TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/3 86/13/0103

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Veröffentlicht am 03.10.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
23/04 Exekutionsordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AbgEO §14;
BAO §14 Abs1;
BAO §14;
BAO §198;
BAO §232;
BAO §257 Abs1;
BAO §258 Abs2 litb;
BAO §4;
BAO §7 Abs1;
EO §37;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 266;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Juni 1986, Zl. GA 7-706/3/86, betreffend Erlassung eines Sicherstellungsauftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Vater des Beschwerdeführers betrieb eine Gastwirtschaft, die er laut Notariatsakt vom 24. Jänner 1985 mit Wirkung ab 1. Juli 1983 unentgeltlich an den Beschwerdeführer übertrug.

Eine Betriebsprüfung für die Jahre 1980 bis 1983 führte zu erheblichen Mehrsteuern.

Mit Bescheid vom 13. November 1985 erließ das Finanzamt an den Vater des Beschwerdeführers einen Sicherstellungsauftrag mit der Begründung, es bestehe die Gefahr, daß sich der Abgabepflichtige "durch Vermögensverlagerung" an den Beschwerdeführer "der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben" entziehen könnte. Die voraussichtliche Höhe der Abgaben wurde mit S 3,102.425,-- bekannt gegeben.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Scheibbs vom 20. November 1985 wurde auf Grund des Sicherstellungsauftrages hinsichtlich eines Betrages von S 3,102.425,-- eine Pfandrechtsvormerkung auf Liegenschaftsanteilen des Vaters des Beschwerdeführers einverleibt.

Der Vater des Beschwerdeführers erhob Berufung. Die Betriebsübertragung sei bereits seit langem geplant gewesen und mit Stichtag 1. Juli 1983 durchgeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei er in Pension gegangen, nachdem er seine Gewerbeberechtigung bereits am 31. März 1983 zugunsten des Beschwerdeführers zurückgelegt gehabt habe. Der Umstand, daß der Notariatsakt erst 1985 errichtet worden sei, habe seine Ursache insbesondere in Streitigkeiten zwischen den Geschwistern gehabt, die sich durch die Betriebsübertragung benachteiligt gefühlt hätten. In der Betriebsübertragung sei daher keineswegs der Versuch einer Vermögensverlagerung zum Nachteil des Fiskus zu erblicken.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 1985 trat der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf §§ 257 ff BAO "als angeblich Haftender" der Berufung seines Vaters bei. Es sei ihm mitgeteilt worden, daß sein Besitz mit S 3,102.425,-- "von Seiten der Finanzprokuratur belastet ist, bzw. ein Vormerk im Grundbuch in dieser Höhe existent ist". Er sei als "völlig Unbeteiligter in dieses Dilemma hineingeschlittert". Wenn er "je geahnt hätte, daß das eintrifft" hätte er den Betrieb nie übernommen. Er ersuche, die Berufung seines Vaters "als meine eigene" zu betrachten. Weiters ersuche er um Aufhebung der Exekution zur Sicherstellung durch Pfandrechtsvormerkung auf seiner Liegenschaft und um Löschung der Einverleibung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes nach dem Wiederbesiedlungsgesetz.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. In der Betriebsübertragung sei jedenfalls eine Gefährdung der Einbringung der Abgabennachforderungen in der voraussichtlichen Höhe von S 3,000.000,-- zu erblicken. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Vater des Beschwerdeführers die Betriebsübertragung schon seit langem geplant habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 14 BAO für einen Teil jener Abgaben herangezogen werden konnte, auf die sich der Sicherstellungsauftrag bezog, daß jedoch ein solcher Haftungsbescheid zum Zeitpunkt des Beitrittes des Beschwerdeführers zur Berufung seines Vaters gegen den Sicherstellungsauftrag noch nicht erlassen worden war.

Der angefochtene Bescheid ist an den Beschwerdeführer gerichtet; sein Spruch lautet:

    "Die Berufungen des Herrn .... (Vater des

Beschwerdeführers) und des gemäß § 257 BAO beigetretenen

Herrn ...  (Beschwerdeführer) gegen den Bescheid des

Finanzamtes Scheibbs vom 13. November 1985 betreffend die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages über S 3,102.425,-- werden abgewiesen".

Gemäß § 257 Abs. 1 BAO kann einer Berufung, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, beitreten, wer nach Abgabenvorschriften für die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Abgabe als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger (§ 224 Abs. 1) in Betracht kommt. Nach Abs. 2 der zitierten Bestimmung kann derjenige, der einer Berufung beigetreten ist, die gleichen Rechte geltend machen, die dem Berufungswerber zustehen.

