TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/16 90/05/0008

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Veröffentlicht am 16.10.1990
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L82009 Bauordnung Wien;
L85003 Straßen Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
BauO NÖ 1976 §1 Abs1;
BauO NÖ 1976 §109 Abs3;
BauO NÖ 1976 §2 Z5;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
BauO NÖ 1976 §92;
BauO NÖ 1976 §93;
BauO Wr §127 Abs8 lita;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauRallg impl;
BauRallg;
LStG NÖ 1979 §1 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Roman und der Gertrude N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. November 1989, Zl. R/1-V-8946, betreffend eine Baueinstellung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben jeweils zu gleichen Teilen dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde, datiert mit 23. Jänner 1989, wurde den Beschwerdeführern der baubehördliche Auftrag erteilt, "die begonnenen Bauarbeiten zur Errichtung einer straßenseitigen Einfriedung längs des Gemeindeweges, Grundstück Nr. 178 KG. X, einzustellen". Die Berufungsbehörde ging davon aus, daß die Beschwerdeführer damit begonnen hätten, "Pfähle einzugraben bzw. einzuschlagen", welche einen Durchmesser von 20 bis 30 cm aufweisen und "um 2,00 m" hoch sind. Auf der gesamten Länge des Grundstückes im Ausmaß von 150 m seien 35 Pfähle aufgestellt worden.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. November 1989 wurde die von den Beschwerdeführern gegen den erwähnten Berufungsbescheid erhobene Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Wortlautes des § 92 Abs. 1 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß jede Art von Einfriedung gegen eine öffentliche Verkehrsfläche, einen Park oder einen Grüngürtel einer Baubewilligung bedürfe und daß es auf das Material der Einfriedung nicht ankomme, weshalb der in Rede stehende Weidezaun eine Einfriedung im Sinne der genannten baurechtlichen Bestimmung darstelle. Zu der Frage, ob der Weg mit der Grundstücksnummer 178 des Grundbuches über die Katastralgemeinde X eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne dieser Bestimmung sei, werde festgestellt, daß dieser Weg im Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche gewidmet sei. Im Grundbuch über die Katastralgemeinde X sei das Grundstück Nr. 178 als Weg bezeichnet und scheine die mitbeteiligte Gemeinde als Eigentümerin dieses öffentlichen Gutes auf. Auch das dort aufgestellte Verkehrszeichen beweise, daß es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche handle. Es mache nur kund, daß die Benützung dieses Weges mit Fahrzeugen verboten sei (nicht aber zu Fuß oder zu Pferd), und daß Anrainer von diesem Fahrverbot ausgenommen seien. Gemäß § 3 Abs. 3 des NÖ Landesstraßengesetzes seien alle Verkehrsflächen Gemeindestraßen, die am 1. November 1956 in der Erhaltung und Verwaltung der Gemeinde gestanden seien. Dies sei laut Bericht der Gemeinde bei diesem Weg der Fall. Die Beschwerdeführer hätten somit eine Einfriedung, die an eine öffentliche Verkehrsfläche grenze, hergestellt. Dieses Vorhaben sei im Sinne des § 92 Abs. 1 Z.3 der NÖ Bauordnung 1976 bewilligungspflichtig. Eine Baubewilligung für dieses Vorhaben sei jedoch bisher weder beantragt noch erteilt worden. Gemäß § 109 Abs. 3 der NÖ Bauordnung habe die Baubehörde die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen, wenn ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedürfe, ohne Bewilligung ausgeführt werde. Die Einstellung der Bauarbeiten sei daher zu Recht erfolgt.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erwogen:

Zunächst ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen darauf hinzuweisen, daß das Datum eines Bescheides kein wesentliches Bescheidmerkmal darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1984, Zl. 84/02/0008), weshalb die belangte Behörde den offensichtlichen Irrtum bei der Datierung des Berufungsbescheides der mitbeteiligten Gemeinde nicht zum Anlaß einer Aufhebung desselben zu nehmen hatte, zumal davon auszugehen ist, daß diesem Bescheid ein diesbezüglicher Beschluß des Gemeinderates zu Grunde liegt, und der Tag der Beschlußfassung im übrigen im Bescheid auch ausdrücklich erwähnt worden ist.

Gemäß § 92 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 bedürfen nachstehende Vorhaben einer Bewilligung der Baubehörde:

1.

...

2.

...

3.

die Herstellung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen, Parks oder Grüngürtel;

.....

Zufolge § 109 Abs. 3 leg. cit. hat die Baubehörde die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen, wenn ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedarf, ohne Bewilligung ausgeführt wird.

