TE Vfgh Erkenntnis 1988/3/15 G158/87, G229/87, V141/87

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Veröffentlicht am 15.03.1988
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs4
B-VG Art140 Abs4
B-VG Art139a
Krnt SozialhilfeleistungsV 1986 §1 Abs2
Krnt SozialhilfeG 1981 §4 Abs1
Krnt SozialhilfeG 1981 §7 Abs1 und Abs3
Krnt SozialhilfeG 1981 §8 Abs1
Krnt SozialhilfeG 1981 §8 Abs4

Leitsatz

Berichtigende Interpretation des auf einen Fehler bei der Wiederverlautbarung zurückzuführenden Wortlautes des §4 Abs1 Ktn. SozialhilfeG; keine Prüfung nach Art139a B-VG - Sinnlosigkeit dieses Verfahrens unter den gegebenen Umständen; Feststellung der Rechtswidrigkeit der Norm nach Art140 Abs4 B-VG Ktn. SozialhilfeG; Gesamteinkommen der Haushaltsgemeinschaft maßgebend für Unterstützungshöhe; Einbeziehung der Einkünfte der im Haushalt wohnenden unterhaltsberechtigten Angehörigen des Hauptunterstützten sachlich nicht gerechtfertigt; Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §4 Abs1 wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot nach Art140 Abs4 B-VG ungeachtet des Umstandes, daß die geltende Regelung inhaltlich mit der als verfassungswidrig festgestellten übereinstimmt Ktn. Sozialhilfe-LeistungsV 1986; Feststellung der Gesetzwidrigkeit des §1 Abs2 wegen Widerspruchs zu §8 Abs4 Ktn. SozialhilfeG; verfehlte Festlegung der Richtsatzhöchtsgrenze

Spruch

1. Die Wortfolge "und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen" im §4 Abs1 erster Satz des Kärntner Sozialhilfegesetzes 1981 (Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 2. Februar 1981, LGBl. für Kärnten Nr. 30, über die Wiederverlautbarung des Kärntner Sozialhilfegesetzes) in der Fassung vor der Nov. LGBl. Nr. 1/1988 war verfassungswidrig.

Der Landeshauptmann von Kärnten ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

2. §1 Abs2 der (Kärntner) Sozialhilfe-Leistungsverordnung 1986, LGBl. für Kärnten Nr. 68/1985 war gesetzwidrig.

Die Kärntner Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Beim VfGH ist zu Zl. B173/86 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 17. Dezember 1985 wendet. Mit diesem Bescheid war der Bf. unter Bezugnahme auf die §§4 und 7 des Kärntner Sozialhilfegesetzes 1981, LGBl. 30 (K-SHG), durch Zuerkennung eines einmaligen Unterstützungsbetrages von S 2.432,-- Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt worden.

Die Beschwerde rügt, daß dieser Betrag zu gering bemessen worden sei. Die Behörde hätte die Alimentationsleistungen, die die Bf. für ihre beiden, mit ihr im gemeinsamen Haushalt wohnenden mj. Kinder erhält, bei Berechnung der ihr gebührenden Unterstützungssumme nicht in Anschlag bringen dürfen.

b) Beim Verfassungsgerichthsof ist weiters zu Zl. B1234/86 das Verfahren über eine gleichfalls auf Art144 B-VG gegründete Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Der in Kärnten wohnhafte Bf. bezieht den Aktenunterlagen zufolge ein monatliches Nettoeinkommen von S 6.539,80 zuzüglich Familienbeihilfe. Er ist für seine Ehefrau (die über kein Einkommen verfügt) und drei mj. Kinder, die alle mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, sorgepflichtig.

Die Kärntner Landesregierung wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. November 1986 seinen Antrag vom 9. Oktober 1986 auf Gewährung einer monatlichen Geldhilfe zur Sicherung seines Lebensbedarfes nach dem K-SHG ab.

Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß das Einkommen des Bf. die im §1 Abs2 der (Kärntner) Sozialhilfe-Leistungsverordnung 1986, LGBl. 68/1985, (SH-LV 1986) vorgesehene Richtsatzhöchstgrenze (5.240 S zuzüglich Mietbeihilfe von 880 S, zusammen 6.120 S) übersteige. Besondere Umstände iS des §7 Abs3 K-SHG lägen beim Bf. nicht vor.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wird behauptet, die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften seien gleichheitswidrig.

2.a) Aus Anlaß beider Beschwerden hat der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, von amtswegen die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen" im §4 Abs1 K-SHG zu prüfen (G158/87 und G229/87).

Außerdem hat der Gerichtshof aus Anlaß der zu B1234/86 anhängigen Beschwerde gemäß Art139 Abs1 B-VG beschlossen, von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §1 Abs2 der SH-LV 1986 einzuleiten (V141/87).

b) Im gegebenen Zusammenhang sind in erster Linie die folgenden Rechtsvorschriften in Betracht zu ziehen:

aa) Das K-SHG regelt im 1. Abschnitt die Grundsätze der Sozialhilfe und im 2. Abschnitt die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes. (Die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben).

"1. Abschnitt

Grundsätze der Sozialhilfe

§1

...........

§2

Grundsätze für die Gewährung der Sozialhilfe

(1) Die Sozialhilfe ist auf Antrag oder von Amts wegen zu gewähren.

(2) Art, Form und Ausmaß der Sozialhilfe haben sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Person des Hilfsbedürftigen und seinen Familienverhältnissen sowie nach Art und Dauer seines Bedarfes zu richten.

(3) Die Sozialhilfe ist so zu wählen, daß bei möglichst zweckmäßigem und sparsamen Aufwand der Zusammenhalt der Familie des Hilfeempfängers gefestigt und der Hilfeempfänger und seine Familie zur dauernden Selbsthilfe befähigt werden.

(4) . . .

2. Abschnitt

Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes

§4

Rechtsanspruch

(1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht oder nicht ausreichend von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Freiwillige Leistungen sind dann nicht zu berücksichtigen, wenn diese andernfalls eingestellt würden.

(2) Die Art, das Ausmaß und die Dauer der Hilfe sind im Einzelfall unter Berücksichtigung des zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte (§5) und der eigenen Mittel (§6) zu bestimmen.

(3) Zum Lebensbedarf gehören:

a) der Lebensunterhalt (§7),

         b) ..........

                               §7

                         Lebensunterhalt

         (1) Der Lebensunterhalt umfaßt den Aufwand für die

regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines

menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Unterkunft,

Hausrat, Beheizung, Bekleidung, für eine angemessene Pflege der

Beziehungen zur Umwelt und für eine angemessene Teilnahme am

kulturellen Leben.

         . . . . .

         (3) Die richtsatzgemäße Geldleistung ist im Einzelfall

soweit zu erhöhen, als dies im Hinblick auf besondere persönliche

oder familiäre Verhältnisse des Hilfeempfängers, insbesondere

Alter, Krankheit oder Gebrechlichkeit, erforderlich ist.

         . . . . .

(6) Werden richtsatzgemäße Geldleistungen gewährt, so ist zusätzlich der tatsächliche, vertretbare Aufwand des Hilfeempfängers für Unterkunft zu tragen. Die Zuerkennung richtsatzgemäßer Geldleistungen schließt erforderliche weitere Maßnahmen zur Sicherung des ausreichenden Lebensunterhaltes im Einzelfall nicht aus. Diese Regelungen gelten in gleicher Weise, wenn die erbrachten Geldleistungen unter oder über dem Richtsatz liegen. Die Landesregierung hat durch V Richtsätze für den vertretbaren Aufwand für Unterkunft festzulegen; hiebei ist auf den unterscheidlichen Bedarf für Alleinstehende (§8 Abs2 lit. a) und Haushaltsgemeinschaften (§8 Abs4) Bedacht zu nehmen.

. . . . .

§8

Richtsätze

(1) Die Landesregierung hat unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in Kärnten für die Bemessung des unter durchschnittlichen Lebensverhältnissen laufend erforderlichen ausreichenden Lebensunterhaltes (§7 Abs1) nach Personengruppen abgestufte Durchschnittsbeträge (Richtsatz) durch V festzusetzen.

(2) In der V nach Abs1 sind jedenfalls Richtsätze für die Personengruppen

a)

'Alleinstehende',

b)

'Hauptunterstützte',

c)

'Personen in einer Haushaltsgemeinschaft (Haushaltsangehörige)',

d)

'Pflegekinder',

festzulegen.

         (3) In der V nach Abs1 ist auch zu bestimmen, um

welche Beträge sich die Richtsätze erhöhen, wenn es sich um voll

arbeitsunfähige Personen handelt. . . . . .

         (4) In der V nach Abs1 ist unter Bedachtnahme auf

die Ersparnisse, die sich aus einer gemeinsamen Haushaltsführung

ergeben, eine Richtsatzhöchstgrenze für eine unterstützte

Haushaltsgemeinschaft (Abs2 litb und c) festzulegen.

         (5) . . . ."

              bb)              Die SH-LV 1986 legt im §1 die Richtsätze für die Bemessung des Lebensunterhaltes fest. Abs1 litb enthält die in diesen Beschwerdefall maßgebenden "allgemeinen Richtsätze":

         für Alleinstehende                   S  3.270,--

         für Hauptunterstützte                S  2.620,--

         für Personen in einer Haushalts-

         gemeinschaft (Haushaltsangehörige)

         ohne Anspruch auf Familienbeihilfe   S  1.620,-

         mit Anspruch auf Familienbeihilfe    S    920,-

§1 Abs1 litd bestimmt den Aufwand für Unterkunft (Mietbeihilfe) bei Haushaltsgemeinschaften für den Hauptunterstützten mit 880 S.

