TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/6 90/05/0129

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Veröffentlicht am 06.11.1990
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauO NÖ 1976 §106 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs4 Z2;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der X-GmbH gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. April 1990, Zl. R/1-B-899, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Eggendorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Mai 1986 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zur Auffüllung eines Teiles des Grundstückes Nr. nn/n der KG U (Schottergrube) mit verschiedenen Materialien. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 18. März 1987 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters hinsichtlich der teilweisen Auffüllung des Grundstückes mit Straßenaufbruch ab und gab der Berufung hinsichtlich der Ablagerung von sanitär einwandfreiem Aushubmaterial Folge. Mit Bescheid vom 26. August 1987 wies die Aufsichtsbehörde die Vorstellung der nunmehrigen Beschwerdeführerin als unbegründet ab.

Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt hob als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 10. April 1989 den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. März 1987 gemäß § 93 Abs. 1 lit. d der NÖ Gemeindeordnung 1973 in Verbindung mit § 118 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 auf, weil die Bauführung bei der festgesetzten Widmung "Grünland" und der Nutzungsart "Landwirtschaft" unzulässig sei. In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wendete die Beschwerdeführerin ein, daß die Bestimmung des § 118 Abs. 4 NÖ Bauordnung der Nichtigerklärung des Bescheides entgegenstehe. Die Beschwerdeführerin stütze sich nicht auf eine konsenslose einmalige Ablagerung im September 1985 als Baubeginn, sie beziehe sich vielmehr in erster Linie auf die über eineinhalb Jahre später, nach Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides erfolgte Bautätigkeit, als zu diesem Zeitpunkt völlig zu Recht mit den Ablagerungen und dem Auffüllen der Grube begonnen worden sei und welchen Zeitpunkt sie als Baubeginn betrachte.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 13. April 1990 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, auf Grund der Erhebungen der Behörde erster Instanz stehe fest, daß mit der Realisierung des Bauvorhabens (Auffüllung der Schottergrube) im September 1985, also vor Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides begonnen worden sei. Der Behauptung der Beschwerdeführerin, daß infolge der begonnenen Realisierung des Bauvorhabens eine Nichtigerklärung im Sinne des § 118 Abs. 4 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1976 nicht mehr in Betracht komme, müsse entgegengehalten werden, daß es ja widersinnig wäre, die Befristung der Nichtigerklärung einer Baubewilligung mit dem Baubeginn auch dann anzuwenden, wenn mit der Ausführung eines Bauvorhabens schon vor dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung oder gar schon vor der Antragstellung begonnen worden sei, zumal ja in einem solchen Falle die Frist gar nicht zu laufen beginnen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 93 Abs. 1 lit. d der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-3, können rechtskräftige, gesetzwidrige Bescheide von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen in Handhabung des Aufsichtsrechtes nur aufgehoben werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Gemäß § 118 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-6 (BO), leiden Bescheide, welche u.a. entgegen der Bestimmung des § 100 Abs. 2 erlassen wurden (Widerspruch zur Widmungs- und Nutzungsart), an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Nach Z. 2 dieser Bestimmung ist die Aufhebung jedoch nur bis zum Baubeginn gemäß § 106 Abs. 1 möglich. § 106 Abs. 1 BO normiert, daß vor Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen werden darf.

Die Anführung des § 106 Abs. 1 im § 118 Abs. 4 Z. 2 BO läßt sich nur so verstehen, daß der nach § 118 Abs. 4 maßgebliche Baubeginn eine nach Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides erfolgte Bautätigkeit erfassen kann und jede Tätigkeit VOR Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides als Baubeginn im Sinne dieser Bestimmung wohl nicht in Betracht kommt.

Nun hat die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung darauf hingewiesen, daß sie nach Zustellung des Baubewilligungsbescheides von der Baubewilligung Gebrauch gemacht habe und aus der kurzfristigen Bautätigkeit im September 1985, ca. 1 bis 1,5 Jahre vor Erteilung der Baubewilligung, keine Rechtsfolgen ableite. Daß die Bautätigkeit (Auffüllung der Schottergrube) bereits vor Erteilung der Baubewilligung abgeschlossen worden sei, behauptete nicht einmal die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid. Die Argumentation der belangten Behörde, es wäre ja widersinnig, die Befristung der Nichtigerklärung einer Baubewilligung mit dem Baubeginn auch dann anzunehmen, wenn mit der Ausführung eines Bauvorhabens schon vor Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung begonnen worden ist, findet nach den oben entwickelten Erwägungen im Gesetz keine Deckung.

Die Frist des § 118 Abs. 4 Z. 2 BO ist festgesetzt, um dem Bauwerber, der im Vertrauen auf die rechtskräftige Baubewilligung baut, Fehlinvestitionen zu ersparen. Die Auslegung der belangten Behörde würde dazu führen, daß auch bei der Durchführung nur geringfügiger Bauarbeiten vor Erteilung der Baubewilligung eine Aufhebung durch die Aufsichtsbehörde auch noch nach Jahren und unbeschadet des Umstandes, daß das Bauvorhaben im Hinblick auf die rechtskräftige Baubewilligung realisiert wurde, möglich wäre. Dieser Ansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof, dem der Rechtsschutz des Einzelnen anvertraut ist, nicht anzuschließen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren für zuviel entrichtete Stempelgebühren war abzuweisen.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050129.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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