TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/27 90/04/0132

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Veröffentlicht am 27.11.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. Februar 1990, Zl. 308.342/1-III-3/89, betreffend Verweigerung der Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1.) Gemeinde X, 2.) A, 3.) B, 4.) C, 5.) D, 6.) und 7.) E sen. und jun., zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. Februar 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf gewerbebehördliche Genehmigung eines Gewehr- und Pistolenschießstandes auf dem Grundstück Nr. 671/2 KG Y, Gemeinde X vom 23. Februar 1979 abgewiesen. Zur Begründung führte der Bundesminister im wesentlichen aus, gemäß § 25 Abs. 1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes gehörten alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen festgelegten Grundflächen zum Freiland. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle seien als Freiland solche Flächen festzulegen, die für land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für Gärtnereien und Kleingärten, für Kur-, Erholungs-, Spiel- und Sportzwecke, für Parkanlagen, für Friedhöfe, für Bodenentnahmen und für Ablagerungsstätten und dgl. bestimmt seien. Jene Flächen des Freilandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienten und nicht Ödland seien, seien, soweit es die Entwicklung erfordere, im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung auszuweisen. Nach Abs. 3 dürften im Freiland nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die für eine bestimmungsgemäße Nutzung nach Abs. 2 erforderlich seien. Es enthalte demnach § 25 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes in seinem Abs. 3 eine Bestimmung, die das Errichten und Betreiben einer Betriebsanlage grundsätzlich verbiete, soferne nicht eine bestimmungsgemäße Nutzung vorliege. Die bestimmungsgemäße Nutzung setze eine besondere Ausweisung im Flächenwidmungsplan, somit in einer generellen Norm, voraus, soferne es sich nicht um eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung handle. Für die Errichtung des Schießstandes sei somit eine gesonderte Ausweisung der spezifischen Nutzung im Grünland erforderlich. Nur für den Fall einer solchen gesonderten Ausweisung sei das Errichten und Betreiben einer solchen Betriebsanlage gemäß § 25 Abs. 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes nicht verboten. Die in Rede stehende Betriebsliegenschaft sei ausschließlich als Freiland ohne besondere Nutzung gewidmet. Auf eine allenfalls beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplanes habe die Behörde nicht abzustellen, sondern auf die Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt. Für die vom Beschwerdeführer herausgestellten wirtschaftlichen Überlegungen ermangle es hinsichtlich der anzuwendenden Bestimmungen der Rechtsgrundlage. Auch könne keine Rechtswidrigkeit des Bescheides der Behörde zweiter Instanz daraus abgeleitet werden, daß das Berufungsverfahren gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz bereits vor Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1988 anhängig gewesen sei, da die materiellrechtlichen Bestimmungen der Novelle, so auch § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973, auf alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren anzuwenden sei. Ebensowenig lasse sich aus der Dauer des Berufungsverfahrens eine Rechtswidrigkeit desjenigen Bescheides, der dieses Berufungsverfahren abschließe, ableiten. Auch aus dem Umstand, daß ein Vorbescheid wegen übergangener Nachbarn behoben werden mußte, lasse sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen. Ebensowenig seien die Gründe, warum es zu einer Nichtausweisung des Schießstandes im Flächenwidmungsplan gekommen sei, für das vorliegende Verfahren von Relevanz. Auch die Behauptung, die derzeit ohne rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung betriebene Anlage verursache weniger Emissionen als die ursprünglich geplante, treffe nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, nämlich ob Rechtsvorschriften das Errichten und Betreiben der konkreten Betriebsanlage verböten oder nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes erblickt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß eindeutige Versäumnisse der beteiligten Behörden dazu geführt hätten, daß ein von ihm mit großem finanziellem und wirtschaftlichem Aufwand errichteter Gewerbebetrieb nunmehr ohne gewerbebehördliche Genehmigung bestehen solle. Die zuständige Gemeinde X habe offensichtlich irrtümlich übersehen, in dem seit 17. Juli 1984 rechtswirksamen Flächenwidmungsplan auf dem fraglichen Grundstück die Sondernutzung für seine seit dem Jahre 1980 dort konsensgemäß betriebene gewerbliche Schießanlage vorzusehen. Nach Kenntnis dieser für ihn nachteiligen Rechtslage habe die Gemeinde X jedoch unverzüglich eine entsprechende Korrektur veranlaßt und der Gemeinderat werde in Kürze eine entsprechende Änderung des Flächenwidmungsplanes beschließen. Die jetzt gegebene Situation sei für den Beschwerdeführer vor allem auch wirtschaftlich existenzbedrohend. Dies hätte leicht dadurch vermieden werden können, daß die belangte Behörde mit der Entscheidung bis zur Sanierung der Rechtslage durch die Gemeinde X zugewartet hätte. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt der Beschwerdeführer vor, in einer Angelegenheit von derart großer wirtschaftlicher und rechtlicher Tragweite hätte die belangte Behörde vor ihrer Entscheidung der Gemeinde X die Gelegenheit geben müssen, die von ihr irrtümlich herbeigeführte, keinesfalls gewollte mangelnde Ausweisung seiner Betriebsanlage im Freiland entsprechend zu sanieren. Auf ein diesbezügliches Ersuchen seinerseits sei überhaupt nicht eingegangen worden. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, daß ihm die belangte Behörde nicht in ausreichendem Maße Parteiengehör gewährt habe.

Der Beschwerde kommt schon auf Grund folgender Überlegungen Berechtigung zu:

Gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Nach dem zweiten Satz darf die Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047, ausgeführt hat, hat die Gewerbebehörde in Ansehung der konkreten vom Antrag erfaßten Betriebsanlage, und zwar bezogen auf den in Betracht kommenden Standort, zu prüfen, ob sich aus einer Rechtsvorschrift ein Verbot des Errichtens oder Betreibens dieser Anlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag ergibt. Die belangte Behörde irrt allerdings, wenn sie meint, als derartige "Rechtsvorschriften" kämen nur generelle Normen, im konkreten Fall also nur der Flächenwidmungsplan, in Betracht. Als Rechtsvorschriften im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 sind vielmehr auch die Rechtslage gestaltende individuelle Rechtsnormen, wie sie insbesondere Bewilligungsbescheide der Baubehörde darstellen, anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0195).

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage nicht weiter prüfte, ob - wofür die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Aktenlage entsprechende Anhaltspunkte bietet - im konkreten Fall ein die Errichtung der in Rede stehenden Betriebsanlage bewilligender baubehördlicher Bescheid vorliegt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das darüber hinausgehende, insbesondere Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes abzuweisen.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag der dritt-, viert- und fünftmitbeteiligten Parteien, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung wieder abzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990040132.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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