TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/11 89/14/0219

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Veröffentlicht am 11.12.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §167 Abs2;
EStG 1972 §7 Abs1;
EStG 1972 §7;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 375;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der E-KG gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 28. Juli 1989, Zl. 30.484-3/89, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer 1981 bis 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles, der die Frage der Abnutzbarkeit (und damit Abschreibbarkeit) eines derivativen Firmenwertes zum Gegenstand hat, wird auf das (aufhebende) hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/14/0174, verwiesen. Hieraus ist für den nunmehrigen Beschwerdefall hervorzuheben, daß die Ähnlichkeit des Sachverhaltes, wonach der Beschwerdeführerin und ihrer Rechtsvorgängerin die Alleinvertretung bestimmter Produkte zustand, mit Fällen, in denen gewerberechtliche Vorschriften geschützte Wettbewerbsverhältnisse schaffen, (abweichend von der Ansicht der belangten Behörde) verneint wurde. Der Gerichtshof war der Auffassung, die Konkurrenz durch funktionsgleiche Produkte anderer Hersteller spreche dafür, daß der Firmenwert nicht auf Wettbewerbsvorteilen sachlicher Art beruhe, sondern auf persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers zurückzuführen sei. Hierauf weise auch hin, daß die Beschwerdeführerin zahlreiche Letztverbraucher beliefert habe, die nur langfristigen Bedarf nach neuen Torsprechanlagen, elektronischen Überwachungssystemen und dergleichen hätten, sodaß es ständiger Bemühungen um neue Abnehmer bedürfe. Es sei auch nicht ausreichend erhoben worden, ob der strittige Firmenwert überwiegend auf persönliche Leistungen des Komplementärs der Beschwerdeführerin im Rahmen der Vorgängerfirmen (als deren Angestellter bzw. Kommanditist) zurückzuführen sei. Abnutzbarkeit des Firmenwertes könne nämlich nicht unterstellt werden, wenn derjenige, der ihn durch seine persönlichen Leistungen geschaffen habe, den Betrieb - wenn auch in anderer Rechtsform oder in anderer gesellschaftsrechtlicher Position - selbst weiterführe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid verneinte die belangte Behörde abermals die Abnutzbarkeit des Firmenwertes und dessen Absetzbarkeit im Wege der AfA. Sie führte unter anderem aus: Die Sachlage habe sich im zweiten Rechtsgang insoferne geändert, als die Beschwerdeführerin nicht zahlreiche Letztverbraucher, sondern (von wenigen Ausnahmen abgesehen) ausschließlich Elektrofachhändler beliefert habe. Bei der Beurteilung der Wertfaktoren, aus denen sich der Firmenwert zusammensetze, ergebe sich in freier Beweiswürdigung, daß der hier zu beurteilende Firmenwert nicht nur im Kundenstock der Rechtsvorgängerin, sondern auch in der Einkaufsverbindung zum E.-Werk beruhe. Diese sachliche Firmenwertkomponente überwiege gegenüber der Bedeutung des Kundenstockes, weil die Einkaufsverbindung zumindest in den ersten Jahren eine unabdingbare Voraussetzung für die Unternehmenstätigkeit der Beschwerdeführerin gewesen sei, während der Komplementär der Beschwerdeführerin mangels Befragung der Kunden vor Firmenübernahme nur bedingt habe abschätzen können, inwieweit sie ihm künftig erhalten blieben. Die Bedeutung der Tätigkeit des Komplementärs der Beschwerdeführerin für den wirtschaftlichen Erfolg der Rechtsvorgängerin ergebe sich aus den technischen Dienst- und Serviceleistungen, welche für den Vertrieb der E.-Erzeugnisse erforderlich gewesen seien und nur von ihm erbracht werden konnten. Dieser persönliche Beitrag am Aufbau des Firmenwertes (im technischen Bereich) stehe dem Beitrag des J.T. (im kaufmännischen Bereich) in qualitativer Hinsicht in keiner Weise nach. Da letzterer auch für ein anderes Unternehmen tätig gewesen sei, überwiege insgesamt der Beitrag des Komplementärs der Beschwerdeführerin. Auch die Voraussetzungen für eine (nicht mehr streitgegenständliche) Teilwertabschreibung des Firmenwertes seien nicht gegeben.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf steuerliche Absetzbarkeit des erworbenen Firmenwertes insoweit verletzt, als die belangte Behörde den Firmenwert einerseits überwiegend auf die sachbezogene Lieferverbindung zum E.-Werk und andererseits - soweit er personenbezogen war - überwiegend auf die persönlichen Leistungen des Komplementärs der Beschwerdeführerin zurückführte. Sie beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (resultierend aus der Verletzung von Verfahrensvorschriften, somit erkennbar wegen hiedurch verursachter Rechtswidrigkeit) aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zu den von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes bekämpften Feststellungen gelangte die belangte Behörde auf Grund ihrer freien Beweiswürdigung. Diese unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf ihre Schlüssigkeit sowie dahin, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 549).

