TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/21 90/01/0121

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Veröffentlicht am 21.11.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
41/03 Personenstandsrecht;

Norm

ABGB §178a;
NÄG 1988 §1 Abs1;
NÄG 1988 §2 Abs1 Z6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Juni 1990, Zl. II/6-3503/1-90, betreffend Änderung des Familiennamens (mitbeteiligte Partei: mj. EM, vertreten durch die Kindesmutter IM), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Der 1983 geborene Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entstammt der 1984 vor dem Bezirksgericht Korneuburg geschiedenen Ehe des Beschwerdeführers mit der inzwischen wieder verehelichten IM. Am 16. Jänner 1989 beantragte diese als alleinige gesetzliche Vertreterin des Mitbeteiligten die Änderung des Familiennamens des Mitbeteiligten von "B" auf ihren nunmehrigen, durch Verehelichung mit JM erworbenen Familiennamen "M". Aus der im Mai 1987 mit dem Vorgenannten geschlossenen Ehe - seit dieser Zeit wohnt die gesetzliche Vertreterin des Mitbeteiligten mit ihrem neuen Ehemann in der Bundesrepublik Deutschland - entstammt eine 1988 geborene Tochter. Die Kindesmutter des Mitbeteiligten begründete ihren Antrag im wesentlichen damit, mit Anfang Oktober 1989 werde ihr Sohn sein erstes Pflichtschuljahr beginnen. Da ihr Sohn noch den Familiennamen ihres ersten Mannes trage, sei zu befürchten, daß aus dieser Namensverschiedenheit mit ihr bzw. seinem Stiefvater "erhebliche Schwierigkeiten" entstehen könnten. Die zu erwartenden Fragen und Belästigungen ihres Sohnes durch seine zukünftigen Mitschüler bzw. Lehrer, aber auch im sonstigen Lebensbereich seien sicher für die weitere Entwicklung ihres Kindes von Nachteil. Für das Wohl ihres Kindes wäre es daher sehr wesentlich, die gefühlsmäßige Einheit mit ihr und seinem Stiefvater auch durch die Namensgleichheit nachgewiesen zu haben.

Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg als Behörde erster Instanz holte vom Jugendamt Main-Taunus-Kreis sowie von der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, Jugendabteilung, Stellungnahmen ein, die die Namensänderung befürworteten. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens, im Zuge dessen dem Beschwerdeführer und dem, der sich gegen eine Namensänderung ausgesprochen hatte, wiederholt Gelegenheit zur Geltendmachung seiner Rechte und rechtlichen Interessen gegeben worden war, bewilligte die Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 15. März 1990 die beantragte Namensänderung.

Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 1990 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z. 6 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NÄG), BGBl. Nr. 195/1988 abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der angewendeten Gesetzesstelle ausgeführt, die Behörde erster Instanz habe richtig festgestellt, daß die erste in § 2 Abs. 1 Z. 6 NÄG vorgesehene Voraussetzung, nämlich daß der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Personensorge für ihn zukomme oder in deren Pflege er sich befinde, zutreffe. Dies sei nicht zweifelhaft und sei auch in keinem Stadium des Verfahrens bestritten worden. Es sei daher die Prüfung der zweiten Voraussetzung, ob ohne die Änderung des Familiennamens das Wohl des Minderjährigen gefährdet sei, vorzunehmen. Die Jugendabteilung Korneuburg stütze sich auf eine Schilderung der Situation des Minderjährigen und eine Konklusion des Jugendamtes Main-Taunus-Kreis. Beide Stellen erblickten auf Grund der Situation in ihren in sich schlüssigen Folgerungen eine Gefährdung des Wohles des Kindes, wenn der Namensänderung die Bewilligung versagt bleibe. Der Beschwerdeführer bestreite zwar die Schlußfolgerung, ohne darzulegen, wodurch diese falsch sein sollte bzw. ohne andere Beweismittel vorzulegen und ohne konkrete weitere Erhebungen zu beantragen. Neben dem von der Behörde erster Instanz ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Erhebungsergebnis erblicke die belangte Behörde im "Erklärungsbedarf" für die Namensverschiedenheit, wenn der Minderjährige immer wieder die Namensverschiedenheit zwischen sich und seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Stiefvater erklären müsse, einen Grund für die Bewilligung. Wenn auch im allgemeinen davon ausgegangen werden könne, daß eine Namensverschiedenheit nicht generell eine Gefährdung des Wohles eines Kindes darstelle, sei die belangte Behörde im konkreten Fall durchaus der Auffassung, daß bei der besonderen Situation des 6-jährigen Antragstellers, der, getrennt von seinem Vater, als einziger Träger eines anderen Namens durch seinen Aufenthalt im Ausland mit seinem derzeitigen Familiennamen namensrechtlich quasi ein "Inseldasein" führe, eine Gefährdung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 6 NÄG gegeben sei. Diese "Erklärungsnotwendigkeit" sei sowohl vom Mitbeteiligten geltend gemacht als auch vom Beschwerdeführer bestätigt worden. Die belangte Behörde erblicke allein schon darin eine Gefährdung des Wohles des Kindes, womit auch die zweite Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Z. 6 NÄG erfüllt sei und damit ein Rechtsanspruch auf Bewilligung der Namensänderung vorliege, weshalb der Berufung ein Erfolg versagt habe bleiben müssen. Zu den Ausführungen über eine allfällige Scheidung der jetzigen Ehe der Kindesmutter sei zu bemerken, daß es sich hier um reine Spekulationen handle, für die das Ermittlungsverfahren nicht den geringsten Hinweis ergeben habe. Auch könnten Überlegungen über eine Änderung des Namensrechtes in Zukunft für eine Entscheidung nach der geltenden Rechtslage keine Grundlage bilden. Fragen nach der Ursache der Scheidung der Ehe der Eltern oder über die bessere Obsorge bzw. die Änderung des Sorgerechtes, die nicht von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden seien, hätten keinen direkten Zusammenhang mit dem Namensänderungsverfahren und könnten daher, ebenso wie "Spekulationen für die Zukunft" auf die vorliegende Entscheidung keinen Einfluß haben. Wenn der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 21. Mai 1990 vermeine, daß es der Jugendabteilung der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg an der gebotenen Objektivität mangle, so habe er hiefür nichts Konkretes vorgebracht. Es sei daher auf dieses Vorbringen nicht näher einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht auf Nichtänderung des Namens seines ehelichen Sohnes verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Halbsatz NÄG ist eine Änderung des Familiennamens oder Vornamens auf Antrag zu bewilligen, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 2 vorliegt und § 3 der Bewilligung nicht entgegensteht. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 6 NÄG liegt ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens vor, wenn der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Personensorge für ihn zukommt oder in deren Pflege er sich befindet und das Wohl des Minderjährigen ohne die Änderung des Familiennamens gefährdet ist.