§1 Abs2 SH-LV 1986 legt die Richtsatzhöchstgrenze iS des §8 Abs4 K-SHG wie folgt fest:

"(2) Die Summe der Richtsätze für eine Haushaltsgemeinschaft (§8 Abs4 des Kärntner Sozialhilfegesetzes), bestehend aus einem Hauptunterstützten und den mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen, darf in der Regel den Betrag nicht überschreiten (Richtsatzhöchstgrenze), der sich aus dem doppelten, für den jeweiligen Hauptunterstützten anzuwendenden Richtsatz ergibt. Der Richtsatz für Personen in einer Haushaltsgemeinschaft ist sowohl für unterhaltsberechtigte als auch für nicht unterhaltsberechtigte Haushaltsangehörige anzuwenden."

3.a) Der VfGH ging in den die Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschlüssen vorläufig davon aus, daß die in Prüfung gezogene Wortfolge im §4 Abs1 K-SHG in den beiden Anlaßfällen präjudiziell sei.

Die Bedenken gegen die in Prüfung gezogene landesgesetzliche Bestimmung umschrieb der Gerichtshof im Einleitungsbeschluß B173/86 (G158/1987) wie folgt (Im Einleitungsbeschluß B1234/86 - G229/87 übernahm er diese Bedenken.):

"Nach dem Wortlaut des §4 Abs1 K-SHG ist eine der Anspruchsvoraussetzungen, daß der Hilfsbedürftige den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann.

Der VfGH nimmt jedoch vorläufig an, daß es sich hier um ein offenkundiges Redaktionsversehen handelt; das Gesetz scheint berichtigend dahin zu interpretieren zu sein, daß unter den "unterhaltspflichtigen Angehörigen des Hilfsbedürftigen" in Wahrheit die Angehörigen zu verstehen sind, denen gegenüber der Hilfsbedürftige unterhaltspflichtig ist, oder mit anderen Worten, seine unterhaltsberechtigten Angehörigen.

Bei diesem - vorläufig angenommenen - Inhalt des §4 Abs1 K-SHG (von dem im übrigen auch die bel. Beh. bei Erlassung des den Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bildenden Bescheides ausgeht - s.o. I.1.) bestehen gegen diese landesgesetzliche Bestimmung folgende Bedenken:

Der angefochtene Bescheid stützt die Meinung, die für die im gemeinsamen Haushalt mit der Bf. lebenden Kinder geleisteten Unterhaltsbeträge seien bei der Berechnung der Höhe der Unterstützungssumme zu berücksichtigen, auf die Sozialhilfe-Leistungsverordnung 1985. Aus dieser V kann für die Ansicht der Behörde jedoch keinesfalls etwas abgeleitet werden, da sie über die Anrechnung von Unterhaltsbeträgen nichts aussagt; Abs2 des §1 der V regelt lediglich die Richtsatzhöchstgrenze. Hingegen kann allenfalls aus §4 Abs1 K-SHG im Zusammenhalt mit §8 Abs1 und 2 erschlossen werden, daß es für die Unterstützungshöhe auf das Einkommen der Haushaltsgemeinschaft ankommt, wobei auch die den haushaltsangehörigen, unterhaltsberechtigten Angehörigen des Hilfsbedürftigen von dritter Seite gewährte Alimentation zur Gänze mit einzubeziehen ist. Das aber könnte zur Folge haben, daß dann, wenn die etwa den Kindern zukommenden Unterhaltsbeträge derart hoch sind, daß sie den Richtsatz für 'Personen in Haushaltsgemeinschaft (Haushaltsangehörige)' (§8 Abs2 litc K-SHG) übersteigen - eine Situation, die anscheinend nicht als vernachlässigbarer Härtefall bezeichnet werden kann - dem Hilfsbedürftigen überhaupt keine Sozialhilfe zuteil würde. Dies wiederum wäre - wie der VfGH vorläufig annimmt - mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar; es ist nämlich wohl sachlich nicht zu rechtfertigen, daß dann die Mutter ihren Lebensunterhalt auf Kosten ihrer Kinder bestreiten müßte."

b) Die Kärntner Landesregierung erstattete in den Gesetzesprüfungsverfahren Äußerungen. Sie beantragt, die in Prüfung gezogene Wortfolge im §4 Abs1 K-SHG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

In der zu G158/87 (Anlaßbeschwerde B173/86) erstatteten Äußerung wird - nach einer Wiedergabe des Inhaltes des Einleitungsbeschlusses (Pkt. 1 der Äußerung) und des maßgebenden Gesetzestextes (Pkt. 2 der Äußerung) - ausgeführt:

"3. Unter dem mit dem Hilfsbedürftigen 'im gemeinsamen Haushalt lebenden 'unterhaltspflichtigen' Angehörigen' sind jene Angehörigen zu verstehen, zwischen welchen Unterhaltspflichten bzw. -rechte bestehen. Jede Unterhaltspflicht korresponiert ja mit einem Unterhaltsrecht. Ob man den Unterhaltsanspruch von Seite des Verpflichteten gesehen als Pflicht oder von Seite des Berechtigten gesehen als Recht normiert, wird daher für die gegenständliche Regelung keine wesentliche Bedeutung beizumessen sein.

4. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit wird im Fall sachlich ungerechtfertigter Differenzierung verletzt (VfSlg. 2303, 2286). Das ist der Fall, wenn die Differenzierung nicht nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen (Unterschieden im Tatsächlichen) erfolgt (VfSlg. 4392, 4140). An gleiche Tatbestände sind gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg. 5725); wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu entsprechenden Unterschieden im tatsächlichen führen (VfSlg. 8217, 8806), (Walter Mayer Grundriß des Bundesverfassungsrechtes5, Seite 401).

5. §4 Abs1 gewährt Personen einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe, und zwar für sich und die im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen.

Die Höhe der Sozialhilfe richtet sich nach Richtsätzen (§8 Abs1 und 2 Kärntner Sozialhilfegesetz und die Kärntner Sozialhilfeverordnung).

Nach §8 Abs2 Kärntner Sozialhilfegesetz sind die Unterstützungsrichtsätze nach Personengruppen differenziert, und zwar zwischen Alleinstehenden, Hauptunterstützten und Personen in einer Haushaltsgemeinschaft (Haushaltsangehörige). Aus dem Zweck der Differenzierung ist ersichtlich, daß vor allem zwischen Einzelhaushalten (Alleinstehenden) und Haushaltsgemeinschaften (Hauptunterstützte und Angehörige) unterschieden wird. Diese Unterscheidung beruht auf der tatsächlichen Erfahrung, daß zur Sicherung des gleichen Lebensunterhaltes in einer Haushaltsgemeinschaft pro Person weniger aufgewendet werden muß, als in einem Einpersonenhaushalt. Eine Hausgemeinschaft bewirkt eine relative Kostenersparnis beim Wohnen, bei der Beheizung und dgl. An diese unterschiedlichen Tatsachen werden im §8 Abs1 und 2 Kärntner Sozialhilfegesetz und der darauf beruhenden Sozialhilfeverordnung verfassungskonform unterschiedliche Regelungen angeknüpft. Für den Alleinunterstützten werden höhere Richtsätze gewährt als für eine in Haushaltsgemeinschaft lebende Person.

Die Richtsätze der in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen sind weiter differenziert; zwischen Hauptunterstützten und Angehörigen. Die Rechtfertigung liegt darin, daß bei Hauptunterstützten die Hauptlast der gemeinsamen Haushaltsführung zusammengefaßt ist, während jede weitere Person nur einen geringeren Mehraufwand an der gemeinsamen Haushaltsführung verursacht.

Über die Art der Anrechnung von Einnahmen gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Lediglich für den Anspruch auf Sozialhilfe ist die Voraussetzung normiert, daß der Anspruch nur für solche Personen besteht, die den Lebensunterhalt für sich und die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht beschaffen kann oder erhält. Aus dem Wortlaut der Bestimmung des §4 Abs1 Kärntner Sozialhilfegesetz allein kann die Art der Anrechnung von Einnahmen nicht ermittelt werden. Sieht man diese Regelung im Zusammenhang mit §8 Abs1 und 2 Kärntner Sozialhilfegesetz, so ergeben sich zwei mögliche Auslegungsvarianten.

o Die Richtsätze sind differenziert nach Einzelhaushalt

und Gemeinschaftshaushalt. Dies läßt die Auslegung zu, daß auch bei der Anrechnung von Einnahmen auf das Haushaltseinkommen abzustellen ist.

o Die Richtsätze sind innerhalb der Angehörigen der

Haushaltsgemeinschaft weiter gespalten bzw. für jede

Person werden die Beträge einzeln zusammengerechnet.

Daraus kann geschlossen werden, daß auch die Einnahmen

differenziert nach Personen anzurechnen sind. Gründe

die zwingend nur für eine dieser

Auslegungsmöglich keiten sprechen,

sind nicht ersichtlich.

6. Die erste Auslegungsvariante, daß Einnahmen auf das Haushaltseinkommen anzurechnen sind, liegt dem angefochtenen Bescheid zu Grunde. Entgegen der im Beschluß des VfGH geäußerten Meinung ist diese Auslegung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Die Haushaltsgemeinschaft, in welcher Personen zusammenleben, zwischen welchen Unterhaltsrechte und -pflichten bestehen, ist die typische Haushaltsgemeinschaft (Familie, Ehe, Lebensgemeinschaft und dgl.). Die Personen dieser Gemeinschaft sind durch besonders starke soziale Beziehungen und starke rechtliche Beziehungen miteinander verbunden. Dies bewirkt in der Regel auch eine gegenseitige finanzielle Hilfe. Der Lebensunterhalt einer solchen Haushaltsgemeinschaft wird normalerweise aus einem gemeinsamen Topf bestritten. Es kann daher verfassungskonformerweise an diese bestehenden Besonderheiten der Beziehung von in Haushaltsgemeinschaft lebenden unterhaltspflichtigen (berechtigten) Personen angeknüpft werden. Der vom VfGH aufgezeigte Fall, daß die Alimente der Kinder den Richtsatz der Personen in Haushaltsgemeinschaft übersteigen und Sozialhilfe daher auch für die Mutter nicht gewährt wird, erscheint deshalb als zu vernachlässigbarer Härtefall, weil im Normalfall alle im Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen (berechtigten) Personen in etwa unter den gleichen Umständen und Bedingungen leben. Ha. ist auch nicht bekannt, daß in der Praxis bisher ein derartiger Härtefall vorgekommen wäre.

