TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/27 88/12/0137

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Veröffentlicht am 27.09.1990
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Index

L26004 Lehrer/innen Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ASVG §203 Abs1;
BKUVG §101 Abs1;
LKUFG OÖ 1983 §13 Abs1 Z4;
LKUFG OÖ 1983 §13 Abs6;
LKUFG OÖ 1983 §15;
LKUFG OÖ 1983 §2;
VwGG §48 Abs1 Z1;

Betreff

N gegen Aufsichtsrat der O.ö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge vom 28. Juni 1988 (ohne Zl.) betreffend Versehrtenrente:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die O.ö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die am 2. September 1943 geborene Beschwerdeführerin, die als Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich steht (seit 1. März 1988 befindet sie sich im Ruhestand), stürzte am 15. Juli 1985 während ihrer Teilnahme an dem Ferialkurs "Reiten für Lehrer" vom Pferd und zog sich dabei eine Verletzung der Halswirbelsäule zu. Am 28. Jänner 1987 beantragte sie bei der O.ö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge die Zuerkennung einer Versehrtenrente nach dem Gesetz über die O.ö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge (O.ö. LKUFG), LGBl. Nr. 66/1983 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/1986.

Mit Bescheid vom 14. März 1988 gab der (gemäß § 35 Abs. 7 lit. b O.ö. LKUFG namens des Verwaltungsrates der

O.ö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge zur Entscheidung berufene) Direktor dem Antrag gemäß den §§ 13, 39 O.ö. LKUFG in Verbindung mit Punkt 132 der Satzung nicht statt. Begründend wurde ausgeführt, es bestehe nach Punkt 132 der Satzung Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Lehrers durch die Folgen eines Dienstunfalles länger als drei Monate ab dem Unfallereignis um mindestens 20 v.H. vermindert sei. Voraussetzung für die Gewährung einer Versehrtenrente sei sohin das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der eingetretenen Verminderung der Erwerbsfähigkeit und einem Dienstunfall. Die Beschwerdeführerin sei am 15. Juli 1985 bei dem Ferialkurs "Reiten für Lehrer" vom Pferd gestürzt. Die unmittelbare Folge sei eine Distorsion der Halswirbelsäule gewesen. Laut dem Gutachten der Sachverständigen Dr. S vom 24. Juli 1987 (für Unfallchirurgie), Dr. K vom 12. November 1987 (für Neurologie) und Dr. E vom 15. Dezember 1987 (für Orthopädie) seien die Beschwerden an der spondylotisch veränderten Wirbelsäule nicht Folge des Unfallereignisses, sondern der Abnützungserkrankung der Wirbelsäule. Demnach stehe auch für den Verwaltungsrat der O.ö. LKUF fest, daß die bezüglich der Beschwerdeführerin vorliegende Erwerbsminderung nicht als Folge des Dienstunfalls vom 15. Juli 1985 entstanden sei. Es bestehe daher kein Anspruch auf Versehrtenrente.

