TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/23 89/11/0227

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Veröffentlicht am 23.10.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des B gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. Mai 1989, Zl. 238.566/2-3/88, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheit Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1986, Zl. 85/11/0272, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 5. September 1985 als unbegründet abgewiesen. Mit diesem im Instanzenzug ergangenen Bescheid war der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld vom 24. April 1983 gemäß § 6 Abs. 1 IESG zurückgewiesen worden. Mit diesem (mit Schriftsatz vom 5. Mai 1983 ergänzten) Antrag hatte der Beschwerdeführer die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für verschiedene Ansprüche aus seinem Dienstverhältnis zur T-Ges.m.b.H. in Liquidation, über deren Vermögen mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 15. April 1983, AZ S, der Konkurs eröffnet worden war, geltend gemacht. Die Zurückweisung dieses Antrages war damit begründet worden, daß der maßgebliche Insolvenz-Tatbestand für die geltend gemachten Ansprüche die mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 9. Mai 1980, AZ Sa, erfolgte Eröffnung des Ausgleichsverfahrens gewesen sei.

In den Entscheidungsgründen des erwähnten Erkenntnisses vom 29. Oktober 1986 vertrat der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auf ein neues Dienstverhältnis nicht berufen habe, die Auffassung, in der Unterlassung einer Auseinandersetzung mit den Feststellungen im Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 27. Februar 1985, GZ 3 Cr, liege kein Verfahrensmangel, zumal dieses Urteil einerseits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig gewesen sei und andererseits sich ausschließlich auf die Klagsbehauptungen und die Aussage des Klägers (= Beschwerdeführers) in seiner Parteienvernehmung gründe. Gehe man aber davon aus, daß der Beschwerdeführer mit seinem Antrag vom 24. April 1983 Ansprüche aus dem am 15. Mai 1980 beendeten Dienstverhältnis mit der genannten Gesellschaft geltend gemacht habe, so entspreche die Zurückweisung des Antrages als verspätet dem Gesetz.

Ein mit 16. Februar 1987 datiertes und am 17. Februar 1987 beim Landesarbeitsamt Wien eingelangtes Schreiben des Beschwerdeführers hat folgenden Inhalt:

"IESG - T-GmbH - Konkurs

wg. S 1,5 Mio s.A.

Soeben erhaltenes Erkenntnis des VGH 85/11/0272

Wiederaufnahms-Antrag

Wie ich dem Erkenntnis des VGH entnehmen kann, ist ein wesentlich formeller Grund für die Abweisung meines IESG-Antrages über 1,5 Mio. öS, daß im Zeitpunkt der Ablehnung das Arbeitsgerichts-Urteil NOCH NICHT rk war. Da dieses Urteil inzwischen aber rk ist, mir erst jetzt dieser Abweisungsgrund bekannt wurde, stelle ich Wiederaufnahms-Antrag an das Landesarbeitsamt, bzw. falls zuständig, das Arbeitsamt Wien. Es ist für mich auch neu, daß, obwohl die Nichtrechtskraft inzwischen längst geheilt ist, dennoch diese Nichtrechtskraft ein formeller Ablehnungsgrund sein konnte, weil dies völlig UNLOGISCH erscheint."

Mit Bescheid vom 13. Mai 1987 wies das Landesarbeitsamt Wien den Antrag vom 16. Februar 1987 auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 zurück. In der Begründung dieses Bescheides führte das Landesarbeitsamt Wien aus, auf Grund der vorliegenden Schreiben des Beschwerdeführers stehe fest, daß dieser spätestens mit 13. Oktober 1985 von der Rechtskraft des Urteiles des Arbeitsgerichtes Wien vom 27. Februar 1985 Kenntnis gehabt habe. Der Antrag vom 16. Februar 1987, mit dem die Rechtskraft als Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht werde, sei daher gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 verspätet.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 20. Mai 1987 führte der Beschwerdeführer aus, er habe bereits bei Eintritt der Rechtskraft einen Wiederaufnahmsantrag gestellt, "der aber wegen offener Rechtssache abgewiesen worden ist und derzeit beim VGH entschieden" wird. Niemals habe "man das rk. Urteil beachtet, alle Hinweise darauf nicht beachtet, alle Anträge abgelehnt, obwohl von Amts wegen zu berichtigen gewesen wäre".

Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. Mai 1989 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es liege ein Wiederaufnahmsgrund gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 vor. Ihm habe nicht klar sein müssen, daß die Rechtskraft des Urteiles des Arbeitsgerichtes Wien vom 27. Februar 1985 eine besondere Bedeutung haben könne. Die vollständige Kenntnis vom Wiederaufnahmsgrund sei daher nicht schon durch die Zustellung oder die Rechtskraft dieses Urteiles, sondern erst durch den Erhalt des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1986, Zl. 85/11/0272, eingetreten.

Die Auffassung des Beschwerdeführers, es liege ein Wiederaufnahmsgrund gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 vor, ist verfehlt, weil nicht erkennbar ist, welche neuen Tatsachen oder Beweismittel "hervorgekommen" sein sollen, d.h. schon vor Erlassung des abschließenden Bescheides vorhanden waren, aber erst später bekannt wurden (siehe Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 4. Aufl., S. 211 f, und die dort zitierte hg. Judikatur).

Nach dem Inhalt des Wiederaufnahmsantrages vom 16. Februar 1987 hat der Beschwerdeführer als Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht, daß das erwähnte Urteil des Arbeitsgerichtes Wien nunmehr rechtskräftig geworden sei. Dieses Vorbringen kann, hält man sich das System der Wiederaufnahmsgründe des § 69 Abs. 1 lit. a bis c AVG 1950 vor Augen, nur so verstanden werden, daß ein Wiederaufnahmsgrund nach § 69 Abs. 1 lit. c leg. cit. geltend gemacht wird, weil nunmehr eine bindende Vorfragenentscheidung des zuständigen Gerichtes vorliege.

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Ob es sich bei dem erwähnten arbeitsgerichtlichen Urteil überhaupt um eine in wesentlichen Punkten anders lautende Vorfragenentscheidung im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 handelt, braucht hier nicht erörtert zu werden, weil es im Beschwerdefall nur um die Rechtzeitigkeit der Antragstellung geht. Das Landesarbeitsamt Wien hat in diesem Zusammenhang im Einklang mit der Aktenlage unbekämpft festgestellt, daß der Beschwerdeführer spätestens am 13. Oktober 1985 Kenntnis von der Rechtskraft des Urteiles gehabt hat. Der Wiederaufnahmsantrag vom 16. Februar 1987 ist daher jedenfalls verspätet, sodaß es auch dahingestellt bleiben kann, welche Auswirkung die Einbringung des Antrages unmittelbar beim Landesarbeitsamt Wien anstatt beim Arbeitsamt Versicherungsdienste-Wien hatte.

Auf die Kenntnis des Beschwerdeführers vom Inhalt des hg. Erkenntnisses vom 29. Oktober 1986, Zl. 85/11/0272, kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an, weil der Beschwerdeführer damit nicht Kenntnis von dem als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Umstand, nämlich der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteiles, erhalten hat, sondern ihm dadurch allenfalls bewußt wurde, daß es möglicherweise zweckmäßig gewesen wäre, seinerzeit im Hinblick auf die eingetretene Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteiles einen Wiederaufnahmsantrag zu stellen. Da die Kenntnis des Beschwerdeführers vom Inhalt des zitierten

hg. Erkenntnisses vom 29. Oktober 1986 somit für den Fristbeginn nicht maßgeblich ist, kommt es nicht darauf an, wann der Beschwerdeführer diese Kenntnis erlangt hat (die Zustellung dieses Erkenntnisses an seinen Vertreter erfolgte nach der Aktenlage am 17. Dezember 1986) und ob er mit seinen diesbezüglich undeutlichen Angaben seiner Nachweispflicht im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG 1950 entsprochen hat.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Recht als verspätet zurückgewiesen hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110227.X00

Im RIS seit

23.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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