7. Sollte der VfGH aber dennoch die Meinung vertreten, daß die Anrechnung von Einnahmen für den gesamten Haushalt gleichheitswidrig sei, so wird darauf verweisen, daß das Gesetz auch eine zweite Auslegungsmöglichkeit bietet. Bei der Auslegung, daß die Einnahmen der einzelnen Haushaltsangehörigen nur jeweils diesen gegenüber in Anrechnung zu bringen sind, kommt der Einwand der Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung nicht zum Tragen. (Hiezu sei angemerkt, daß auch in diesem Fall die Sozialhilfe subsidiär zu gewähren ist. Sollte daher das Einkommen eines unterhaltspflichtigen Haushaltsmitgliedes (z.B. eines Kindes) so hoch sein, daß anderen Haushaltsangehörigen gegenüber eine aktuelle Unterhaltspflicht entstünde, so wäre diese Unterhaltspflicht dem unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen als zu beschaffendes Einkommen anzurechnen.)

Erscheint ein Gesetzestext zunächst in verschiedener Weise auslegbar, so engt sich die Wahl auf jene Auslegung ein, die das Gesetz verfassungskonform erscheinen läßt (Walter Mayer Grundriß des Bundes-Verfassungsrechtes5, Seite 48). Wird vom VfGH die Auslegung der Anrechnung von Einnahmen für den Haushalt als verfassungswidrig angesehen, so wäre das Gesetz im Sinne der zweiten jedenfalls verfassungskonformen Auslegungsmöglichkeit zu interpretieren."

In der im Gesetzesprüfungsverfahren G229/87 (Anlaßbeschwerde B1234/86) erstatteten Äußerung verweist die Kärntner Landesregierung auf diese Ausführungen.

4.a) Im Beschluß B1234/86, mit dem das Verordnungsprüfungsverfahren V141/87 eingeleitet wurde, äußerte der VfGH das Bedenken, daß §1 Abs2 SH-LV 1986 dem §8 Abs4 K-SHG widerspreche; die in der V festgelegten Richtsatzhöchstgrenzen gewährleisteten nämlich - wie der VfGH vorläufig annahm - vielfach nicht den Lebensunterhalt iS des §7 Abs1 K-SHG.

b) Die Kärntner Landesregierung verteidigt in ihrer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle. Sie begehrt, §1 Abs2 SH-LV 1986 nicht als gesetzwidrig aufzuheben und führt hiezu im wesentlichen aus:

". . . . .

Seinem Wortlaut nach verpflichtet §8 Abs4 Kärntner Sozialhilfegesetz 1981 die Landesregierung, in der Sozialhilfeleistungsverordnung eine Richtsatzhöchstgrenze für eine unterstützte Haushaltsgemeinschaft festzulegen, und zwar unter Bedachtnahme auf die Ersparnisse, die sich aus einer gemeinsamen Haushaltsführung ergeben. Betrachtet man §8 Abs4 in systematischem Zusammenhang mit §8 Abs1 Kärntner Sozialhilfegesetz 1981, ergibt sich, daß der Richtsatz für die Haushaltsgemeinschaft, wie die Richtsätze überhaupt Durchschnittsbeträge sein sollen. Die Festsetzung der Richtsätze hat nach dem Wortlaut des Art8 Abs1 Kärntner

Sozialhilfegesetz 1981 unter Berücksichtigung der in Kärnten für die Bemessung des unter durchschnittlichen Lebensverhältnissen laufend ausreichenden Lebensunterhaltes erforderlichen Lebenshaltungskosten - wie sie im §7 Abs1 Kärntner Sozialhilfegesetz 1981 bestimmt sind - zu erfolgen.

Die Richtsatzhöchstgrenze für eine unterstützte Haushaltsgemeinschaft ist daher so hoch anzusetzen, daß die vorgesehenen Geldleistungen durchschnittlich für den Lebensunterhalt ausreichen. Im übrigen wäre es verfehlt, die Richtsatzhöchstgrenze gleichsam im Wege des Addierens einzelner Richtsätze ermitteln zu wollen. Es ist - wie auch aus §8 Abs4 des Kärntner Sozialhilfegesetzes hervorgeht - eine Obergrenze für eine Haushaltsgemeinschaft.

Nach der Volkszählung 1981 Österreichisches Statistisches Zentralamt, betrug die durchschnittliche Haushaltsgröße in Kärnten 3,02 Personen, ohne Einpersonenhaushalte 3,6 Personen, und ohne Ein- bis Zweipersonenhaushalte 4,3 Personen. Statistische Auswertungen über die Familienstruktur der Haushalte fehlen. Die Durchschnittskinderzahl pro Familie beträgt 1,5 Kinder, bezogen auf Familien mit Kindern 2 Kinder.

