TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/14 90/18/0208

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.1990
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
49/08 Amtshilfe Zustellung von Schriftstücken;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VStG §40;
VwRallg;
ZustVw Eur Geltungsbereich Ausland 1988 impl;
ZustVwÜbk Eur impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Dr. Johannes N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Juli 1990, Zl. MA 70-10/2061/89/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien

- Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt - vom 27. April 1989 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als "Person ..., die die Auskunft erteilen kann" im Sinne des § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) aufgefordert, binnen zwei Wochen bekannt zu geben, wer ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in Wien 1, Johannesgasse 16 abgestellt habe, so daß es dort am 20. Februar 1989 um 17.08 Uhr gestanden sei. Der Beschwerdeführer antwortete fristgerecht, daß das Kraftfahrzeug zum angefragten Zeitpunkt von Jan U, geboren am 7. September 1942, wohnhaft in Rom, Via D Nr. 244, gelenkt worden sei. Hierauf erging ein Ladungsbescheid vom 7. Juni 1989, worin dem Beschwerdeführer die Unterlassung der Erteilung einer richtigen Auskunft zum Vorwurf gemacht wurde. Er möge zu bestimmter Zeit bei der Behörde erscheinen und Belege mitnehmen, die seine Angaben bestätigen könnten. Am 12. Juli 1989 erklärte ein ausgewiesener Vertreter des Beschwerdeführers vor der genannten Behörde, der Beschwerdeführer werde binnen drei Wochen schriftlich zur Anzeige und zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen Stellung nehmen. Eine Stellungnahme wurde nicht erstattet. Hierauf erging das Straferkenntnis der oben genannten Behörde vom 23. Oktober 1989, worin dem Beschwerdeführer die Unterlassung der Erteilung einer richtigen Auskunft zum Vorwurf gemacht wurde. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen; es wurde eine Geld- und eine Ersatzarreststrafe verhängt. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, in der Ladung vom 7. Juni 1989 sei dem Beschwerdeführer aufgetragen worden, die Umstände, daß damals tatsächlich der von ihm angegebene Lenker das Fahrzeug benützt habe, glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer sei diesem Auftrag nicht nachgekommen.

Der Beschwerdeführer ergriff gegen dieses Straferkenntnis Berufung. Die Berufungsbehörde richtete an den oben genannten Jan U unter seiner Anschrift in Rom ein Schreiben vom 18. Dezember 1989 in italienischer Sprache, in dem diesem Ort und Zeit der angeblichen Abstellung des Kraftfahrzeuges vorgehalten wurden. Er möge dazu schriftlich binnen 15 Tagen Stellung nehmen. Wenn er wieder in Österreich sei, möge er sich mit der Berufungsbehörde ins Einvernehmen setzen. Nach einem Aktenvermerk der Berufungsbehörde vom 25. Mai 1990 sei dieses Schreiben dreimal an den genannten U abgesendet worden, doch sei niemals ein internationaler Rückschein zurückgekommen.

Mit Bescheid vom 25. Juli 1990 bestätigte der Landeshauptmann von Wien das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten habe:

"Der Beschuldigte Dr. Johannes N hat es als auskunftspflichtige Person - er ist als solche von der Zulassungsbesitzerin, das ist die A-Gesellschaft m.b.H., benannt worden - unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 27.4.1989, zugestellt am 2.5.1989, binnen zwei Wochen nach Zustellung bekannt zu geben, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W 000.000 in Wien 1, Johannesgasse 16, abgestellt hat, so daß es dort am 20. Februar 1989 um 17.08 Uhr gestanden ist."

In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Bezeichnung einer Person im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG, die sich ständig oder vorübergehend im Ausland aufhalte, verpflichte den befragten Zulassungsbesitzer oder die Person, die die Auskunftspflicht treffe, zu einer verstärkten Mitwirkung im Verwaltungsverfahren. Die Behörde könne den Zulassungsbesitzer oder die auskunftspflichtige Person dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser angegebenen Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer zur Angabe näherer Umstände aufgefordert worden, die - über Namen und Anschrift hinaus - zur Glaubhaftmachung der Lenkereigenschaft der bezeichneten Person hätte beitragen können. Der Beschwerdeführer sei nicht bereit gewesen, die Existenz der von ihm namhaft gemachten Person durch Vorlage von Belegen oder Bescheinigungsmitteln oder durch sonstige zweckdienliche Hinweise glaubhaft zu machen. Wenn der Beschwerdeführer darauf hingewiesen habe, daß sich der Lenker häufig auch im Inland befände, dann hätte er doch den inländischen Aufenthaltsort und Personen nennen können, die in der Lage gewesen wären, dies zu bestätigen. Da der Beschwerdeführer sich geweigert habe, sachdienliche Angaben zu machen, müsse daraus geschlossen werden, daß er damit seine Angaben nicht nachprüfbar machen wollte. Die vom Beschwerdeführer erteilte Auskunft sei somit unrichtig; damit sei der Tatbestand des § 103 Abs. 2 KFG hergestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Verfahren erweist sich als mit folgenden Mängeln

behaftet:

Die Ausführung auf Seite 3, Absatz 2 des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdeführer sei zur Angabe der näheren Umstände aufgefordert worden, die - über Namen und Anschrift hinaus - zur Glaubhaftmachung der Lenkereigenschaft der bezeichneten Person hätte beitragen können, findet im Akteninhalt keine Stütze. Nur im Ladungsbescheid vom 7. Juni 1989 war der Beschwerdeführer ganz allgemein zur Mitnahme von Belegen, die seine Angaben bestätigen könnten, aufgefordert worden, ohne daß im sonstigen Text dieser Ladung irgendwie auf den angeblichen Lenker U und seine ausländische Anschrift Bedacht genommen worden wäre. Weitere Aufforderungen in dieser Richtung sind aus dem Akt nicht ersichtlich.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides fehlt auch jeder Hinweis auf die - versuchte - Korrespondenz der belangten Behörde mit Jan U unter dessen italienischer Anschrift, geschweige denn wurden im angefochtenen Bescheid Schlüsse aus dem Umstand gezogen, daß trotz dreimaliger Absendung ein internationaler Rückschein nicht zurückgekommen sei. Der Verwaltungsgerichtshof bemerkt allerdings zu diesem - von der Berufungsbehörde im angefochtenen Bescheid nicht erwähnten - Sachverhalt, daß der im Aktenvermerk vom 25. Mai 1990 bezeugte Umstand allein keinen Hinweis dafür bedeutet, daß Jan U an der angegebenen Anschrift nicht anzutreffen war - der richtige Weg wäre wohl darin gelegen, bei der italienischen Postverwaltung die Rücksendung des internationalen Rückscheines zu betreiben.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, daß die in seiner Rechtsprechung vertretene Ansicht über eine verstärkte Mitwirkungspflicht des Zulassungsbesitzers oder der sonst nach § 103 Abs. 2 KFG auskunftspflichtigen Person in Fällen, in denen der Lenker sich im Ausland aufhält, nicht bedeutet, daß nicht zuerst der Versuch unternommen werden solle, den nach Name und Anschrift bekannt gegebenen Lenker im Ausland zu erreichen und zur Äußerung zum Sachverhalt aufzufordern. Die belangte Behörde hat dies im vorliegenden Fall zwar versucht, hat diesen Versuch allerdings nicht - siehe oben - konsequent durchgeführt, geschweige denn hat sie diesen Versuch und sein allfälliges Ergebnis in ihrer Bescheidbegründung verwertet.

Durch die beiden oben aufgezeigten Umstände wurden Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Beweismittel Urkundenfreie BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitBeweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180208.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten