TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/20 90/10/0116

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Veröffentlicht am 20.12.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
LMKV §3 Z3;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. Mai 1990, Zl. IVb-449/7/1989, betreffend Übertretung nach dem Lebensmittelgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe im Oktober und November 1988 durch Lieferung einer großen Menge Packungen von "Toast-Brot-Mehrkorn" und "Toast-Brot" mit einem angegebenen Füllgewicht von ca. 250 g, wobei aber die einzelnen Packungen tatsächlich nur ein Gesamtgewicht von durchschnittlich 238 g bis 239,6 g aufgewiesen hätten, falsch bezeichnete Lebensmittel in Verkehr gebracht und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 lit. c und § 8 lit. f LMG 1975 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb nach der erstgenannten Bestimmung eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides seien bei der Überprüfung von 10 "Toast-Broten-Mehrkorn" mit der Chargennummer 11 K folgende Gewichte ermittelt worden: 244 g, 232 g, 234 g, 244 g, 242 g, 238 g, 232 g, 238 g, 238 g und 238 g; daraus errechne sich ein Durchschnittsgewicht von 238 g. Wiegungen von 10 "Toast-Broten" (andere Sorte) mit den Chargennummern 07 K und 09 K hätten folgende Gewichte ergeben:

232 g, 242 g, 246 g, 232 g, 244 g, 242 g, 248 g, 230 g, 248 g und 232 g; daraus errechne sich ein Durchschnittsgewicht von 239,6 g. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung im wesentlichen geltend gemacht, alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Gewährleistung einer einwandfreien Beschaffenheit der Ware, und zwar auch in gewichtsmäßiger Hinsicht, getroffen zu haben. Er habe weiters ausgeführt, laut den vorliegenden Gewichtsprotokollen werde das auf der Verpackung angegebene Durchschnittsgewicht von 250 g im Jahresdurchschnitt nicht unter-, sondern eher überschritten. Von 1988 erzeugten 2,223.200 Stück (Paketen) der beanstandeten Toastbrotsorten seien erstmals 20 Stück, die an drei verschiedenen Produktionstagen hergestellt worden seien, gewichtsmäßig beanstandet worden, das sei weniger als 0,1 % des Austoßes von drei Produktionstagen. Die Mitarbeiter seien selbstverständlich angewiesen, im Falle von Produktionsstörungen die entsprechenden Gegenmaßnahmen zu setzen. Die festgestellten Abweichungen seien nur so erklärlich, daß das Personal aus nicht bekannten Gründen auf kurzfristig aufgetretene Produktionsstörungen nicht oder nicht zweckmäßig reagiert habe. Es gehe aber nicht an, daraus auf ein Organisationsverschulden zu schließen.

In einer von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme der Vorarlberger Umweltschutzanstalt habe diese ausgeführt, die Gewichtsbestimmung sei nach den hiefür aufgestellten Richtlinien des Österreichischen Lebensmittelbuches vorgenommen worden, das durch Wiegung von jeweils 10 Packungseinheiten ermittelte Durchschnittsgewicht könne daher als Füllgewicht im Sinne der LMKV angesehen werden. Lagerversuche von verpacktem Toastbrot bei intakter Verpackung hätten zu vernachlässigende Gewichtsabnahmen infolge Wasserverlustes ergeben. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß die bei der amtlichen Überprüfung festgestellten Gewichte bereits bei der Verpackung vorgelegen seien. Infolge des Wassergewichtes von Toastbroten führe ein etwas längerer Verbleib der Brote im Backofen sicherlich zu leichtem Wasserverlust. Eine Diskussion über die Gewichtsminderung bei derartigen Produktionsstörungen erübrige sich jedoch im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht nach der LMKV 1973, da solche Störungen bei der Deklaration zu berücksichtigen seien. Sollte technologisch bedingt ein Gewicht von 250 g nicht eingehalten werden können, bestehe die Möglichkeit einer korrekten Angabe des Durchschnittsgewichts (z.B. 240 g). Für den Konsumenten sei die Angabe des Gesamtgewichts ein wesentliches Kennzeichnungselement. Eine Unterschreitung des deklarierten Füllgewichtes stelle jedenfalls eine Irreführung der Konsumenten dar.

Im Anschluß daran hielt die belangte Behörde fest, die Ausführungen des für die richtige Kennzeichnung verantwortlichen Beschwerdeführers ließen keinen Entschuldigungsgrund erkennen. Die Aufnahme der angebotenen Beweise habe entfallen können. Der Hinweis, die

20 "untergewichtigen" Toastbrote würden weniger als 0,1 % der Produktionsleistung von drei Produktionstagen ausmachen, sei zwar richtig, sage aber nichts über die Höhe der Beanstandungsquote aus, zumal nicht die gesamte Produktionsleistung, sondern nur die in Rede stehenden 20 Toastbrote gewogen worden seien. Zum Hinweis des Beschwerdeführers, daß es sich bei den angegebenen 250 g um ein Durchschnittsgewicht handle, sei festzuhalten, daß sämtliche Toastbrote unter diesem Gewicht gelegen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer meint, da es sich bei der Gewichtsangabe von 250 g um ein DURCHSCHNITTSgewicht handle, sei eine durchschnittliche Abweichung von 4,8 % (12 g) beim "Mehrkorn-Toast" und von 4,16 % (10,4 g) beim "Toast-Brot" nicht als Falschbezeichnung anzusehen.

Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Gemäß § 8 lit. f LMG 1975 sind Lebensmittel unter anderem dann falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über ihr Gewicht in Verkehr gebracht werden. Die gegenständlichen Toastbrote waren als verpackte Lebensmittel unter anderem mit dem Kennzeichnungselement nach § 3 Z. 3 LMKV 1973 ("Füllgewicht, das ist das durchschnittliche Gewicht des zur Verpackung gelangenden Lebensmittels") zu versehen. Es liegt auf der Hand, daß die Angabe eines überhöhten Füllgewichtes geeignet ist, bei den Verbrauchern eine unrichtige Vorstellung über das tatsächliche Füllgewicht eines Lebensmittels hervorzurufen. Die Ansicht der belangten Behörde, dies treffe auf die im vorliegenden Fall gewählte Gewichtsangabe ("ca. 250 g") zu, ist berechtigt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung erwarten die Konsumenten bei einer solchen Angabe zwar nicht, daß die jeweilige Einheit des Lebensmittels exakt 250 g wiegt, wohl aber, daß im Durchschnitt gesehen dieses Gewicht erreicht wird, wobei die Werte im einzelnen innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite auch darunter liegen können. Es entspricht aber jedenfalls nicht dieser berechtigten Erwartung der Verbraucher, wenn wie hier bei einer Probemenge von 20 Wareneinheiten diese ausnahmslos ein geringeres als das angegebene Füllgewicht aufweisen. Die belangte Behörde hat daher die gegenständlichen Toastbrote zu Recht als falsch bezeichnet beurteilt.

Mit dem weiteren Vorbringen macht der Beschwerdeführer Verfahrensmängel in bezug auf die Schuldfrage geltend. Er habe ein ausführliches Tatsachenvorbringen mit entsprechenden Beweisanboten erstattet, aus dem sich das Fehlen eines Organisationsverschuldens ergebe. Die Behörde habe es aber verabsäumt, Feststellungen über die Ursache der in Rede stehenden Gewichtsabweichungen zu treffen, und sie habe auch die angebotenen Beweise nicht aufgenommen. Andernfalls hätte sich ergeben, daß dem Beschwerdeführer "keine Sorgfaltsverletzung in der Betriebsorganisation" angelastet werden könne.

Der Beschwerdeführer ist unbestritten verantwortlich für die Richtigkeit der Kennzeichnung der gegenständlichen verpacketen Lebensmittel. Da er durch die unrichtige Gewichtsangabe dem Verbot der Falschbezeichnung von Lebensmitteln (§ 7 Abs. 1 lit. c LMG 1975) zuwidergehandelt hat und zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung (§ 74 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.) der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, oblag es gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 dem Beschwerdeführer glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Rechtfertigung gegenüber der Erstbehörde und in seiner Berufung vorgebracht, die Produktion in seinem ca. 370 Mitarbeiter umfassenden Betrieb erfolge vollautomatisch, und zwar nicht nur die Teigherstellung, sondern auch die Gewichtseinstellung. Jede Abweichung vom einmal eingestellten Gewicht werde auf einer Waage angezeigt, sodaß der betreffende Mitarbeiter darauf reagieren könne und auch müsse. Bei der Produktion seien Fachkräfte unter Aufsicht von Bäckermeistern eingesetzt. Die fertiggebackenen Toastbrote würden automatisch verpackt. Bei der Warenendkontrolle nähmen der Schichtführer und der Leiter der Verpackung mehrmals täglich Kontrollwiegungen vor. Die vorliegenden Gewichtsabweichungen seien nur durch eine kurzfristige betriebliche Störung zu erklären. Das Personal sei aber angewiesen, bei solchen Zwischenfällen die erforderlichen Kontrollen vorzunehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. 12375 A) die Auffassung, daß einen Verpflichteten der nicht selbst in der Lage ist, für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu sorgen, dann kein Verschulden trifft, wenn er beweist, daß er es bei der Auswahl der von ihm Beauftragten und deren Überwachung nicht an der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen. Das geschilderte Vorbringen vermag den Beschwerdeführer schon deshalb nicht zu entlasten, weil damit nicht einmal die Behauptung aufgestellt worden ist, daß er seiner Pflicht zur Überwachung der von ihm betrauten Personen nachgekommen wäre (vgl. auch dazu das soeben genannte Erkenntnis). Damit erübrigt sich eine Prüfung der Berechtigung des Vorwurfes, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zum Fehlen eines Organisationsverschuldens nicht auseinandergesetzt und die dazu angebotenen Beweise nicht aufgenommen. Denn selbst wenn dieser Vorwurf berechtigt wäre, könnte dies nichts daran ändern, daß der Beschwerdeführer aus dem soeben genannten Grund den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als nicht begründet. Sie ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Verantwortung für Handeln anderer Personen Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990100116.X00

Im RIS seit

20.12.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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