TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/11 90/07/0017

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Veröffentlicht am 11.12.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §43;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde 1) des AN und 2) der BN gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 4. Jänner 1990, Z1. 8W-Allg235/1/89, betreffend Behebung eines Bescheides gemäß 5 66 Abs. 2 AVG 1950 in einer Wasserrechtssache (mitbeteiligte Partei: BC), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. Dezember 1988 beantragte Dr. BC, die mitbeteiligte Partei dieses Verfahrens (MP), beim Magistrat der Stadt X die Ergreifung von Maßnahmen gegen die Ableitung von Überwässern eines auf dem höher gelegenen Grundstück der Beschwerdeführer gelegenen Teiches auf sein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 1988 und nach der Einvernahme von Zeugen wies der Bürgermeister der Stadt X mit Bescheid vom 1. August 1989 die Anträge der mitbeteiligten Partei "gemäß § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 in Verbindung mit §§ 9 Abs. 2, 122, 98 Wasserrechtsgesetz 1959 mangels Parteistellung des Antragstellers" ab. Zur Begründung führte die Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, § 9 Abs. 2 WRG 1959 spreche jenen Personen ein rechtliches Interesse und damit Parteistellung zu, "welche auf Grund einer Benutzung privater Tagwässer durch andere einem Einfluß ausgesetzt sind, wie ihn § 9 Abs. 2 beschreibt". Das Ermittlungsverfahren habe keine vom Teichabfluß ausgehenden negativen Beeinflussungen für das Grundstück der mitbeteiligten Partei ergeben. Vielmehr beruhten die Grundwasserverhältnisse im Bereich des Objektes der mitbeteiligten Partei darauf, daß sich

dieses auf einem stark grundwasserführenden Hang befinde. Da die Rechte der MP nicht berührt würden, gehöre diese im Sinne des § 9 Abs. 2 WRG 1959 auch nicht zu jenen Personen, welche die Bewilligungspflicht einer Wasserbenutzung geltend machen könnten und welchen in einem solchen Bewilligungsverfahren Parteistellung zukäme. Auch ein Vorgehen mittels einstweiliger Verfügung sei der Behörde nicht möglich gewesen, weil selbst ein kurzfristiges Absenken des Teichspiegels keinen merklichen Einfluß auf das Grundstück der MP geübt habe.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid von der MP erhobenen Berufung behob die belangte Behörde mit dem nunmehr

angefochtenen Bescheid vom 4. Jänner 1990 gemäß 5 66 Abs. 2 AVG 1950 den erstinstanzlichen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es wäre Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen, auf Aussagen der MP und der Eigentümerin eines entfernter gelegenen Grundstückes einzugehen, denenzufolge ein Ansteigen des Feuchtigkeitsgehaltes im Boden bzw. im Mauerwerk festzustellen gewesen sei. Hiebei wäre es Pflicht der Behörde erster Instanz gewesen, Niederschlagswerte zu erheben und allenfalls ein geologisches Gutachten einzuholen. Dies umsomehr, als der wasserbautechnische Amtssachverständige eine indirekte Gefährdung in Form von Ausbreitung der Oberflächenvernässungserscheinungen für durchaus möglich gehalten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit "in mehrfacher Hinsicht" erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten auf Ableitung des Teichwassers und auf Unterbleiben eines unbegründet geführten Verwaltungsverfahrens verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wir die MP eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der auf § 8 AVG 1950 gestützte erstinstanzliche Bescheid spricht von einer Abweisung des Antrages der MP "mangels Parteistellung". Im Hinblick darauf, daß im Fall des Mangels der Parteistellung ein Antrag zurückzuweisen ist, läßt der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides noch nicht eindeutig darauf schließen, ob damit eine Sachentscheidung gefällt wurde. Aus der Bescheidbegründung ist aber ersichtlich, daß sich die Behörde erster Instanz mit dem Antrag der MP in der Sache selbst auseinandergesetzt hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, daß dieser Antrag unbegründet sei. So gesehen ergibt sich, daß die Behörde erster Instanz trotz der mißverständlichen Formulierung des Bescheidspruches eine Sachentscheidung nicht verweigert hat und mit einer Abweisung des Antrages vorgegangen ist.

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen. Die Voraussetzungen für ein auf § 66 Abs. 2 AVG 1950 gestütztes Vorgehen der Berufungsbehörde liegen somit dann vor, wenn der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig am selben Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen

(vgl. Verfassungsgerichtshoferkenntnis vom 29. November 1984, Z1. 84/06/0119).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde wohl alle ihrer Ansicht nach für die Entscheidung der Angelegenheit noch klärungsbedürftigen Umstände dargestellt und daraus den Schluß gezogen, daß der durch die Behörde erster Instanz erhobene Sachverhalt mangelhaft sei. Die lediglich auf diese Argumente gestützte Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung läßt aber jegliche Begründung dafür vermissen, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht durch die Berufungsbehörde, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde erster Instanz vorgenommen werden kann (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Z1. 87/07/0154).

Die belangte Behörde hat sohin durch diese unzureichende Begründung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid mußte g daher gemäß § 42 Abs.2 Z. 3 lit. c VwGG aufgehoben werden.

Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein gesondeter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

W i e n , am 11. Dezember 1990

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Gegenüberstellung Fragerecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990070017.X00

Im RIS seit

03.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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