TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/20 90/11/0118

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Veröffentlicht am 20.11.1990
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §76 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen die Bezirkshauptmannschaft Bregenz wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines, zu Recht erkannt:

Spruch

Die vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers am 6. Mai 1990 durch Organe des Gendarmeriepostens Vorkloster wird für rechtswidrig erklärt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerde richtet sich gegen die am 6. Mai 1990 um 03.55 Uhr erfolgte vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers durch Organe des Gendarmeriepostens Vorkloster. Der Beschwerdeführer beantragt, diese Maßnahme kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt betreffend das (aufgrund des Vorfalles vom 6. Mai 1990 eingeleitete) Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers vorgelegt und mitgeteilt, daß sie auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die völlige Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Diese Annahme wird unter anderem dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. März 1990, Zl. 89/11/0257, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Aufgrund des unbestritten gebliebenen, mit dem vorgelegten Verwaltungsakt im wesentlichen übereinstimmenden Beschwerdevorbringens nimmt der Verwaltungsgerichtshof folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer hat am 6. Mai 1990 (einem Sonntag) gegen 01.00 Uhr mit einem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug einen Verkehrsunfall verursacht. Weil ursprünglich beide Unfallbeteiligte meinten, es sei kein Personenschaden entstanden, sah die Gendarmerie von einer Unfallaufnahme ab. In der Folge verständigte der Unfallgegner des Beschwerdeführers die Gendarmerie, daß er doch verletzt worden sei. Daraufhin begaben sich Organe des Gendarmeriepostens Vorkloster zum Beschwerdeführer, der in der Zwischenzeit mit seinem Kfz nach Hause zurückgekehrt war. Ein bei ihm vorgenommener Alkotest ergab eine Grünverfärbung des Teströhrchens bis über den Markierungsstrich. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer ins Unfallkrankenhaus Bregenz gebracht, wo eine klinische Untersuchung eine leichte Alkoholbeeinträchtigung ergab. Bei der anschließenden Aufnahme einer Niederschrift mit dem Beschwerdeführer im Gendarmerieposten Vorkloster wurde ihm um 03.55 Uhr der Führerschein vorläufig abgenommen.

Bei diesem Sachverhalt entsprach die Führerscheinabnahme im Lichte der vorhin dargestellten Rechtslage nicht dem Gesetz. Wenngleich die Gendarmerieorgane davon ausgehen konnten, der Beschwerdeführer habe sein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, so berechtigte dies nach dem Gesagten nicht zur vorläufigen Abnahme seines Führerscheines. Bei der geschilderten Sachlage ist nämlich nicht zu erkennen, daß die Gendarmerieorgane mit Grund hätten annehmen können, der Beschwerdeführer werde in seinem damaligen Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Die gegebenen Umstände sprachen vielmehr für das Gegenteil, war doch insbesondere im Hinblick auf die vorgerückte Zeit (03.55 Uhr) mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer nicht mehr zu rechnen, zumal im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr nach Hause von dort durch die Gendarmerieorgane abgeholt worden war, auch die Rückfahrt mit seinem Kfz nach Hause nicht in Betracht kam. Mangels jedweden Hinweises auf die Wahrscheinlichkeit eines Lenkens von Kraftfahrzeugen durch den Beschwerdeführer in seinem damaligen Zustand lagen die Voraussetzungen für die Führerscheinabnahme nicht vor.

Diese Maßnahme war daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG für rechtswidrig zu erklären.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990110118.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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