TE Vwgh Beschluss 1990/11/20 90/14/0003

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Veröffentlicht am 20.11.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §103 Abs2 idF 1982/201;
BAO §115 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §47 Abs2 Z2;
VwGG §56;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, in der Beschwerdesache des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 19. April 1989, Zl. 50.202-5/89, betreffend Säumniszuschläge, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen erhob der Beschwerdeführer vertreten durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter am 22. Dezember 1988 Berufung. Die abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 28. Dezember 1988 wurde dem Beschwerdeführer zugestellt. Mit Schreiben vom 8. Februar 1989 beantragte der Rechtsfreund des Beschwerdeführers die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und gab zur Rechtzeitigkeit des Antrages an, daß im Hinblick auf die Zustellungsbevollmächtigung des ausgewiesenen Vertreters die Zustellung der Berufungsvorentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz erst mit 9. Jänner 1989 als jenem Tag, an dem die Berufungsvorentscheidung dem Vertreter zugekommen sei, als vollzogen gelte. Gleichzeitig wurde für den Fall einer Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO beantragt.

Ein Schreiben des Finanzamtes betreffend Zustellungen im Zusammenhang mit einer seit 7. Dezember 1988 vorliegenden unbeschränkten Zustellvollmacht seines Rechtsfreundes mit der Frage, ob "sämtliche Zustellungen ausschließlich zu Handen" des Vertreters durchgeführt werden sollen, beantwortete der Beschwerdeführer am 28. März 1989 dahin, daß grundsätzlich alle Schriftstücke und Kontoausdrucke an ihn zu senden wären; eine Ausnahme bestehe lediglich bei der seinem Rechtsfreund gegebenen Vollmacht, und zwar für sämtliche mit dem Berufungsverfahren zusammenhängenden Schriftstücke.

Die belangte Behörde teilte zunächst die Auffassung, mit der Zustellung der Berufungsvorentscheidung an den Beschwerdeführer sei ein Zustellmangel unterlaufen, weshalb der Vorlageantrag als rechtzeitig eingebracht anzusehen sei; sie entschied am 19. April 1989 (ohne vorherige Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag) über die Berufung (abweisend). Diese Entscheidung war - wie sich aus ihr und dem zugehörigen Postrückschein ergibt - entsprechend dem erwähnten Wunsch des Beschwerdeführers an diesen zu Handen seines Vertreters gerichtet und wurde letzterem am 5. Mai 1989 zugestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 28. November 1989, B 689/89-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen Beschwerdeergänzung wurde mit Verfügung vom 14. März 1990 das Vorverfahren über die Beschwerde eingeleitet.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtete sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtverhängung von Säumniszuschlägen infolge Stellung eines Aussetzungsantrages gemäß § 212a BAO verletzt. Er beantragte den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerde. Die Zustellbevollmächtigung des nunmehrigen Beschwerdevertreters sei angesichts der vom Beschwerdeführer getroffenen Einschränkungen gemäß § 103 Abs. 2 BAO unwirksam, weshalb durch die an den Beschwerdevertreter vorgenommene Übermittlung der Berufungsentscheidung keine wirksame Zustellung bewerkstelligt worden sei. In eventu beantragte die belangte Behörde, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Am 25. Mai 1990 gab das Finanzamt dem Wiedereinsetzungsantrag vom 8. Februar 1989 und die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers statt.

Der Beschwerdeführer erachtete sich hiedurch - unter der Voraussetzung des Kostenzuspruches - als klaglos gestellt. Er teilte mit, daß die angefochtene Berufungsentscheidung ihm mit Schreiben seines Vertreters vom 8. Mai 1989 in Kopie übermittelt worden sei.

Gemäß § 103 Abs. 2 BAO ist eine Zustellbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 zusammengefaßt verbucht wird.

Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (162 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP Seite 12) ist zu entnehmen, daß die gegenüber den sonstigen Bestimmungen des Entwurfes des Zustellgesetzes einschränkende Regelung des § 103 Abs. 2 BAO im Hinblick auf die in Massen ergehenden, weitgehend unter Einsatz der EDV-Anlage des Bundesrechenamtes erstellten Erledigungen notwendig erscheint.

Vom Normzweck her soll diese Bestimmung der Behörde demnach eine Erleichterung bieten. Macht die Behörde von dieser Erleichterung aber keinen Gebrauch und nimmt sie eine sich aus § 103 Abs. 2 BAO ableitbare Unwirksamkeit einer Zustellbevollmächtigung nicht wahr, indem sie dem Wunsch des Machtgebers entsprechend die Zustellung an den bezeichneten Machthaber verfügt, so kann sie sich später, noch dazu zum Nachteil des Machtgebers, nicht auf die in Rede stehende Bestimmung berufen, weil eine solche Vorgangsweise dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche.

Dies bedeutet im Beschwerdefall, daß es der belangten Behörde, die entsprechend der Eingabe des Beschwerdeführers vom 28. März 1989 die angefochtene Berufungsentscheidung an den Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters gerichtet hatte, verwehrt ist, nunmehr im nachhinein die Unwirksamkeit ihrer Berufungsentscheidung geltend zu machen, um das Kostenrisiko des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer zuzuschieben.

Somit war nicht mit Zurückweisung der Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG, sondern mit Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG vorzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 erster Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Belangte Behörde als nicht obsiegende NICHTOBSIEGENDE Partei Aufschiebende Wirkung Diverses Belangte Behörde als obsiegende Partei Besondere Rechtsgebiete Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990140003.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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