TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/11 87/05/0078

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Veröffentlicht am 11.12.1990
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L82303 Abwasser Kanalisation Niederösterreich;

Norm

BauO NÖ 1976 §56 Abs1;
BauO NÖ 1976 §56 Abs4;
KanalG NÖ 1977 §17 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §17 Abs3;
KanalG NÖ 1977 §3 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde

1) des JN und 2) der GN gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Februar 1987, Zl. II/2-V-8669 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Neufurth vertreten durch den Bürgermeister), betreffend Verpflichtung zum Kanalanschluß, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. November 1985 wurde gegenüber den Beschwerdeführern als den Eigentümern der Liegenschaft X-Straße nn in Neufurth, Parzelle n/1 in der EZ nnnn, KG Z, gemäß § 56 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) die Verpflichtung ausgesprochen, die angeführte Liegenschaft an das öffentliche Kanalnetz anzuschließen und die Abwässer der Liegenschaft unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften in das öffentliche Kanalnetz abzuleiten. Weiters wurden sie gemäß § 56 Abs. 3 und 4 BO in Verbindung mit den §§ 17 und 18 des NÖ Kanalgesetzes 1977 verpflichtet, die auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen und zu diesem Zweck einen Hauskanal herzustellen. Die Begründung erschöpft sich in der Wiedergabe des § 56 Abs. 3 und 4 BO und des § 17 Abs. 1 und 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 sowie in dem Satz, daß die mitbeteiligte Gemeinde in der Buchenstraße einen Hauptkanal verlegt habe und die in den zitierten Gesetzesstellen angeführten Voraussetzungen für eine Anschlußpflicht für die im Spruch genannte Liegenschaft gegeben seien.