In der Berufung gegen diesen Bescheid bestritt die Beschwerdeführerin, daß die vorhandenen Beschwerden auf Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule zurückzuführen und nicht als Folge des Unfallereignisses anzusehen seien. Sie habe sich vom 14. Jänner bis 16. Jänner 1988 neuerlich in ärztlicher Behandlung im Krankenhaus A befunden. Dort sei sie genauestens untersucht worden und habe Dr. D einen ärztlichen Befundbericht erstattet, den sie samt Krankengeschichte der Berufung beilege. Daraus sei ersichtlich, daß zwar degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vorhanden seien, die jedoch nur eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 10 % ausmachten. Durch das Trauma, das die Beschwerdeführerin durch den Reitunfall erlitten habe, seien Schmerzen und Gesundheitsschäden aufgetreten, die eindeutig unfallkausal seien und ohne das gegenständliche Trauma nicht eingetreten wären. Diese auf den Unfall zurückzuführende Minderung der Erwerbsfähigkeit sei mindestens 20 % als rein unfallkausal anzusehen. Die in der Begründung des bekämpften Bescheides genannten Sachverständigengutachten widersprächen offensichtlich dem Befundbericht Dris. D. Um jedwede Bedenken auszuräumen, wäre es daher auf jeden Fall notwendig, weitere Gutachten einzuholen, wenn die belangte Behörde nicht der Ansicht sein sollte, daß ohnehin eine 20 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit unfallkausal sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung verweist die belangte Behörde zunächst auf die Ergebnisse der im erstinstanzlichen Bescheid genannten Gutachten. Danach seien nach dem Gutachten Dris. S die von der Beschwerdeführerin gegebenen Beschwerden überwiegend Folge der Abnützungserkrankung der Wirbelsäule und nur im geringen Ausmaß des Dienstunfalles. Aus unfallchirurgischer Sicht bestünden keine Unfallfolgen in erwerbsmindernder Höhe. Nach dem Gutachten Dris. K könnten in Übereinstimmung mit dem unfallchirurgischen Gutachten Dris. S auch neurologisch-psychiatrischerseits keine Unfallfolgen in erwerbsmindernder Höhe festgestellt werden. Nach dem Gutachten Dris. E sei es durch den Unfall bei der vorgeschädigten Halswirbelsäule zu einer vorübergehenden Verschlechterung mit entsprechenden Beschwerden - Reizzustand von drei Monaten - gekommen. Die derzeit bestehenden Beschwerden stünden jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem angegebenen Dienstunfall. Unfallfolgen in erwerbsmindernder Höhe bestünden daher nicht mehr. Es seien aber auch zwei weitere Gutachten vorgelegen. Nach jenem des Dr. B, eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, handle es sich bei den von der Beschwerdeführerin geäußerten und klinisch zu verifizierenden Störungen um Fehlfunktionen;

