TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/4 90/11/0157

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Veröffentlicht am 04.12.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §52;
AVG §58 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 11. Juni 1990, Zl. 9/01-28.935/13-1990, betreffend Aufforderung nach § 75 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoferne, als mit ihm der Beschwerdeführer zu einer amtsärztlichen Untersuchung verpflichtet wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 14. Jänner 1988 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, "innerhalb 6 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides sich beim Chefarzt der Bundespolizeidirektion Salzburg, bezüglich der körperlichen und geistigen Eignung zum Lenken von KFZ der Gr. a (bis 125 cm3) /B/C/E/F/G untersuchen zu lassen und die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe sich "innerhalb von 8 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides beim Chefarzt der Bundespolizeidirektion Salzburg, bezüglich der körperlichen und geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe a (Motorräder bis 125 ccm), B, C, E, F und G untersuchen zu lassen und den zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen verkehrspsychologischen Befund, welcher eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einzubeziehen hat, sowie ein augenfachärztliches Attest betreffend Monocular bzw. optische Korrigierbarkeit, beizubringen".

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, aus welchem Grunde der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid aufgefordert wurde, sich neuerlich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Der Amtsarzt der Erstbehörde hielt nach seiner Untersuchung des Beschwerdeführers fest, daß eine endgültige Beurteilung der geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen erst nach Beibringung der in Rede stehenden Befunde möglich sei. Dabei war lediglich von der VORLAGE der "entsprechenden Beurteilungshilfen" die Rede, nicht aber auch von der Notwendigkeit einer neuerlichen (amtsärztlichen) Untersuchung nach Beibringung der erforderlichen Unterlagen. Wenn die belangte Behörde dessenungeachtet eine solche Untersuchung für erforderlich erachtet hat, so hätte sie die Gründe hiefür dartun müssen.

Der angefochtene Bescheid ist daher in Ansehung der Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, für die Einleitung eines Entziehungsverfahrens habe kein Anlaß bestanden. Die Voraussetzung für eine Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, daß begründete Bedenken gegen seine geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestanden haben müßten, sei nicht vorgelegen. Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Nach der Aktenlage wurde er am 16. Mai 1984 einer amtsärztlichen Untersuchung auf seine Eignung unterzogen. Dabei wurde seine bedingte Eignung mit erforderlicher Nachuntersuchung in zwei Jahren festgestellt. Als Begründung führte der Amtssachverständige "Altersabbau, Psychische Störung" an. Wenn es auch in der Folge zunächst zu keinen kraftfahrrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zu keiner Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 73 Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967, gekommen ist, durften die Kraftfahrbehörden jedenfalls nach Ablauf der vom Amtssachverständigen genannten Frist Bedenken an der aufrechten geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers haben und gemäß § 75 Abs. 1 KFG 1967 ein Ermittlungsverfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung einleiten. Wieso es zu der amtsärztlichen Untersuchung seinerzeit gekommen ist, ist dabei unerheblich. Ferner wurde der Beschwerdeführer am 9. September 1987 abermals vom Amtsarzt der Erstbehörde untersucht. Dabei wurden beim Beschwerdeführer folgende Mängel festgestellt: "Konzentrationsfähigkeit herabgesetzt, Beobachtungsfähigkeit herabgesetzt, Erinnerungsvermögen wesentlich reduziert, Streßresistenz reduziert, unkorrigierte Sehleistung mit Werten entsprechend 'Monokular', Hörvermögen reduziert, Koordination der Muskelbewegungen in Ablauf deutlich herabgesetzt, Altersbau. Sowie neurotische Verhaltsmuster höheren Grades." Der Amtsarzt hielt aus diesem Grunde die Beibringung der in Rede stehenden Befunde zur Beurteilung der geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen für erforderlich.

Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang lediglich auf einen "Erlaß" des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 3. Juni 1987 verwiesen hat, so liegt darin zwar ein Begründungsmangel. Dieser Mangel ist aber im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer bekannte Aktenlage nicht wesentlich.

Der Beschwerdeführer führt auch aus, daß er einen den geforderten Befunden gleichwertigen Befund vorgelegt habe; dieser hätte seine geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestätigt. Er bezieht sich dabei auf den "Psychodiagnostischen Befund" der Landesnervenklinik Salzburg vom 24. November 1987. Mit dieser Unterlage setzt sich der angefochtene Bescheid - gestützt auf die Sachverständigenäußerungen der Amtssachverständigen beider Instanzen, insbesondere der Landessanitätsdirektion - auseinander. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird insbesondere ausgeführt, daß bei der Untersuchung in der Landesnervenklinik nicht alle Testparameter erhoben worden seien, sodaß das dabei gewonnene Ergebnis nicht aussagekräftig sei. In dieser Hinsicht hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Aussagen ihrer Amtssachverständigen angeschlossen. Sie hat dem Beschwerdeführer die diesbezügliche Stellungnahme der Landessanitätsdirektion vom 21. November 1989 zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer hat sich dazu unter Anschluß eines Schreibens der Landesnervenklinik vom 20. März 1990 auch ausführlich geäußert. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, das Parteiengehör sei in Ansehung der letzten von der belangten Behörde zu diesem Thema eingeholten Stellungnahme der Landessanitätsdirektion vom 23. Mai 1990 verletzt worden, so zeigt er damit keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf. Er unterläßt es nämlich, in der Beschwerde konkret darzulegen, was er im Verwaltungsverfahren vorgebracht hätte, wäre ihm diese letzte Stellungnahme, die in der Begründung des angefochtenen Bescheides wörtlich wiedergegeben ist, bekannt gewesen. Der Hinweis darauf, daß er eine neuerliche Gegenstellungnahme eines Arztes der Landesnervenklinik Salzburg beigebracht hätte, stellt kein derartiges konkretes Vorbringen dar.

Der in Rede stehende "Psychodiagnostische Befund" war daher nicht geeignet, die Zweifel der belangten Behörde an der geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu zerstreuen.

Soweit der Beschwerdeführer auf die ihm durch die geforderte Beibringung von Befunden erwachsenden finanziellen Belastungen hinweist, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1987 , Slg. Nr. 11.301, zu verweisen, wonach keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Grundsatz der Selbstragung der Kosten durch die Partei bestehen.

Es trifft zwar zu, daß die Erreichung eines bestimmten (fortgeschrittenen) Alters für sich allein nicht die Einleitung eines Entziehungsverfahrens und die Erteilung eines Auftrages nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 rechtfertigt. Dies war aber beim Beschwerdeführer - wie dargetan - auch nicht der Fall. Sowohl in Ansehung seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit als auch seiner Sehfähigkeit entstanden Bedenken gegen die geistige und körperliche Eignung, die freilich zum Teil im Zusammenhang mit dem Alter des (im Jahre 1921 geborenen) Beschwerdeführers standen.

Die Beschwerde erweist sich in Ansehung der Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Beibringung von Befunden als unbegründet. Sie war in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

3. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid lediglich in einer Ausfertigung vorzulegen war und die für die zweite Ausfertigung entrichteten Stempelgebühren nicht ersetzt werden konnten.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner Beweismittel Gutachten Ergänzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990110157.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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