In der dagegen erhobenen Berufung machten die Beschwerdeführer geltend, daß im vorliegenden Fall eine Ableitung ohne technische Vorrichtungen nicht durchführbar sei. Gleichzeitig legten sie zum Nachweis dafür das "Gutachten" eines Bauunternehmens vor.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. März 1986 wurde der Berufung der Beschwerdeführer teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, daß die Beschwerdeführer verpflichtet wurden, gemäß § 56 Abs. 4 BO die angeführte Liegenschaft an das öffentliche Kanalnetz anzuschließen und die Abwässer der Liegenschaft unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften in das öffentliche Kanalnetz abzuleiten sowie gemäß § 56 Abs. 3 und 4 BO in Verbindung mit den §§ 17 und 18 des NÖ Kanalgesetzes 1977 das Erd- und Obergeschoß, nicht jedoch das Kellergeschoß des auf der Liegenschaft befindlichen Gebäudes mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen und zu diesem Zweck auf der Liegenschaft einen Hauskanal herzustellen. Nach dem Amtssachverständigengutachten bestünden für die Beschwerdeführer wegen der Lage des neu verlegten Hauptkanales zwei Möglichkeiten, nämlich entweder ein Anschluß mittels eines Hauskanales, der entgegen der ÖNORM B 2501 nur ein Gefälle von 1 Prozent aufweise, oder ein Anschluß über eine bestehende 3-Kammer-Hauskläranlage mittels eines Pump- oder Hebewerks. Beide Anschlußmöglichkeiten seien nicht geeignet, die Erfordernisse des § 56 Abs. 3 und 4 BO zu erfüllen. Dies bedeute jedoch keineswegs, daß die Anschlußpflicht der Beschwerdeführer zur Gänze entfalle. Für das Erd- und Obergeschoß bleibe nämlich die Anschlußmöglichkeit mit einem normgerechten Gefälle des Hauskanales von mindestens 1,5 Prozent bestehen. Die Anschlußpflicht entfalle somit nur für jenes Geschoß - das Kellergeschoß -, das nicht oder nur mit technischen Hilfsmitteln angeschlossen werden könne. Daß das Erd- und Obergeschoß sowohl mit dem von der ÖNORM vorgeschriebenen Gefälle als auch ohne technische Hilfsmittel entsorgt werden könne, stehe einwandfrei fest.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie geltend machten, daß das Haus eine Einheit darstelle und daher bezüglich der Abwasserentsorgung nicht willkürlich eine Teilung vorgenommen werden könne. Es sei auch nicht ihr Verschulden, daß der Anschluß der gesamten Liegenschaft ohne technische Hilfsmittel nicht möglich sei, da ihr Projekt so ausgelegt worden sei, daß ein späterer Anschluß sehr wohl ohne technische Hilfsmittel möglich gewesen wäre. Wenn der Kanal dann anders verlegt worden sei, als ursprünglich vorgesehen, so könne diese Fehlplanung nicht auf Kosten der Beschwerdeführer ausgetragen werden. Die Zusatzkosten, die für eine ordnungsgemäße Entsorgung der gesamten Liegenschaft entstehen würden, seien für sie aus finanziellen Gründen nicht verkraftbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Auch die Vorstellungsbehörde ging davon aus, daß die Abwässer des Gebäudes ohne besondere technische Vorrichtungen entsorgt werden könnten, wenn nur das Erd- und das Obergeschoß in die Verpflichtung zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage einbezogen würden. Auf Grund des Begriffes "ohne besondere technische Vorrichtungen" im § 56 Abs. 4 BO sei es zulässig, eine Kanalanschlußverpflichtung geschoßweise aufzutragen. Der Begriff "ohne besondere technische Vorrichtungen" sei nach Ansicht der Aufsichtsbehörde so auszulegen, daß für alle jene Geschoße, aus denen die Abwässer im freien Gefälle in den öffentlichen Kanal abgeleitet werden könnten, eine Anschlußverpflichtung verfügt werden könne. Dieses Gefälle müsse mindestens 1,5 Prozent betragen, für andere Geschoße dürfe eine Anschlußverpflichtung an den öffentlichen Kanal nicht ausgesprochen werden. Würde man sich dieser Rechtsansicht nicht anschließen, so könnte der Fall eintreten, daß bei einem achtgeschoßigen Gebäude, bei dem der Keller tiefer liege als der Hauptkanal und bei dem aus dem Keller Abwässer abzuleiten seien, eine Anschlußpflicht bei Neulegung eines Hauptkanales für die verbleibenden sieben Geschoße nicht in Betracht komme. Eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Anschluß an den öffentlichen Kanal könnte dann durch einen Einbau von Abwasserbeseitigungsanlagen im Keller vor Neulegung eines Hauptkanales durch den Hauseigentümer erwirkt werden. Daher seien die Beschwerdeführer zum Anschluß des Erd- und Obergeschoßes an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht verletzt, nicht an den derzeit bestehenden Kanal anschließen zu müssen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

§ 56 Abs. 1 und 4 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0 in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung der Novelle 1981, LGBl. 8200-1, lautet:

"(1) Für jedes Gebäude ist Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer (Niederschlags-, Schmutz- und Fäkalwässer) zu treffen.

.....

(4) In Gemeinden, in denen zur Beseitigung der Abwässer öffentliche Kanäle bestehen, sind die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn die Anschlußleitung nicht länger als 50 m und die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne besondere technische Vorrichtungen möglich ist. Fehlen solche öffentliche Kanäle, sind die Abwässer in Senkgruben zu leiten oder gemäß anderen gesetzlichen Vorschriften in unschädlicher Weise zu beseitigen. Die Jauche aus Stallgebäuden ist durch flüssigkeitsdichte Rohre in Jauchegruben zu leiten."

Nach § 17 Abs. 1 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-0, haben die Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber, die zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet sind, "Gebäude gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen". Die Liegenschaftseigentümer der im Zeitpunkt des Eintrittes der Anschlußverpflichtung bereits bestehenden Gebäude sind verpflichtet die Aborte und sonstigen Abwasseranlagen einschließlich der Regenwasserableitungen auf ihre Kosten nötigenfalls derart umzubauen, daß ein Anschluß an die Hausentwässerungsanlage (Hauskanal) möglich ist. Nach Abs. 3 des § 17 leg. cit. hat bei Neulegung eines Hauptkanales der Gemeinde der Bürgermeister den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen.

