TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/5 90/18/0138

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Veröffentlicht am 05.10.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs2;

Betreff

N gegen Oberösterreichische Landesregierung vom 4. Mai 1990, Zl. VerkR-12.851/3-1990-II/Ma, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages sowie Zurückweisung einer Berufung in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unter Punkt I. des Spruches des Bescheides der OÖ Landesregierung vom 4. Mai 1990 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 ihm gegenüber mündlich verkündete Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 7. September 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen.

Unter Punkt II. des Spruches dieses Bescheides der OÖ Landesregierung wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Februar 1990, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das erwähnte Straferkenntnis zurückgewiesen worden war, keine Folge gegeben. Auch die Berufungsbehörde ging davon aus, daß dieser Antrag nach Ablauf der Frist des § 71 Abs. 2 AVG 1950 eingebracht worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, daß sich der Beschwerdeführer seinem gesamten Beschwerdevorbringen nach nicht durch die Zurückweisung seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis, sondern dadurch beschwert erachtet, daß seinem Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages keine Folge gegeben worden ist.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn a) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.

Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob die belangte Behörde davon ausgehen durfte, daß der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers nicht "binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses" im Sinne dieser eben zitierten Regelung eingebracht worden ist.

Dem Verwaltungsstrafakt ist zu entnehmen, daß dem - zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführer gegenüber am 7. September 1989 ein Straferkenntnis wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 mündlich verkündet worden ist, wobei der Beschwerdeführer keinen Berufungsverzicht abgegeben und auch nicht innerhalb von drei Tagen nach der Verkündung des Straferkenntnisses eine schriftliche Ausfertigung desselben verlangt hat. Am 21. September 1989 langte bei der Behörde erster Instanz ein Schriftsatz des Vertreters des Beschwerdeführers ein, mit welchem die diesbezügliche Vollmacht vorgelegt und ersucht worden ist, den Akt zwecks Einsichtnahme durch den Vertreter an die Bundespolizeidirektion Linz zu übersenden. Bei dieser Behörde erfolgte sodann am 31. Oktober 1989 durch einen Konzipienten des Vertreters des Beschwerdeführers Einsicht in diesen Verwaltungsstrafakt. In der daraufhin abgegebenen Stellungnahme vom 15. November 1989 nahm der Vertreter des Beschwerdeführers zu dem erhobenen Vorwurf einer Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 meritorisch Stellung, ohne das am 7. September 1989 mündlich verkündete Straferkenntnis zu erwähnen. Am 30. November 1989 wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers daraufhin das Schreiben der Behörde erster Instanz vom 28. November 1989 zugestellt, dessen erster Absatz folgenden Wortlaut hat:

"Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 07.09.1989 wurde Ihnen eine Strafe von S 14.000,-- wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 auferlegt. Es wurde Ihnen angelastet, den PKW, Kennzeichen ..., am 08.08.1989 um 01.30 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Dieses Straferkenntnis ist bereits in Rechtskraft erwachsen."

Mit dem am 12. Dezember 1989 zur Post gegebenen Schreiben gleichen Datums beantragte der Beschwerdeführer sodann durch seinen ausgewiesenen Vertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das erwähnte Straferkenntnis, wobei er im wesentlichen geltend machte, erst anläßlich einer - weiteren - Akteneinsicht am 5. Dezember 1989 "erstmals das Straferkenntnis vom 7. 9. 1989 zur Kenntnis" bekommen zu haben, da sich "die mit den Seitenzahlen 5 und 6 bezeichneten und mit Straferkenntnis überschriebenen Teile der Verhandlungsschrift" bei der Akteneinsicht am 31. Oktober 1989 nicht im Akt befunden hätten.

Die belangte Behörde hat nun entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten, daß es dem Vertreter des Beschwerdeführers im Hinblick auf das erstbehördliche Schreiben vom 28. November 1989 zufolge seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht nicht nur möglich und zumutbar, sondern für ihn geboten gewesen wäre, sich durch Akteneinsicht die notwendige Kenntnis über den Stand des Verwaltungsverfahrens zu verschaffen. Wäre er dieser Obliegenheit umgehend nachgekommen, wäre keine Fristversäumnis eingetreten. Der Erstbehörde sei es gemäß § 33 Abs. 4 AVG 1950 verwehrt gewesen, eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu gewähren.

Nach Auffassung des Gerichtshofes kann es dahingestellt bleiben, ob es für den Vertreter des Beschwerdeführers notwendig war, sich durch eine - abermalige - Akteneinsicht die notwendige Kenntnis über den Stand des Verfahrens zu verschaffen, weil für ihn bereits mit der am 30. November 1989 erfolgten Zustellung des behördlichen Schreibens vom 28. November 1989 klar sein mußte, daß gegenüber dem Beschwerdeführer wegen des "am 08.08.1989 um 01.30 Uhr" begangenen Deliktes das Straferkenntnis vom 7. September 1989 erlassen worden ist, welches "bereits in Rechtskraft erwachsen ist". Zu diesbezüglichen Zweifeln hätte im übrigen auch im Hinblick auf diese Tatzeit, welche mit den dem Vertreter des Beschwerdeführers unbestritten schon anläßlich der Akteneinsicht vom 31. Oktober 1989 zur Kenntnis gelangten diesbezüglichen Angaben in der Gendarmerieanzeige übereinstimmt, sowie angesichts der auf dem erwähnten Schreiben vom 28. November 1989 angeführten und mit dem vorangehenden Akteninhalt übereinstimmenden Aktenzahl keine Veranlassung bestanden. Der Vertreter des Beschwerdeführers hat also jedenfalls bereits am 30. November 1989 wissen müssen, daß gegen den Beschwerdeführer wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ein bereits rechtskräftig gewordenes Straferkenntnis erlassen worden ist, weshalb die einwöchige Frist des § 71 Abs. 2 AVG 1950 an diesem Tage zu laufen begonnen hat und der erst am 12. Dezember 1989 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag verspätet eingebracht worden ist.

Mit Rücksicht auf die schon erwähnte Entbehrlichkeit von Erörterungen darüber, ob nach Zustellung des Schreibens vom 28. November 1989 eine neuerliche Akteneinsicht notwendig war, können auch Erwägungen darüber entfallen, ob dem Vertreter des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der zumutbaren anwaltlichen Sorgfaltspflicht in Anbetracht der von ihm geltend gemachten "terminlichen Beanspruchung" ein Vorwurf gemacht werden kann, daß diese neuerliche Akteneinsicht erst am 5. Dezember 1989 erfolgt ist.

Wenn der Beschwerdeführer abschließend releviert, daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde von Amts wegen eine Wiederaufnahme des Verfahrens durchzuführen gehabt hätten, weil das Straferkenntnis von einer hiezu nicht befugten Person erlassen worden sei, so muß ihm entgegengehalten werden, daß er durch den angefochtenen Bescheid wegen des auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages beschränkten Prozeßthemas nicht dadurch im Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) verletzt sein kann, daß die belangte Behörde kein Verfahren im Sinne des § 69 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) eingeleitet hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180138.X00

Im RIS seit

05.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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