pathomorphologische Veränderungen spielten eine untergeordnete Rolle. Nach dem Gutachten von Dr. H, eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, bestehe bei der Beschwerdeführerin eine ausgeprägte somatische Depression. Eine eventuelle Invaliditätspension für 12 Monate wäre ins Auge zu fassen. Nach dieser Zeit wäre zu entscheiden, ob eine Eingliederung in den Arbeitsprozeß wieder möglich sei. Das der Berufung angeschlossene Gutachten Dris. D weise darauf hin, daß durch die Krankengeschichte und die Anamnese eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % sicher feststellbar sei. Durch die derzeitigen Befunde und Schmerzen sei eine weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % feststellbar. Diese 20 % seien rein unfallkausal zu sehen. Die gesamte Minderung der Erwerbsfähigkeit (unfallsbedingte Beschwerden und Vorschäden) liege also über 30 %. Im Berufungsverfahren sei ein weiteres Sachverständigengutachten, und zwar von Dr. R, einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, eingeholt worden. Darin komme der Sachverständige zur Schlußfolgerung, "daß die Aktualisierung und Intensivierung der Halswirbelsäule bedingte Schmerzzustände unfallkausal gewesen seien". Ebenso unfallkausal sei die in direkter Folge damit zusammenhängende somatische Depression. Es könne daher dem im Vorgutachten (gemeint sei wohl das des Dr. K) geäußerten Umstand, daß das Trauma keine erwerbsmindernden Folgen gehabt habe, nicht zugestimmt werden. Somatische Depressionen mit glaubhaften intensiven Schmerzzuständen seien objektivierbar und beeinträchtigten das Zustandsbild der Beschwerdeführerin derzeit in einem Ausmaß, das eine Arbeitsunfähigkeit von ca. 70 % beinhalte. Im Anschluß daran meint die belangte Behörde, es lägen einander widersprechende Gutachten von Sachverständigen vor. In allen Gutachten werde jedoch darauf hingewiesen bzw. nicht bestritten, daß Schädigungen der Halswirbelsäule der Beschwerdeführerin im Sinne degenerativer Veränderungen bereits vor dem Reitunfall bestanden hätten. Darüber hinaus hätten die gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. S und Dr. K und der Facharzt Dr. E in schlüssiger Weise dargelegt, daß die Beschwerden an der spondylotisch veränderten Wirbelsäule nicht Folge des Unfallereignisses, sondern auf die Abnützungserkrankung der Wirbelsäule zurückzuführen seien. Hingegen habe der Sachverständige Dr. R, obwohl er Vorschädigungen der Halswirbelsäule im Sinne degenerativer Veränderungen bejaht habe, bei der Erstellung des Gutachtens die früheren Schädigungen der Halswirbelsäule, somit den Zustand vor dem Reitunfall, überhaupt nicht in Betracht gezogen und somit zur Gänze ignoriert. Des weiteren habe er es unterlassen, sich mit den seinem Gutachten widersprechenden Gutachten der anderen fachärztlichen Sachverständigen in ausführlicher Weise kritisch auseinanderzusetzen. Die in seinem Gutachten zum Ausdruck gebrachte Schlußfolgerung, es bestehe eine auf den Reitunfall zurückzuführende Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 70 %, sei daher der belangten Behörde als nicht überzeugend begründet erschienen. Auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H könne nicht einwandfrei interpretiert werden, ob die darin aufgezeigten Beschwerden nur auf den Reitunfall der Beschwerdeführerin allein oder auf frühere Schädigungen zurückzuführen seien. Im ärztlichen Befundbericht des Dr. D werde zwar zwischen einer bereits vor dem Unfall bestandenen und einer zusätzlichen nach dem Unfall eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit unterschieden. Die belangte Behörde habe sich jedoch im Hinblick auf die klaren Aussagen der Sachverständigen Dr. S, Dr. K und Dr. E, die einen Kausalzusammenhang zwischen dem Reitunfall und einer etwaigen Minderung der Erwerbsfähigkeit verneinten, der im Bericht Dris. D zum Ausdruck gebrachten Meinung, der Reitunfall habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 % nach sich gezogen, nicht anschließen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 4 O.ö. LKUFG haben die Mitglieder der O.ö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge (LKUF), zu denen die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Unfalls gemäß § 2 lit. a und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 2 lit. b leg. cit. zählte bzw. zählt, - mit Ausnahme von Hinterbliebenen im Sinne des Pensionsgesetzes 1965 - im Falle einer durch einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit verursachten körperlichen Schädigung Anspruch auf Versehrtenrente. Nach § 13 Abs. 6 leg. cit. sind die näheren Bestimmungen über die der Art und dem Grad von Schädigungen jeweils entsprechenden Leistungen nach Abs. 1 bis 5 entsprechend den jeweiligen Anforderungen einer ausreichenden Unfallfürsorge durch die Satzung festzulegen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Leistungen der Unfallfürsorge in ihrer Gesamtheit denen, die den Bundesbeamten bzw. ihren Hinterbliebenen aus der Sozialversicherung jeweils zustehen, mindestens gleichwertig sind. Darüber hinaus können Leistungsverbesserungen nur nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten der LKUF getroffen werden. Nach Punkt 132 der Satzung der LKUF besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Lehrers durch die Folgen eines Dienstunfalles länger als drei Monate ab dem Unfallereignis um mindestens 20 v.H. vermindert ist. Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 O.ö. LKUFG entstehen bei Dienstunfällen die Ansprüche auf die Leistungen nach diesem Gesetz mit dem Unfallereignis. Nach § 15 Abs. 2 leg. cit. fallen, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, die sich aus den Leistungsansprüchen ergebenden Leistungen mit dem Entstehen des Anspruches an. Nach § 15 Abs. 3 leg. cit. fällt die Versehrtenrente mit dem Tag nach dem Wegfall der durch den Dienstunfall oder die Berufskrankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit, spätestens nach Ablauf des dritten Monates nach dem im Abs. 1 Z. 4 genannten Zeitpunkt an. Nach § 15 Abs. 6 leg. cit. fallen Leistungen der Unfallfürsorge, wenn innerhalb von zwei Jahren nach dem im Abs. 1 Z. 4 genannten Zeitpunkt der Anspruch nicht geltend gemacht oder nicht von Amts wegen festgestellt wurde, mit dem Tag der späteren Geltendmachung bzw. amtswegigen Einleitung des Verfahrens, das zur Feststellung des Anspruches führt, an.

