TE Vfgh Beschluss 1988/2/26 V147/87

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Veröffentlicht am 26.02.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
StGG Art5
Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 19.12.85 betreffend Verkehrsbeschränkungen (Nachtfahrverbot) in Ischgl
StVO 1960 §45 Abs2

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 19.12.85, Zl. II-5854/1-85, durch die verschiedene - zeitlich befristete Verkehrsbeschränkungen und insbesondere ein zeitlich unbefristetes Nachtfahrverbot für das gesamte Ortsgebiet von Ischgl verfügt wurde; Erwirkung einer Ausnahmebewilligung iS des §45 Abs2 StVO 1960 für den Antragsteller zumutbar; kein Eingriff in eine rechtlich geschützte Interessenssphäre des Antragstellers als Unternehmer - wirtschaftliche Auswirkungen von Verkehrsvorschriften; Mangel der Antragslegitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit der als "Beschwerde" bezeichneten Eingabe beantragt der Antragsteller, der in Ischgl ein Hotel betreibt, die Aufhebung der V der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 19.12.1985, Zl. II-5854/1-85, durch die verschiedene - zeitlich befristete - Verkehrsbeschränkungen und insbesondere ab 21.12.1985, 22.00 Uhr, ein zeitlich unbefristetes Nachtfahrverbot für die Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr für das gesamte Ortsgebiet von Ischgl verfügt wurden.

Der Antragsteller erachtet sich als Hotelier in Ischgl durch die angefochtene V in seinem subjektiven Recht auf Zufahrt zum eigenen Hotel sowie in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht für unmittelbar verletzt. Begründend führt er ins Treffen, daß eine Zufahrt zu seinem Hotel für ihn und für seine Familie während der Nachtstunden nicht mehr möglich sei, sodaß er auswärts eingekaufte Waren am Parkplatz im Auto belassen oder von diesem bis zum Hotel händisch transportieren müsse, wozu er aufgrund seines körperlichen Zustandes nicht in der Lage sei.

Darüber hinaus führt der Antragsteller für eine Beeinträchtigung seiner rechtlich geschützten Interessen ins Treffen, daß die Zufahrt zu seinem Hotel durch Urlaubsgäste in den Nachtstunden nicht mehr möglich sei, sodaß Reisegruppen nunmehr in anderen Wintersportorten ihren Urlaub verbringen und ihm Umsatz- und Vermögenseinbußen entstehen würden.

Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen V wird vom Antragsteller unter Hinweis auf §94 f Abs1 lita Z3 StVO 1960 damit begründet, daß vor ihrer Erlassung die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, "die Interessenvertretung der Ischgler Hoteliers - die Handelskammer - entsprechend anzuhören", was nicht geschehen sei.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art139 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8009/1977 u.v.a.). Dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. VfSlg. 8060/1977).

2. Soweit der Antragsteller für sich aus der angefochtenen V ein Verbot entnimmt, zu gewissen Zeiten zu seinem Hotel zuzufahren, hält der VfGH die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung im Sinne des §45 Abs2 StVO für einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der rechtlichen Interessen des Antragstellers; zumal diese Vorschrift gerade auf "ein erhebliches persönliches (wie z.B. auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers" Rücksicht nimmt. Ob diese Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung vom Nachtfahrverbot tatsächlich gegeben wären, müßte in einem (auf Antrag des Betroffenen eingeleiteten) Verwaltungsverfahren erst geklärt werden. Wären die Voraussetzungen gegeben, so hätte die Behörde durch Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung die sonst für jedermann eintretende Verkehrsbeschränkung für den Antragsteller wieder aufzuheben. Damit steht diesem ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der V von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden (letztinstanzlichen) Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbotes an den VfGH heranzutragen. Diesen Weg hält der Gerichtshof für zumutbar (vgl. z.B. VfSlg. 8553/1979; 9277/1981; 10302/1984; VfGH 6.12.1984, V93/82; VfSlg. 11366/1987).

3. Soweit der Antragsteller aber seine Interessen durch die bekämpfte V dadurch beeinträchtigt sieht, daß seinen Gästen die Zufahrt zu seinem Hotel in den Nachtstunden nicht mehr möglich ist und er deshalb Gäste und Umsatz einbüße, sodaß seine Vermögensinteressen beeinträchtigt seien, fehlt es an einem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers. Bei den geschilderten wirtschaftlichen Auswirkungen von Verkehrsvorschriften handelt es sich vielmehr nur um faktische Reflexwirkungen der insoweit an andere Personen gerichteten Norm, nicht aber um Eingriffe in eine rechtlich geschützte Interessenssphäre des Antragstellers als Unternehmer. Weder das Eigentums- noch ein sonstiges Recht des Antragstellers in Bezug auf den Standort seines Gewerbebetriebes, noch eine gewerberechtliche oder die Stellung von Anliegern regelnde Vorschrift räumen ihm eine Rechtsposition ein, die durch das Nachtfahrverbot berührt würde. Keine Vorschrift gibt dem Antragsteller einen Anspruch darauf, daß seine Gäste zu seinem Hotel zufahren dürfen. Insbesondere ist auch aus den Vorschriften der StVO ein Recht dieses Inhaltes nicht ableitbar (vgl. ebenso VfSlg. 8670/1979, 8757/1980 und 10491/1985).

4. Der Antrag ist daher mangels Legitimation des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen, Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V147.1987

Dokumentnummer

JFT_10119774_87V00147_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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