TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/19 87/17/0161

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Veröffentlicht am 19.10.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

AVG §59 Abs1;
BStG 1971 §20 Abs1;
VVG;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der A gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Jänner 1986, Zl. BauR-6290/1-1986-Gr/Mo, betreffend Vollstreckung eines Enteignungsbescheides (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich - Bund, Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in dem in Beschwerde gezogenen Umfang, d.i. in seinem Punkt I, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 14.210,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Juni 1974 wurde "gemäß §§ 17 und 20 Abs. 1 Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71," für den Ausbau der S-Straße, B 120, vom km 80,400 bis km 83,100 im Baulos "S" das dauernde und lastenfreie Eigentum an einer Reihe von - nach Grundeigentümer, Einlagezahl, Grundstück-Nr., Kulturgattung und voraussichtlich beanspruchter Fläche in m2 - angeführten "Grundstücken bzw. Grundstücksteilen, einschließlich der darauf befindlichen baulichen Anlagen und des Bewuchses, unbeschadet der genauen Vermessung in der Natur, für die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, im Wege der Enteignung in Anspruch genommen".

Die gegen diesen Bescheid von B und A (der Beschwerdeführerin) erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 18. November 1974 abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1985 beantragte die mitbeteiligte Partei den zwangsweisen Vollzug der Enteignung der beschwerdegegenständlichen Grundflächen, weil die Enteignung mangels stillschweigender bzw. ausdrücklicher Zustimmung der Enteigneten nicht habe vollzogen werden können. Die laut Bescheid gebührenden Enteignungsentschädigungen seien an die Enteigneten ausbezahlt worden.

Nachdem die Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit Erledigung vom 19. November 1985 die Ersatzvornahme angedroht hatte, erließ sie mit Bescheid vom 4. Dezember 1985 folgende Vollstreckungsverfügung:

"Mit dem vollstreckbaren Bescheid des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 28.6.1974, Zl. BauR-4672/4-1974-Gr/Pl. und der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 29.1.1976, Zl. BauR-141-1975 wurden Sie verpflichtet, bis spätestens am 22.8.1985 FOLGENDE LEISTUNGEN zu erbringen:

a) Übergabe von ca. 3.000 m2 aus Grundstück Nr. 886, EZ. 53, KG. D, und ca. 60 m2 aus Grundstück Nr. 887, EZ. 53, KG. D, an die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, für den Ausbau der B 120, S-Straße.

b) Übergabe von 300 m2 aus Grundstück Nr. 886, EZ. 53, KG. D, an die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, für die vorübergehende Inanspruchnahme zur Wiederherstellung unterbrochener Verkehrsbeziehungen im genannten Straßenbauvorhaben.

Da Sie dieser Pflicht nicht nachgekommen sind, obwohl Ihnen mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 19.11.1985 angedroht worden ist, daß die mangelnden Leistungen auf Ihre Gefahr und Ihre Kosten bewerkstelligt werden hiemit gemäß § 4 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG. 1950) BGBl. Nr. 172, die oben angeführten Leistungen (a und b) auf Ihre Gefahr und Ihre Kosten durchgeführt."

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid nach dessen Spruchpunkt I vom Landeshauptmann von Oberösterreich gemäß § 10 VVG 1950 als unbegründet abgewiesen. Der Spruch des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4. Dezember 1985 wurde jedoch wie folgt abgeändert:

"Aufgrund des rechtskräftigen Enteignungsbescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28.6.1974, BauR-4672/4-1974 Gr/Pl, sowie aufgrund des § 20 Abs. 4 BStG. 1971 sind die Ehegatten verpflichtet, die Inbesitznahme von 3.000 m2 aus Grundstück Nr. 886, KG. D, und von 60 m2 aus Grundstück Nr. 887, KG. D, durch die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, zu dulden. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind, wird hiemit gemäß § 7 VVG 1950 die Inbesitznahme dieser Grundstücksteile durch die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, auf ihre Gefahr und Kosten durch Anwendung unmittelbaren Zwanges vollzogen."

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, B und A seien durch den Enteignungsbescheid nicht zu einem aktiven Tun oder zu einer sonstigen Handlung verpflichtet worden, sondern zu einer Unterlassung, nämlich der Unterlassung von Maßnahmen, die die Inbesitznahme der enteigneten Grundflächen durch die mitbeteiligte Partei hinderten. Die Zwangsmittel für die zwangsweise Vollstreckung seien in diesem Fall die Verhängung von Zwangsstrafen oder die Anwendung unmittelbaren Zwanges gemäß § 7 VVG 1950. Der Spruch des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Gmunden sei daher diesbezüglich abzuändern gewesen.

Gegen den Spruchpunkt I dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde. Dem gesamten Vorbringen nach wird die Verletzung des Rechtes auf nicht zwangsweisen Vollzug der Enteignung behauptet. Es wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - gleich wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Im Schriftsatz vom 31. Oktober 1989 teilte A mit, daß ihr der Nachlaß ihres am 26. Mai 1987 verstorbenen Ehegatten zur Gänze eingeantwortet wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird unter anderem gerügt, daß der Enteignungsbescheid hinsichtlich der Übergabe unvollziehbar sei. Im Spruch des Enteignungsbescheides sei nur die Rede von einer "voraussichtlich beanspruchten Fläche in m2". Es seien weder das genaue Ausmaß noch die genaue Lage der Enteignungsflächen definiert. Der Enteignungsplan habe nicht die Qualität eines verbücherungsfähigen Teilungsplanes.

Schon mit diesem Vorbringen kommt der Beschwerde Berechtigung zu:

Gemäß § 20 BStG 1971 hat die Bundesstraßenbehörde über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1985, Zlen. 85/06/0032, 0033, und die dort zitierte Vorjudikatur) muß sich der Umfang der Enteignung aus dem Spruch des Enteignungsbescheides klar entnehmen lassen; handelt es sich nur um Grundstücksteile, dann muß dies durch den Bezug auf einen angeschlossenen oder zumindest dem Enteignungsverfahren zugrunde liegenden näher bezeichneten Plan geschehen.

Der von den Vollstreckungsbehörden im Beschwerdefall herangezogene Titelbescheid enthält eine solche Bezugnahme nicht. Dabei hätte es im Hinblick auf das Erfordernis der Bestimmtheit des Umfanges der Enteignung eines solchen Verweises bedurft, weil es sich bei den von der Enteignung betroffenen Grundflächen um keine ganzen Grundbuchskörper oder ganzen Grundstücke, sondern um Teilflächen handelt.

Daraus ergibt sich, daß im Beschwerdefall der dem Vollstreckungsverfahren zugrundeliegende Titelbescheid in ausreichend konkretisierter Form nicht erkennen läßt, welche Teilflächen der Grundstücke überhaupt beansprucht wurden. Das allein bedeutet aber, wie in der Beschwerde im Ergebnis zutreffend erkannt wird, daß sich ein auf diesem Bescheid - allenfalls - aufbauendes Vollstreckungsverfahren schon aus diesem Grund als unzulässig erweist.

Schon deshalb hätte die belangte Behörde den Bescheid über die dennoch von der Vollstreckungsbehörde erster Instanz verfügte Ersatzvornahme gemäß § 4 Abs. 1 VVG 1950 wegen Unzulässigkeit der Vollstreckung gemäß § 10 Abs. 2 lit. a VVG 1950 aufheben müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund in jenem Umfang, in dem er angefochten wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens war sohin entbehrlich.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens war ein Abspruch über den neuerlichen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entbehrlich.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, weil bereits die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung den für Umsatzsteuer geltend gemachten Betrag.

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Inhalt des Spruches Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987170161.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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