Da die Beschwerdeführerin den Antrag auf Versehrtenrente innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfallereignis gestellt hat, gebührt ihr Versehrtenrente ab dem im § 15 Abs. 3 genannten Tag, wenn ihre Erwerbsfähigkeit durch die Folgen des Unfalles vom 15. Juli 1985 (der unbestritten einen Dienstunfall im Sinne der §§ 10, 11 O.ö. LKUFG darstellte) länger als drei Monate ab dem Unfallereignis um mindestens 20 v.H. vermindert war, und zwar, da noch keine Festsetzung der Rente erfolgte, solange, als die Voraussetzungen des Anspruches bestehen (sofern kein anderer Endigungsgrund nach dem O.ö. LKUFG besteht).

Die belangte Behörde hat nicht geprüft, ob überhaupt im zeitlichen Anschluß an den Dienstunfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin um mindestens 20 % durch einen Zeitraum von mehr als drei Monaten eingetreten ist, sondern ihren Anspruch auf Versehrtenrente schon deshalb verneint, weil eine allenfalls eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit jedenfalls nicht auf die Folgen des Dienstunfalles, sondern auf die schon bestehende Vorschädigung der Wirbelsäule der Beschwerdeführerin zurückzuführen sei.

Punkt 132 der Satzung definiert ebensowenig wie § 101 Abs. 1 B-KUVG, dem Punkt 132 der Satzung - entsprechend § 13 Abs. 6 O.ö. LKUFG - nachgebildet ist, und § 203 Abs. 1 ASVG, dem wiederum § 101 Abs. 1 B-KUVG nachgebildet ist (vgl. dazu die Erläuternden Bemerkungen zum B-KUVG, 463 Blg. NR XI. GP, Seite 38 f, 50 ff; SSV 10/83, 84, 85, SV-Slg. 22.585, 23.863), den Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit und der Bedingung durch die Folgen eines Arbeits- bzw. Dienstunfalles. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auslegung, die diese Begriffe im Bereich der §§ 101 B-KUVG und 203 ASVG gefunden haben (vgl. zum Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit zuletzt: OGH SSV-NF 1/64, 2/104 und 3/22; und zu ihrer Bedingtheit durch den Arbeitsunfall: OGH SSV-NF 2/6, 2/7, 2/112 = ZAS 1990, Seite 67 mit einer Entscheidungsanmerkung von Tomandl, und SSV-NF 3/95). Nach diesen Grundsätzen sind auch die entsprechenden Begriffe in Punkt 132 der Satzung der LKUF auszulegen.

Bei der Beurteilung der Bedingtheit der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Folgen des Arbeits- bzw. Dienstunfalles (auf deren Verneinung die belangte Behörde allein die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Versehrtenrente stützt) geht die genannte Rechtsprechung und Lehre von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" aus. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn der Unfallschaden auf mehrere Ursachen zurückgeht - erforderlich, daß der Unfall eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist er dann, wenn er nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur im geringeren Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung (SSV-NF 2/6). Wirken eine krankhafte Veranlagung und ein Unfallereignis bei Entstehung einer Körperschädigung zusammen, so ist demnach zu beurteilen, ob das Unfallereignis eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Eine krankhafte Veranlagung hindert also die Annahme eines Arbeitsunfalles nicht. Ein solcher kann auch vorliegen, wenn eine vorhandene krankhafte Veranlagung zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist. Für die Frage, ob die Auswirkungen des Unfalles eine rechtlich wesentliche Teilursache des nach dem Unfall eingetretenen Leidenszustandes sind, ist in erster Linie von Bedeutung, ob dieser Leidenszustand auch ohne den Unfall etwa zum gleichen Zeitpunkt eingetreten wäre oder durch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können, ob also die äußere Einwirkung (Unfall) wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache war (vgl. SSV-NF 2/7,

SSV-NF 2/112 = ZAS 1990, Seite 67, mit Anmerkung von Tomandl, insbesondere Seite 70, SSV-NF 3/95). Ist nach diesen Grundsätzen die Leistungspflicht der Unfallversicherung zu bejahen, so muß sie den gesamten, nicht nur den Verfrühungs- oder Verschlechterungsschaden zahlen und hat solange zu leisten, als der unfallbedingte Leidenszustand nicht gebessert ist (SSV-NF 2/6, Tomandl, ZAS 1990, Seite 70).