Nach § 3 Abs. 2 leg. cit. wird die Berechnungsfläche für die Bemessung der Kanaleinmündungsabgabe in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der verbauten Fläche mit der um eins erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unverbauten Fläche vermehrt wird. Als unverbaute Fläche gelten die dem gleichen Liegenschaftseigentümer gehörigen, an die verbaute Fläche unmittelbar anschließenden Grundflächen bis höchstens 500 m2; zur bebauten Fläche gehören nicht land- und forstwirtschaftliche Nebengebäude oder Teile von Gebäuden, die land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, es sei denn, daß sie unmittelbar mit dem Kanalnetz verbunden sind.

Den Beschwerdeführern ist zuzugeben, daß die Regelung der Kanalanschlußpflicht in Niederösterreich nicht besonders deutlich formuliert ist, und dies nicht nur für diesen besonderen Ausnahmefall; auch die hier noch nicht anzuwendende Neufassung des § 56 (Novelle LGBl. 8200-6) hat nichts Wesentliches geändert. Für eine Möglichkeit des Anschlusses lediglich einzelner Geschoße spricht ausschließlich die - nur für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe gedachte - Vorschrift des § 3 Abs. 2 des NÖ Kanalgesetzes 1977 gegen eine derartige Auslegung des § 56 BO sowie des § 17 Abs. 1 und 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 in ihrem Zusammenhang. Nach § 56 Abs. 1 BO ist für jedes GEBÄUDE Vorsorge für die Beseitigung der Abwässer zu treffen. Auch § 17 des Kanalgesetzes normiert Pflichten von Eigentümern der Liegenschaft hinsichtlich ihrer Gebäude, ohne daß sich aus dem Gesetz ein Anhaltspunkt für eine Teilung des Auftrages zum Anschluß ableiten läßt. Nach § 56 Abs. 4 der NÖ Bauordnung besteht weiters eine Anschlußverpflichtung nur dann, wenn die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne besondere technische Vorrichtungen möglich ist. Unter diesen Voraussetzungen ist aber für die anschließenden Gebäude im Hinblick auf die Lage des Straßenkanals ein Anschluß nicht möglich, sodaß eine dennoch ausgesprochene Anschlußverpflichtung dem Sinn der Regelung zuwiderläuft, ja ein solcher Auftrag dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechen würde.

Den Beschwerdeführern ist daher zuzustimmen, daß die Zulässigkeit Pflichten begründender behördlicher Akte, wie sie beim Kanalanschluß vorliegen, im Zweifelsfall nicht angenommen werden dürfen. Wenn die Behörde auf denkbare Mißbräuche mangels Möglichkeit der Teilung der Geschoße hinweist, muß ihr entgegengehalten werden, daß es Sache des Gesetzgebers ist, durch eindeutige Regelung für die erforderliche Klarheit zu sorgen (vgl. die entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer).

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der Berufungsbescheid schon deshalb mit sich im Widerspruch steht, weil er einerseits im Punkt 1 den Anschluß "der Liegenschaft" aufträgt, während im Punkt 2 nur das Erd- und Obergeschoß, nicht jedoch das Kellergeschoß mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen ist. Gerade daß üblicherweise in den Bescheiden über die Verpflichtung zum Kanalanschluß auf die "Liegenschaft" und nicht etwa nur auf "Gebäude auf dieser Liegenschaft" Bezug genommen wird, spricht gegen die Teilbarkeit des Anschlußzwanges bzw. dessen Voraussetzungen.

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ebenso wie die Berufungsbehörde gleichwohl von einer Teilbarkeit des Anschlußzwanges ausgegangen ist, wurden Rechte der Beschwerdeführer verletzt, was zur Aufhebung des Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führte.

Da die eingebrachten Schriftsätze und die vorliegenden Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, war von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987050078.X00

Im RIS seit

11.12.1990

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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