Die Richtsatzhöchstgrenze für eine Haushaltsgemeinschaft knüpft an diese Tatsachen an. Dies zeigt sich u.a., wenn man den Richtsatz für eine Haushaltsgemeinschaft den einzelnen Richtsatzpositionen gegenüberstellt. Dann entspricht der Richtsatz für eine Haushaltsgemeinschaft in etwa den Richtsatzpositionen für einen Hauptunterstützten, einen Haushaltsangehörigen ohne Familienbeihilfe und einen Haushaltsangehörigen mit Familienbeihilfe. Unberücksichtigt bei dieser Berechnung ist jedoch die Ersparnis, die sich aus einer gemeinsamen Haushaltsführung ergibt. Unter Berücksichtigung einer solchen Ersparnis wird man, wie hoch diese auch angesetzt werden mag, davon ausgehen müssen, daß dem Richtsatz für eine Haushaltsgemeinschaft jedenfalls mehr als drei Personen zugrunde gelegt sind. Des weiteren ist für die Haushaltsgemeinschaft eine höhere Mietbeihilfe vorgesehen.

Darüber hinaus ist folgender Umstand zu berücksichtigen. Wenn auch statistische Daten über die Familienstruktur der Haushalte nicht vorliegen, wird man, ausgehend von der Lebenserfahrung dennoch davon ausgehen können, daß die Haushalte durchschnittlich die übliche Familienstruktur - zwei Erwachsene, im übrigen Kinder - aufweisen. Dazu kommt, daß die Wahrscheinlichkeit einer solchen Familienstruktur mit steigender Zahl der Haushaltsangehörigen zunimmt. Nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes wird aber für jedes Kind eine Familienbeihilfe gewährt, deren Betrag 1986 ca. 120 % des Leistungsanspruches für einen Haushaltsangehörigen ohne Familienbeihilfe betrug. Auf diese Tatsache, welche sich auf eine Durchschnittsbetrachtung stützt, wird aber nach dem Sachlichkeitsgebot bei der Festsetzung des Richtsatzes für die Haushaltsgemeinschaft Bedacht zu nehmen sein.

         Fälle, in welchen mehr als zwei erwachsene Personen in

einer Haushaltsgemeinschaft leben, deren Einkommen den Richtsatz

für eine Haushaltsgemeinschaft nicht erreicht, kommen in der

Praxis kaum vor. Denkbar sind dabei vor allem soziale

Problemsituationen, wie Arbeitsunfähigkeit, Pflege, Krankheit,

Behinderung und dgl. In diesen Fällen wird ein Ausgleich aber

durch einen gehobenen Richtsatz oder durch besondere Beihilfen

geschaffen. Es bleiben nur äußerst seltene Fälle übrig, z.B.,

wenn ein Haftentlassener in seine Familie zurückkehrt und nicht

sofort wieder Arbeit findet. Aber auch für solche Fälle ist eine

Abhilfe im Gesetz vorgesehen. Nach §7 Abs3 Sozialhilfegesetz

1981 ist der Richtsatz wegen besonderer persönlicher oder

familiärer Verhältnisse zu erhöhen. Sofern nur eine kurzdauernde

Hilfsbedürftigkeit gegeben ist, kommt auch die Gewährung einer

einmaligen Geldleistung oder Sachleistung nach §7 Abs2 in

Betracht. Die durch die Richtsatzhöchstgrenzen eventuell

entstehenden Härten werden somit durch gesetzliche Regelungen

aufgefangen. . . . . .".

II.      Der VfGH hat erwogen:

A. Zur geprüften Wortfolge im §4 Abs1 K-SHG

1. Die angefochtenen Bescheide werden u.a. auf §4 K-SHG gestützt. Auch der VfGH hätte bei Entscheidung über die zulässigen - Beschwerden diese landesgesetzliche Bestimmung anzuwenden. Es würde aber für den Fall, daß die in den Einleitungsbeschlüssen dargelegten Bedenken zutreffen, hinreichen, die in Prüfung gezogene Wortfolge aufzuheben, um für die Anlaßfälle eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage herzustellen.

Da außer der Präjudizialität auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Das K-SHG 1981 ist eine Wiederverlautbarung des Kärntner Sozialhilfegesetzes, LGBl. 40/1975, idF der Novellen LGBl. 20/1976, 23/1978 und 62/1980 (K-SHG 1975). §4 Abs1 K-SHG 1975 sprach von "unterhaltsberechtigten Angehörigen des Hilfsbedürftigen", während im §4 Abs1 K-SHG 1981 von "unterhaltspflichtigen Angehörigen des Hilfsbedürftigen" die Rede ist. Diese - bei wörtlicher Interpretation geradezu unverständliche - Textierung ist also nicht auf ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zurückzuführen, sondern auf einen Fehler bei der Wiederverlautbarung.

Der VfGH hält es aber unter den besonderen hier vorliegenden Umständen nicht für nötig, die Wiederverlautbarung in einem Verfahren nach Art139a B-VG zu prüfen: Der wiederverlautbarte Text des §4 Abs1 K-SHG 1981 kann nämlich ohnehin - wie in den Einleitungsbeschlüssen vorläufig angenommen wurde - berichtigend dahin ausgelegt werden, daß unter den hier erwähnten "unterhaltspflichtigen Angehörigen des Hilfsbedürftigen" jene Angehörigen zu verstehen sind, denen gegenüber der Hilfsbedürftige unterhaltspflichtig ist. §4 Abs1 K-SHG 1981 hat sohin einen Inhalt, der mit §4 Abs1 K-SHG 1975 identisch ist. Die in den Einleitungsbeschlüssen enthaltenen Bedenken gelten also in gleicher Weise für §4 Abs1 K-SHG 1981 wie für §4 Abs1 K-SHG 1975. Wie in der Folge dargetan wird, treffen die Bedenken zu. Es wäre mithin sinnlos, zunächst in einem Verfahren nach Art139a B-VG den dem K-SHG 1975 entsprechenden Rechtszustand herzustellen, um in der Folge zum selben Ergebnis wie ohne Zwischenschaltung eines solchen Verfahrens zu gelangen, nämlich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Norm wegen Zutreffens der in den Einleitungsbeschlüssen dargestellten inhaltlichen Bedenken.

3. Die in den Einleitungsbeschlüssen geäußerten Bedenken (s.o. I.3.a) haben sich - entgegen der Meinung der Kärntner Landesregierung (s.o. I.3.b) - als zutreffend herausgestellt:

Auszugehen ist von dem im vorstehenden Pkt. 2 wiedergegebenen Inhalt des §4 Abs1 K-SHG 1981.

Aus §4 Abs1 iVm §8 Abs1 und 2 K-SHG ergibt sich, daß eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes für den Fall, daß der Anspruchswerber als "Hauptunterstützter" in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, darin besteht, daß der Hauptunterstützte den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann; ferner geht aus diesen Vorschriften hervor, daß es für die Unterstützungshöhe auf das Einkommen der Haushaltsgemeinschaft ankommt, wobei die Einkünfte der im Haushalt wohnenden unterhaltsberechtigten Angehörigen des Hauptunterstützten (so auch die den Angehörigen von dritter Seite gewährten Alimente) zur Gänze in das Haushaltseinkommen einzubeziehen sind. Entgegen der Meinung der Kärntner Landesregierung ist diese Auslegung nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes die einzig richtige. Nicht recht verständlich ist, woraus die von der Landesregierung in Betracht gezogene Interpretation abzuleiten wäre, daß "die Richtsätze innerhalb der Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft weiter gespalten bzw. für jede Person die Beträge einzeln zusammenzurechnen" seien, woraus geschlossen werden könne, "daß auch die Einnahmen nach Personen anzurechnen" seien. Das Gesetz stellt vielmehr eindeutig auf das Gesamteinkommen der Haushaltsgemeinschaft ab.

Eine gesetzliche Regelung dieses Inhaltes ist aber sachlich nicht zu rechtfertigen. Es ist nämlich nicht einzusehen, weshalb die dem Hauptunterstützten gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen in jedem Fall mit ihren Einkünften unbeschränkt zum Lebensunterhalt der anderen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft beitragen sollen, und zwar auch dann, wenn sie ihnen gegenüber gar nicht unterhaltspflichtig sind. Dies kann etwa dazu führen, daß der Vater oder die Mutter auf Kosten der ihren Kindern von dritter Seite gewährten Alimente lebt. Derartige Konstellationen sind - und auch hierin kann der VfGH der Kärntner Landesregierung nicht folgen - keine vernachlässigbaren Härtefälle, sondern ergeben sich aus dem System der Regelung.

Die in Prüfung gezogene Wortfolge im §4 Abs1 K-SHG verstößt sohin gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz.

4. Die Nov. zum K-SHG, LGBl. 1/1988, hat §4 Abs1 neu gefaßt. Dadurch trat diese Bestimmung in der Stammfassung außer Kraft. Der VfGH hatte sich daher gemäß Art140 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, daß die in Prüfung gezogene Wortfolge bis zum Inkrafttreten der zitierten Nov. verfassungswidrig war; dies ungeachtet des Umstandes, daß die nun geltende Regelung inhaltlich mit der als verfassungswidrig festgestellten übereinstimmt.

5. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art140 Abs5

B-VG.

B. Zu §1 Abs2 SH-LV 1986

1. Der VfGH hätte diese Verordnungsstelle im Anlaß-Beschwerdeverfahren B1234/86 anzuwenden. Sie ist wegen ihres untrennbaren Zusammenhanges zur Gänze präjudiziell.

Da auch die weiteren Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren V141/87 zulässig.