Dem angefochtenen Bescheid liegt, wie sich vor allem aus der Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H eindeutig ergibt, eine mit diesem Verständnis der erforderlichen Bedingtheit der nach einem Dienstunfall eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Folgen dieses Unfalles in Widerspruch stehende Auffassung zugrunde. Denn nach den obigen Darlegungen kam es gerade nicht darauf an, ob die nach dem gegenständlichen Dienstunfall aufgetretenen

Beschwerden "nur auf den Reitunfall ... ALLEIN oder auf frühere

Schädigungen zurückzuführen" waren; entscheidend ist vielmehr, ob der Dienstunfall eine neben der Vorschädigung wesentlich mitwirkende Ursache dieser Beschwerden (wenn auch nur im Sinne der Verfrühung oder Verschlimmerung im aufgezeigten Sinn) oder bloße Gelegenheitsursache war. Mit dieser Rechtsfrage hat sich aber die belangte Behörde - nach ihrer oben aufgezeigten rechtsirrigen Auffassung konsequenterweise - nicht befaßt und offensichtlich deshalb auch nicht danach (auch für eine Verneinung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Versehrtenrente) noch erforderliche Ergänzungen der vorliegenden Gutachten und Aufklärungen bestehender Widersprüche (in einer den Anforderungen, die an Gutachten zu stellen sind, gerecht werdenden Art: vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 13. November 1985, Zl. 85/11/0051, vom 20. September 1984, Zl. 82/08/0196, und vom 22. Dezember 1984, Slg. Nr. 10.939/A) veranlaßt. (Daß es darüber hinaus - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - nicht den nach § 39 Abs. 1 O.ö. LKUFG auch im gegenständlichen Verfahren im Hinblick auf die Geltung des DVG anzuwendenden Vorschriften des AVG 1950 entspricht, es mit der Feststellung der Unvollständigkeit des Gutachtens Dris. R und seines Widerspruchs zu anderen Gutachten und "daher" der Nichtbegründetheit des Gutachtens bewenden zu lassen, ohne vorerst eine entsprechende Ergänzung des Gutachtens wenigstens versucht zu haben, bedarf keiner näheren Erörterung.) Auch die Gutachten der Sachverständigen Dr. S, Dr. K und Dr. E allein reichen (abgesehen von der oben aufgezeigten verfahrensrechtlichen Fragwürdigkeit ihrer alleinigen Maßgeblichkeit) zu einer solchen Verneinung nicht aus, weil schon der darin wiederholt verwendete Begriff der "Folge" im Lichte der obigen rechtlichen Darlegungen dahin aufklärungsbedürftig ist, ob die nach dem Dienstunfall aufgetretenen Beschwerden (sofern sie, wie schon mehrfach betont wurde, überhaupt eine relevante Minderung der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin bewirkten) auch ohne den Unfall entweder in absehbarer Zeit im selben Umfang anlagebedingt aufgetreten wären oder auch durch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis im selben Umfang hätten ausgelöst werden können.

Da die belangte Behörde auf Grund der aufgezeigten rechtsirrigen Auffassung die erforderlichen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unterlassen hat und daher der festgestellte Sachverhalt zu einer den obigen rechtlichen Darlegungen entsprechenden Beurteilung nicht ausreicht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da einerseits an Schriftsatzaufwand nur der vorgesehene Pauschalbetrag und nicht eine darüber hinausgehende Umsatzsteuer gebührt und andererseits Stempelgebühren nur für jene Schriftsätze und sonstige Urkunden zu ersetzen sind, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einzubringen sind.

Schlagworte

Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und Beilagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988120137.X00

Im RIS seit

07.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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