Der Gerichtshof hat im Vorerkenntnis zwar die Belieferung "zahlreicher Letztverbraucher" als Indiz für die Bedeutung persönlicher Leistungen der Rechtsvorgängerin angesehen. Wenn sich nun im zweiten Rechtsgang ergeben hat, daß nur wenige Letztverbraucher beliefert wurden, so führt dies im Beschwerdefall nicht schon zu einer anderen Gewichtung sachbezogener Firmenwertkomponenten. Es ist zwar den Ausführungen der belangten Behörde darin beizupflichten, daß der strittige Firmenwert nicht nur im Kundenstock der Betriebsvorgänger, sondern - neben allfälligen weiteren Komponenten - auch in der Einkaufsverbindung zum E.-Werk bestanden hat. Die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen zum Ausmaß der zum Firmenwert beitragenden Komponenten hält der Gerichtshof aber nicht für schlüssig:

2. Wie schon im Vorerkenntnis ist auf die Konkurrenz der funktionsgleichen Erzeugnisse anderer Hersteller für die Erzeugnisse der Firma E. hinzuweisen. Da somit die Nachfrage nach solchen Produkten nicht auf dieses Unternehmen angewiesen war, erhielt die Einkaufsverbindung zur Firma E. ihre Bedeutung erst in Verbindung mit dem von der Rechtsvorgängerin übernommenen Kundenstock. Die beste Einkaufsverbindung führt nicht ohne weiteres zum Erfolg, wenn keine Abnehmer gefunden werden können, etwa weil der Markt schon durch Konkurrenzprodukte besetzt ist und erst mühsam ein Kundenstock aufgebaut werden muß. Ist hingegen bereits ein Kundenstock vorhanden, so werden diese Kunden auf Grund ihrer persönlichen Beziehungen zum Rechtsvorgänger den von diesem angebotenen Erzeugnissen trotz Konkurrenz eher den Vorzug geben. Der Gerichtshof ist daher nach wie vor der Ansicht, daß die Konkurrenzlage dafür spricht, der strittige Firmenwert beruhe nicht auf Wettbewerbsvorteilen sachlicher Art, sondern auf persönlichen Komponenten. Zumindest ergibt sich im Beschwerdefall nicht, daß letztere weniger Gewicht hätten. Schon im Falle der Gleichgewichtung abnutzbarer und nicht abnutzbarer Komponenten des Firmenwertes wäre aber die Abnutzbarkeit und damit die Absetzbarkeit des gesamten Firmenwertes, der ein einheitlich zu bewertendes Wirtschaftsgut darstellt, zu bejahen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. März 1986, Zl. 84/13/0062).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, warum die Lieferverbindung zum E.-Werk als eine "dem Bestand nach sichere" Firmenwertkomponente zu beurteilen sein soll. Das Vertretungsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin beruhte lediglich auf einer mündlichen Absprache; daß irgendwelche Eintrittsrechte vereinbart worden wären, ist nicht hervorgekommen. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin mit der Firma E. nach den Feststellungen der belangten Behörde eine neue vertragliche Vereinbarung getroffen.