2. Die im Einleitungsbeschluß enthaltenen Bedenken wurden im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut:

Zunächst hat sich die darin enthaltene Ausgangsposition über den Inhalt des §8 Abs4 K-SHG als zutreffend erwiesen. Diese landesgesetzliche Bestimmung ermächtigt den Verordnungsgeber dazu, Richtsatzhöchstgrenzen für eine unterstützte Haushaltsgemeinschaft derart vorzusehen, daß diese mit den vorgesehenen Beträgen ihren Lebensunterhalt iS des §7 Abs1 leg.cit. bestreiten kann. Nach dieser Gesetzesbestimmung sind die Richtsatzhöchstgrenzen so hoch anzusetzen, daß im Regelfall mit den dort vorgesehenen Geldleistungen das Auslangen gefunden werden kann und daß eine Erhöhung der richtsatzmäßigen Geldleistung gemäß §7 Abs3 K-SHG nur in außergewöhnlichen Einzelfällen erforderlich wird.

§1 Abs2 SH-LV 1986 legt für eine Haushaltsgemeinschaft eine Richtsatzhöchstgrenze fest, die in der Regel den Betrag nicht überschreiten darf, der sich aus dem doppelten, für den Hauptunterstützten anzuwendenden Richtsatz ergibt (also für den Fall, daß der "allgemeine Richtsatz" anzuwenden ist, mit 2.620 S x 2 = 5.240 S). Dieser Höchstrichtsatz für eine Haushaltsgemeinschaft entspricht den Richtsatzpositionen für einen Hauptunterstützten, einen Haushaltsangehörigen ohne und einen solchen mit Anspruch auf Familienbeihilfe (2.620 S + 1.620 S + 920 S = 5.160 S). Ohne daß die SH-LV 1986 dies ausdrücklich besagt, ist "in der Regel" ab dem dritten Haushaltsangehörigen nahezu oder überhaupt keine Hilfe zum Lebensunterhalt mehr vorgesehen. So gebührt etwa für das zweite Kind und für weitere Kinder eines Ehepaares keine solche Hilfe. Die Einschränkung "in der Regel" nimmt auf §7 Abs3 K-SHG Bezug, dessen Inhalt und Bedeutung im vorstehenden Absatz erörtert wurde.

Der Fall, daß eine Haushaltsgemeinschaft neben dem Hauptunterstützten aus mehr als zwei weiteren Personen (Haushaltsangehörigen) besteht, ist kein seltener (vernachlässigbarer) Ausnahmefall, sondern eher die Regel; so ist es etwa nicht ungewöhnlich, wenn ein Ehepaar mehr als ein Kind hat. Dies wird durch die in der Äußerung der Kärntner Landesregierung (s.o. I.4.b) enthaltenen Angaben über die durchschnittliche Haushaltsgröße und die Durchschnittskinderzahl belegt.

Auch wenn die Lebenshaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe der Haushaltsgemeinschaft abnehmen mögen, so ist doch immer noch je weitere Person ein Aufwand iS des §7 Abs1 K-SHG in einiger Höhe erforderlich. Es ist also kein sachlicher Grund zu erkennen, die richtsatzmäßigen Geldleistungen für eine Haushaltsgemeinschaft ab dem dritten Haushaltsangehörigen derart abrupt zu kürzen. Wenn der dritte Haushaltsangehörige und allfällige weitere Haushaltsangehörige keine Familienbeihilfe beziehen, müßte stets nach §7 Abs3 K-SHG vorgegangen werden. In diesen Fällen (die keineswegs besonders selten sind) ist - beim dargestellten Inhalt des §8 Abs4 K-SHG - die im §1 Abs2 SH-LV 1986 vorgesehene Richtsatzhöchstgrenze jedenfalls verfehlt. Aber auch dann, wenn für den dritten Haushaltsangehörigen und allfällige weitere Haushaltsangehörige Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (also im häufigen Fall, daß in der Haushaltsgemeinschaft der Hauptunterstützte, seine Ehefrau und mehr als ein Kind leben) kann in der Regel mit der Familienbeihilfe allein der Lebensunterhalt (§7 Abs1 K-SHG) dieser weiteren Personen (beispielsweise des zweiten und dritten Kindes) nicht bestritten werden; dies ergibt sich schon daraus, daß der Verordnungsgeber für das Jahr 1986 offenbar angenommen hat, das erste Kind benötige monatlich die Familienbeihilfe von 1.100 S und darüber hinaus noch an Sozialhilfe 920 S (also insgesamt 2.020 S); ein einsichtiger Grund dafür, daß dann für das zweite und dritte Kind mit je 1.100 S das Auslangen gefunden werden könnte, ist nicht zu erkennen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß §1 Abs2 SH-LV 1986 dem §8 Abs4 K-SHG widerspricht.

3. §1 Abs2 der SH-LV 1986 ist inzwischen durch §6 Abs1 SH-LV 1987, LGBl. 75/1986 mit 1. Jänner 1987 abgelöst worden. Die SH-LV 1986 ist mit diesem Zeitpunkt außer Kraft getreten.

Der VfGH hatte sich sohin gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, daß die in Prüfung gezogene als gesetzwidrig erkannte - Verordnungsstelle gesetzwidrig war.

4. Die Verpflichtung der Landesregierung zur Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 B-VG.

Schlagworte

Wiederverlautbarung, Auslegung, Sozialhilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:G158.1987

Dokumentnummer

JFT_10119685_87G00158_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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