Unbestritten ist nach dem Beschwerdevorbringen, daß der minderjährige Antragsteller den Familiennamen seiner Kindesmutter, der die Personensorge für ihn zukommt, erhalten hat. Strittig ist im vorliegenden Fall allein, ob das Wohl des Minderjährigen ohne die Änderung des Familiennamens gefährdet ist. Rechtlich ohne Bedeutung ist nach der Gesetzeslage das Recht des Kindesvaters, dem Kind seinen Familiennamen gegeben zu haben und die Tatsache, daß die Mutter die Namensverschiedenheit zu ihrem Kind durch die Wiederannahme ihres Geschlechtsnamens (was hier nicht der Fall ist) oder durch die Wiederverehelichung selbst verursacht hat, weil es ausschließlich auf das Wohl des minderjährigen Kindes ankommt.

Der unbestimmte Gesetzesbegriff "das Wohl des Kindes" ist nach den Maßstäben und Wertvorstellungen auszulegen, die sich in den betreffenden Lebens- und Sachbereichen herausgebildet haben (vgl. hg. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse Slg. N.F. Nr. 2765/52 und 6397/64). Als Richtlinie für die Berücksichtigung des "Wohls des Kindes" steht vor allem § 178a ABGB zur Verfügung. Danach sind bei Beurteilung des Kindeswohls die Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Lebensverhältnisse der für ihn sorgenden Elternteile entsprechend zu berücksichtigen.

Wenn der sechsjährige minderjährige Mitbeteiligte bei Antritt eines neuen Lebensabschnittes (Schulbeginn) seinen Wohnsitz von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland wechselte (1987), womit eine Aufnahme neuer Sozialkontakte verbunden war, und schließlich auch mit einer Halbschwester ungleichen Namens im gemeinsamen Familienverband lebt, nunmehr eine Angleichung seines Familiennamens anstrebt, liegt dies, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, offensichtlich im Wohl des Kindes (Antragstellers), ganz abgesehen davon, daß schon die Herstellung der Gleichheit des Familiennamens mit der Familie, in der das Kind aufwächst, in höherem Maße dem Wohl des Kindes entspricht als die Beibehaltung des bisherigen Namens. Bei einer solchen Sachlage würde die Verweigerung der beantragten Namensänderung das Wohl des minderjährigen Mitbeteiligten gefährden.

Auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe keine ausreichenden Erhebungen zur Frage des Kindeswohls gepflogen, ist unberechtigt, weil nach der Gesetzeslage die belangte Behörde nicht verpflichtet ist, fachkundige Institutionen zuvor zu befragen. Sie hat diese Frage vielmehr selbst zu prüfen, wobei es ihr freisteht, im Einzelfall von fachkundigen Stellen oder Sachverständigen Stellungnahmen und Gutachten einzuholen.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010121.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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