TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/7 90/01/0163

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Veröffentlicht am 07.11.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 1990, Zl. 4.273.178/2-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 8. April 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. April 1989 Asylantrag. Zur Begründung führte er aus, im Jahre 1982 sei er dem Verein HKÖ zur Befreiung des türkischen Volkes beigetreten, der der TKP nahestehe. Er hätte Flugblätter verteilt, an Demonstrationen teilgenommen und im Rahmen seiner Möglichkeiten die Bevölkerung zum Widerstand aufgerufen. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise sei den türkischen Behörden seine Mitgliedschaft bei dem illegalen Verein nicht bekannt gewesen. Im Juli 1988 sei er und ein Freund beim Herstellen eines Transparentes betreten worden. Mittels Bestechungsgeld hätte der Beschwerdeführer die Aktivitäten der Polizei gegen sich "eindämmen" können; es sei zu keiner weiteren polizeilichen Amtshandlung oder zu einer Gerichtsverhandlung gekommen. Da es jederzeit möglich gewesen sei, daß die Polizei Kenntnis von einer illegalen Tätigkeit erlangen würde, habe er die Türkei verlassen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. August 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.

Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, "alle politischen und sozialen Tätigkeiten" seien in der Türkei verboten. Man werde unter Mißachtung der Menschenrechte bestraft und inhaftiert. Mit seiner Ausreise habe er dem Gefängnis entkommen wollen. Daß die Menschenrechte in der Türkei laufend verletzt würden, sei durch viele Schriften bekannt.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, den Angaben des Beschwerdeführers könne Glauben geschenkt werden; es sei ihm jedoch im gesamten Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen, konkrete Verfolgungen seiner Person aus einem der in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Tatbestände darzutun. Vielmehr habe der Beschwerdeführer bei seiner Befragung ausdrücklich erklärt, daß seine illegale Tätigkeit den türkischen Behörden nicht bekannt geworden sei. Damit könnten aber seinem Vorbringen keine Umstände für eine objektiv begründete Furcht vor Verfolgung entnommen werden. Die von ihm ins Treffen geführte, lediglich subjektiv empfundene Furcht sei nicht als Fluchtgrund im Sinne der Konvention anzusehen. Da das Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine konkrete Verfolgung seiner Person ergeben habe, sei nicht davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention verletzt. Der Sachverhalt sei nicht hinreichend erhoben worden und dem Beschwerdeführer sei insbesondere im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben worden, unter Beiziehung eines Dolmetsch seine Rechte und rechtlichen Interessen darzulegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 (Asylgesetz), ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Soweit der Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß. Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verfahren vor der Behörde erster Instanz, dem die belangte Behörde volle Glaubwürdigkeit beigemessen hat, war sie nicht verhalten, den Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nochmals zu vernehmen, zumal es dem Beschwerdeführer offen gestanden ist, seine Fluchtgründe in der Berufung zu ergänzen. Über die allgemeinen Verhältnisse in der Türkei hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte brauchte die belangte Behörde keine weiteren Ermittlungen durchzuführen, weil aus solchen konkrete Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer nicht feststellbar wären.

Der Beschwerdeführer behauptet ferner, wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung in seinem Heimatland verfolgt zu werden. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten - auch in der Beschwerde nicht näher konkretisierten - sozialen Gruppe verfolgt worden zu sein - insoweit unterliegt dieses Beschwerdevorbringen dem Neuerungsverbot -, kann aus der vom Beschwerdeführer geschilderten politischen Tätigkeit nicht entnommen werden, daß der Beschwerdeführer aus diesem in der Konvention genannten Grund verfolgt worden ist oder eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vorliegt.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverhaltsermittlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010163.X00

Im RIS seit

07.11.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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