerdefall liegt aber ein diesbezüglich maßgebendes Parteivorbringen gar nicht vor, sodaß die belangte Behörde zu Recht dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Kenntnisnahme und Stellungnahme geboten hat. Bezüglich der Art und Weise, wie Parteiengehör zu gewähren ist, enthält aber § 8 Abs. 2 DVG keine vom AVG 1950 abweichende Regelung. Die belangte Behörde hätte daher bei der gegebenen Sachlage die Verpflichtung getroffen, den Interessen des Beschwerdeführers durch Einräumung einer entsprechenden Frist zur Beratung bzw. zur Vorlage einer schriftlichen Äußerung, Geltendmachung sonstiger Beweismittel oder Vorlage eines Gegengutachtens Rechnung zu tragen.

Der Beschwerdeführer macht weiters unter Hinweis auf § 45 DO sinngemäß geltend, daß er bei Vorliegen der in der genannten Bestimmung geregelten Voraussetzung einen Anspruch auf Versetzung in den Ruhestand gehabt habe, der Umstand seiner chronischen Alkoholkrankheit sei der Behörde bekannt gewesen und er habe seine Ruhestandsversetzung in dem dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Dienstrechtsverfahren ausdrücklich beantragt; trotzdem habe die Behörde diesen Umstand nicht beachtet und sich lediglich mit der Frage seiner Entlassung nach § 25 DO auseinandergesetzt.

Die Behörden haben sich tatsächlich nicht mit dem vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand auseinandergesetzt. In der Gegenschrift bringt die belangte Behörde dazu vor, daß sich das Recht auf Ruhegenuß aus einem bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ableite und es daher Aufgabe der Berufungsbehörde gewesen sei, vorerst darüber abzusprechen, ob die im erstinstanzlichen Bescheid verfügte Auflösung des Dienstverhältnisses durch Entlassung rechtens gewesen sei und damit ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis mit den daraus resultierenden Rechten ohnehin nicht mehr bestanden habe.

Auch diese Auffassung der belangten Behörde teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht.

Ausgehend von § 8 Abs. 1 DVG wäre es vielmehr Aufgabe der Behörde gewesen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren (dem Pensionierungsansuchen bzw dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen) auseinanderzusetzen. Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer - nach seinem Vorbringen - sein Ansuchen um Pensionierung im Zusammenhang mit der Aufforderung der Behörde zur Rechtfertigung seines ungerechtfertigten Fernbleibens und jedenfalls vor Ablauf der ihm im Sinne des § 25 DO gesetzten Frist gestellt. Die Behörde wäre bei dieser Sachlage verhalten gewesen, die Frage der dauernden Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers schon deshalb zu prüfen, weil die mit dem Pensionierungsansuchen erfolgte sinngemäße Geltendmachung einer dauernden Dienstunfähigkeit durch den Beschwerdeführer auch als eine - objektiv allenfalls unrichtige - Rechtfertigung der Dienstabwesenheit des Beschwerdeführers im Sinne des § 25 Abs. 2 DO gewertet werden kann.

Da bereits auf Grund dieser Überlegungen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Bescheid nicht auch deshalb mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet ist, weil der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Entlassung mit 27. Jänner 1989 ausgesprochen worden war, durch den Spruch des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Zeitpunktes der Entlassung nicht abgeändert worden ist.

Da offenbar ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung der Sachverhalt nicht hinreichend erhoben worden ist und auch die aufgezeigten Begründungsmängel vorliegen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989120201.X00

Im RIS seit

16.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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