TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/22 90/19/0318

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Veröffentlicht am 22.10.1990
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ARG 1984 §1 Abs2 Z5;
AZG §1 Abs2 Z8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissärin Dr. Kral, über die Beschwerde des N., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 25. April 1990, Zl. 3/07-7065/4-1990, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 12. März 1990, Zl. 90/19/0051, verwiesen, womit der Bescheid der belangten Behörde vom 9. August 1989 infolge Verstoßes gegen die Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1950 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.

In der Folge erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 25. April 1990, mit welchem der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig befunden wurde, er habe als Geschäftsführer der R. Gen.m.b.H. und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ nicht für die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitsruhegesetzes-ARG (BGBl. Nr. 144/1983) gesorgt, da anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für den 10. Aufsichtsbezirk am 26. Dezember 1987 in der Bankfiliale H. festgestellt worden sei, daß der Dienstnehmer P. M. an diesem Tag von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr beschäftigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 ARG begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet, beim Arbeitnehmer P. M. habe es sich um einen "leitenden Angestellten" im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 5 ARG gehandelt, die Bestimmungen des ARG seien sohin auf diesen nicht anwendbar.

Gemäß § 1 Abs. 1 ARG gilt dieses Bundesgesetz für Arbeitnehmer aller Art, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird. Eine der Ausnahmen davon regelt § 1 Abs. 2 Z. 5 ARG, und zwar "leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind".

Der Beschwerdeführer hatte in diesem Zusammenhang in der Berufung ins Treffen geführt, P.M. als Leiter der in Rede stehenden Bankfiliale sei "beispielsweise" für die Einhaltung der Arbeitszeiten der Angestellten, die Öffnungszeiten der Filiale, den organisatorischen Arbeitsablauf und die Urlaubseinteilung in derselben sowie für den "administrativen" Ablauf in der Filiale wie z.B. für die Buchhaltung, für die Internkontrolle, die Erstellung von Kreditanträgen und für Kundengespräche zuständig.

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Eigenschaft des P. M. als "leitender Angestellter" im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 5 ARG mit der Begründung verneint, als solche seien jene Personen anzusehen, denen maßgeblicher Einfluß auf die Führung des Betriebes zustehe und die selbständig entscheiden könnten, wie wichtige Fragen innerhalb des Betriebes zu lösen seien. Ein leitender Angestellter wäre z.B. ein Geschäftsführer, dem die gesamte Führung eines Betriebes obliege oder ein Betriebsleiter, der wichtige Entscheidungen autonom treffen könne. Die in der Berufung angeführten Tätigkeiten des Filialleiters seien hauptsächlich Tätigkeiten, die in den Aufgabenbereich von qualifizierten Bankfachleuten fielen. Das selbständige Einteilen des Urlaubes, der Arbeitszeit sowie sonstiger administrativer Abläufe seien nach Auffassung der Behörde keine Tätigkeiten, denen maßgeblicher Einfluß auf die Führung des Betriebes zukomme. Sie zeigten lediglich, daß dieser Filialleiter in der betrieblichen Hierachie weit oben angesiedelt sei. Wie aus dem Ermittlungsverfahren zu entnehmen sei, unterliege der Filialleiter den Weisungen der beiden Geschäftsführer (darunter der Beschwerdeführer) und könne deshalb keine autonomen Entscheidungen in wichtigen Fragen innerhalb des Betriebes treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 88/08/0114, zur Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 5 ARG unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Zl. 88/08/0140 (in welchem er sich mit der wortgleichen Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz auseinandergesetzt hat) ausgeführt, der Ausnahmetatbestand sei bereits dann erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer wesentliche Teilbereiche eines Betriebes in der Weise eigenverantwortlich leite, daß hiedurch auf Bestand und Entwicklung des gesamten Unternehmens Einfluß genommen werde, sodaß er sich auf Grund seiner einflußreichen Position aus der gesamten Angestelltenschaft heraushebe. Der betreffende Arbeitnehmer stelle für diesen wesentlichen Teilbereich des Betriebes gleichsam den Unternehmensführer dar, der befugt sei, allen ihm in diesem Teilbereich unterstellten Arbeitnehmern Weisungen betreffend Inhalt und Organisation ihrer Tätigkeit sowohl genereller als auch individueller Art zu geben, wobei hier nicht bedeute, daß der betreffende Arbeitnehmer in diesem Bereich völlig weisungsfrei sei. Auch der leitende Angestellte sei Arbeitnehmer und daher Weisungen ausgesetzt. Die Eigenverantwortlichkeit sei daher an einem relativen Maßstab zu messen, dem leitenden Angestellten müsse ein erheblich größerer Entscheidungsspielraum als anderen Arbeitnehmern eingeräumt sein.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage insoweit verkannt, als sie der Weisungsgebundenheit des erwähnten Filialleiters maßgebliche Bedeutung beigemessen hat. Daß dieser - sollten die Ausführungen der belangten Behörde so gemeint sein - allenfalls auf die "Geschäftspolitik" des gesamten Unternehmens, sohin auf die grundsätzlichen unternehmenerischen Zielvorgaben, keinen maßgeblichen Einfluß haben zu scheint, würde jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Einordnung dieses Filialeiters unter den Begriff des "leitenden Angestellten" ausschließen, handelt es sich doch bei einem solchen um einen Manager der "zweiten Ebene" (vgl. den diesbezüglichen Hinweis im zitierten hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Zl. 88/08/0140).

Richtig ist der Gedanke in dem zitierten Begründungsteil des angefochtenen Bescheides, daß solche Tätigkeiten, die mit der Leitungsfunktion, also mit der "Unternehmensführung" in diesem Teilbereich unmittelbar nichts zu tun haben, wesentliche Bedeutung für die Einordnung eines Arbeitnehmers als "leitenden Angestellten" im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 5 ARG haben (vgl. den Hinweis der belangten Behörde, daß die vom Beschwerdeführer angeführten Tätigkeiten "hauptsächlich" solche seien, die in den Aufgabenbereich von qualifizierten Bankfachleuten fielen). Ist nämlich ein Arbeitnehmer nicht nur mit Leitungsfunktionen, sondern auch mit anderen Tätigkeiten befaßt, so wird die Einordnung dieser Person davon abhängen, welche Tätigkeit das Schwergewicht bildet.

Ohne nähere Feststellungen über die Art der Tätigkeit des erwähnten Filialleiters ist allerdings kein abschließendes Urteil über das bezeichnete Schwergewicht möglich. Insbesondere ist nicht vollständig geklärt, welche Tätigkeiten als "Leitungstätigkeiten" und welche nicht als solche einzustufen sind (vgl. etwa den Hinweis auf die Zuständigkeit für den "administrativen Ablauf" in der Filiale). Dabei wird auf den Umstand Bedacht zu nehmen sein, welche Zeit diese beiden Gruppen von Tätigkeiten jeweils für sich in der Regel in Anspruch nehmen. Diese Feststellungsmängel werden jedoch durch die oben aufgezeigte Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde in den Hintergrund gedrängt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war. Für das fortgesetzte Verfahren sei allerdings darauf verwiesen, daß die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe nicht dem § 16 Abs. 2 VStG 1950, idF der Novelle BGBl. Nr. 516/1987, in Verbindung mit § 27 Abs. 1 ARG entspricht.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190318.X00

Im RIS seit

22.10.1990

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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