Wenig überzeugend ist auch die Argumentation der belangten Behörde zur geminderten Bedeutung des Kundenstocks, der Komplementär der Beschwerdeführerin habe sich mangels Befragung der Kunden der Vorgängerin keinesfalls sicher sein können, wieviele Kunden zur Nachfolgefirma wechseln würden. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn bei der Übernahme eines Kundenstocks einige Kunden verloren gingen; andererseits kann regelmäßig doch mit dem Erhalt eines guten Teiles der Geschäftsverbindungen gerechnet werden, auch wenn die Kunden nicht schon vorweg zu "Treueversprechen" veranlaßt wurden. Sollte sich die belangte Behörde bei ihren diesbezüglichen Ausführungen am hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1988, Zl. 87/13/0159, orientiert haben, wäre ihr entgegenzuhalten, daß im damaligen Beschwerdefall gegen Verzicht auf das Auseinandersetzungsguthaben eines ausscheidenden Kommanditisten die Überlassung von vier namentlich genannten Großkunden aus einem Kundenstock an eine neu gegründete Gesellschaft vereinbart worden war und daher damals die Bereitschaft dieser Kunden, zur neuen Gesellschaft zu wechseln, eine ganz besondere Bedeutung hatte.

Schließlich vermag auch eine gewisse Kundenfluktuation im Zusammenhang mit dem Ergebnis von Ausschreibungen, an denen sich alte oder potentielle neue Kunden beteiligen, an der Bedeutung eines übernommenen Kundenstockes nichts zu ändern.

3. Unschlüssig ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde auch insoferne, als diese im zweiten Rechtsgang zum Ergebnis gelangt ist, der personenbezogene Teil des Firmenwertes würde überwiegend auf persönlichen Leistungen des Komplementärs der Beschwerdeführerin beruhen: Die belangte Behörde hat einerseits auf die technischen Fähigkeiten des Komplementärs hingewiesen, ohne die der E.-Handel nicht hätte übernommen und die technische Seite der Aufträge nicht hätte abgewickelt werden können. Sie bezweifelte aber auch nicht die "Spitzenverkäuferqualitäten" des die Geschäfte der Rechtsvorgängerin führenden J.T. und dessen Kontakte zum Elektrohandel. Ihr könnte im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung allenfalls auch noch dahin gefolgt werden, die kaufmännischen Fähigkeiten des J.T. und die technischen Fähigkeiten des Komplementärs der Beschwerdeführerin seien für den Aufbau des Firmenwertes der Rechtsvorgängerin annähernd gleichwertig gewesen. Für die Frage des Überwiegens kann es aber nicht darauf ankommen, wieviel Arbeitszeit jeder der beiden für seinen Beitrag aufgewendet hat. Nahm die kaufmännische Geschäftsführung weniger Zeit in Anspruch als die technische Auftragsabwicklung und blieb J.T. daher noch Zeit für eine Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen, so kann hieraus nicht der Schluß gezogen werden, sein Beitrag wäre geringer zu bewerten. Nach der Auffassung des Gerichtshofes ergibt sich somit aus den vorliegenden Beweisergebnissen nicht schlüssig, daß der strittige Firmenwert ÜBERWIEGEND auf persönliche Leistungen des Komplementärs der Beschwerdeführerin zurückzuführen wäre; hierauf wurde aber im Vorerkenntnis abgestellt.

4. Durch ihre unschlüssige Beweiswürdigung hat die belangte Behörde aber Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen mußte nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Beschwerdeführerin hat an Schriftsatzaufwand weniger, zuzüglich der nicht gesondert zuzusprechenden Umsatzsteuer aber mehr als den höchstzulässigen Pauschbetrag verzeichnet; ihr gebührt daher Aufwandersatz in der verordneten Höhe (Dolp a.a.O. Seite 687).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989140219.X00

Im RIS seit

11.12.1990

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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