Dem Wortlaut des § 257 Abs. 1 BAO ist zu entnehmen, daß ein Beitritt zur Berufung nur in jenen Fällen vorgesehen ist, in denen Gegenstand des angefochtenen Bescheides eine Abgabe bildet, für die der Beitretende als Gesamtschuldner oder Haftungspflichtiger in Betracht kommt. Als Bescheide, deren Gegenstand eine Abgabe bildet, kommen grundsätzlich nur Abgabenbescheide im Sinne des § 198 BAO in Betracht (vgl. Stoll Bundesabgabenordnung, Seite 635 f und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Ein Sicherstellungsauftrag ist kein Abgabenbescheid, weil mit diesem keine Abgaben festgesetzt werden. Der Beitritt des Beschwerdeführers zur Berufung seines Vaters gegen den Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes war daher unzulässig und hätte von der belangten Behörde gemäß § 258 Abs. 2 lit. b BAO zurückgewiesen werden müssen.

Für diese Rechtsauffassung spricht nicht nur der Wortlaut des § 257 Abs. 1 BAO, sondern auch der Umstand, daß der Beitritt zu einer Berufung nur sinnvoll erscheint, wenn der angefochtene Bescheid geeignet ist, Rechtswirkungen gegenüber dem Beitretenden zu entfalten. Dies trifft auf einen Abgabenbescheid, nicht jedoch auf einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO zu, der gegenüber dem Primärschuldner erlassen wird:

Sobald ein potentiell Haftungspflichtiger gemäß § 224 BAO bescheidmäßig zur Haftung herangezogen wird, entfaltet der gegenüber dem Primärschuldner erlassene Abgabenbescheid hinsichtlich jener Abgaben, für die die Haftung geltend gemacht wurde, unmittelbare Rechtswirkungen auch gegenüber dem Haftenden. Durch den Beirtritt zur Berufung des Primärschuldners gegen den Abgabenbescheid wird daher ermöglicht, daß der potentiell Haftungspflichtige bereits in dem vom Abgabepflichtigen angestrengten Rechtsmittelverfahren Parteistellung erlangt und Einwendungen vorbringen kann, die er sonst erst nach seiner Inanspruchnahme als Haftender in einem eigenen Rechtsmittelverfahren gegen denselben Abgabenbescheid vorbringen könnte.

Ein Sicherstellungsauftrag entfaltet hingegen immer nur Rechtswirkungen gegenüber jenem Abgabepflichtigen, an den er gerichtet ist. Er setzt voraus, daß der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen. Das bedeutet, daß die Abgabenschuld bereits gemäß § 4 BAO entstanden sein muß. Bei einem potentiell Haftungspflichtigen entsteht jedoch die Abgabenschuld nicht gemäß § 4 BAO, sondern als Gesamtschuld gemäß § 7 Abs. 1 BAO erst mit der bescheidmäßigen Geltendmachung der Haftung.

Aber selbst NACH Geltendmachung der Haftung könnte ein gegenüber dem Primärschuldner erlassener Sicherstellungsauftrag keine Rechtswirkungen gegenüber dem Haftenden entfalten, weil eine der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages "die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe" ist und diese Voraussetzung beim Haftungspflichtigen gesondert zu prüfen wäre. Dabei kann es im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob überhaupt einem Haftungspflichtigen gegenüber ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden kann, da ein solcher nur während des Zeitraumes vom Entstehen der Abgabenschuld bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) vorgesehen ist und dieser Zeitraum beim Haftungspflichtigen nur einen Monat beträgt (Entstehen der Abgabenschuld mit Erlassung des Haftungsbescheides - Fälligkeitstag gemäß § 224 BAO (= Eintritt der Vollstreckbarkeit) nach Ablauf eines Monats).

Wie bereits gesagt, wäre die Beitrittserklärung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde jedenfalls gemäß § 258 Abs. 2 lit. b BAO zurückzuweisen gewesen. Dadurch, daß die belangte Behörde dies nicht getan hat, sondern die Berufung abgewiesen hat, wird der Beschwerdeführer in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, weil ein Bescheid, mit dem eine Berufung abgewiesen wird, und dessen Rechtswirkung sich darin erschöpft, daß der angefochtene Bescheid bestätigt wird, nicht Rechte einer Person verletzt, die zur Erhebung der Berufung gar nicht berechtigt war.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß der Gerichtshof die Auffassung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift teilt, wonach Einwendungen des Beschwerdeführers, daß sein Eigentumsrecht durch allfällige Sicherungsmaßnahmen betreffend die Abgabenschuldigkeiten seines Vaters verletzt würden, im Abgabenvollstreckungsverfahren geltend zu machen gewesen wären.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1986130103.X00

Im RIS seit

06.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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