Für die Beantwortung der Frage, ob eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. vorliegt, sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Vorschriften des NÖ Landesstraßengesetzes maßgebend.

Nach § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes alle dem Verkehr von Menschen und Fahrzeugen dienenden Flächen (Straßen und Wege), die dem öffentlichen Verkehr ausdrücklich gewidmet worden sind.

Nach den unbestrittenen Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist der in Rede stehende Weg, an welchem die Einfriedung errichtet werden soll, im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Verkehrsfläche gewidmet, weshalb schon allein aus diesem Grunde davon auszugehen ist, daß es sich bei diesem Weg um eine "öffentliche Verkehrsfläche" im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 handelt und nicht mehr geprüft werden muß, ob die belangte Behörde mit Recht angenommen hat, daß diese Grundfläche zufolge § 3 Abs. 3 des NÖ Landesstraßengesetzes eine Gemeindestraße sei, weil sie am 1. November 1956 in der Erhaltung und Verwaltung der Gemeinde gestanden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hält die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Auffassung der belangten Behörde, daß jede Art von Einfriedung gegen eine öffentliche Verkehrsfläche einer Baubewilligung bedarf, für zutreffend, weil im § 92 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 einleitend ausdrücklich von der Bewilligungspflicht von "Vorhaben", also nicht von "baulichen Vorhaben" im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. die Rede ist, sodaß Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen nicht nur dann einer Baubewilligung bedürfen, wenn es sich hiebei um eine "Baulichkeit" im Sinne der Legaldefinition des § 2 Z. 5 leg. cit. handelt. Die von den Beschwerdeführern in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Baueinstellungsauftrag geäußerte Auffassung, "die Einzäunung" ihres Grundstückes stelle "eine ortsübliche Art dar, einen Weidezaun aufzustellen, der den gesetzlichen Vorschreibungen über die sichere Verwahrung von Weidetieren genügt", vermag daher nichts daran zu ändern, daß diese "Einzäunung" ein bewilligungsbedürftiges "Vorhaben" im Sinne des Einleitungssatzes des § 92 Abs. 1 leg. cit. darstellt, zumal nicht übersehen werden darf, daß bei der Herstellung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen Straßenfluchtlinien und andere Festlegungen eines Bebauungsplanes einzuhalten, allenfalls Straßengrundflächen abzutreten und Beeinträchtigungen des Ortsbildes zu vermeiden sind (vgl. dazu Hauer-Zaussinger, Die Bauordnung für Niederösterreich, 3. Aufl., S. 266, Anm. zu § 92 Abs. 1 Z. 3).

Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, daß die Einstufung der bisher eingebrachten Pfähle als Einfriedung im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 3 der Bauordnung unrichtig sei, weil es sich vorläufig einfach um eine Reihe von Pfählen handle, die in den Boden eingeschlagen worden seien, so genügt ein Hinweis auf das eben wiedergegebene Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Berufung, in welcher sie selbst von der Errichtung einer "Einzäunung" im Sinne eines Weidezaunes ausgegangen sind, sodaß den Baubehörden nicht mit Recht vorgeworfen werden kann, die Errichtung einer Einfriedung bloß vermutet zu haben.

Zu der von den Beschwerdeführern im Rahmen ihrer Verfahrensrüge aufgeworfenen Frage, woraus die Baubehörden überhaupt den Schluß gezogen hätten, daß die Beschwerdeführer als Bauführer anzusehen seien, "da ja die Grundeigentümerschaft keinerlei schlüssigen Anhaltspunkt in dieser Richtung zu bieten vermag", ist zu bemerken, daß die Beschwerdeführer selbst - auch in der Beschwerde - keinen Zweifel daran gelassen haben, daß das den Gegenstand der in Rede stehenden Baueinstellung bildende Vorhaben in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung begonnen worden ist. Der belangten Behörde kann daher nicht der Vorwurf gemacht werden, eine wesentliche und damit zur Aufhebung des Berufungsbescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht aufgegriffen zu haben und infolgedessen zu Unrecht davon ausgegangen zu sein, daß der Auftrag zur Baueinstellung an die Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Bauherren zu ergehen hatte (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 17. September 1985, Zl. 85/05/0090, BauSlg. Nr. 497).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei (Zuerkennung des Vorlageaufwandes) war abzuweisen, weil die Verwaltungsakten von der belangten Behörde vorgelegt worden sind und der Vorlageaufwand daher dem Land Niederösterreich zuzusprechen war.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Einhaltung der FormvorschriftenBescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle ErfordernisseBewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Baubewilligung BauRallg6Bescheidcharakter BescheidbegriffBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 BauherrDatum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050008.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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