TE Vfgh Erkenntnis 1988/6/11 B1014/87

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Veröffentlicht am 11.06.1988
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Index

32 Steuerrecht
32/07 Stempel- und Rechtsgebühren, Stempelmarken

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
StruktVG §1
StruktVG §2 Abs2
GebG 1957 §15 Abs3
GebG 1957 §33 TP21 Abs1

Leitsatz

GebührenG §33 TP21 Abs1 idF BGBl. 668/1976;StrukturverbesserungsG §2 Satz 2; keine Verletzung desrechtspolitischen Gestaltungsspielraums durch Unterwerfung derAbtretung von Anteilen an einer GesmbH der Gebührenpflicht (nichtaber jener von Aktien); keine Verletzung des Eigentumsrechtes;keine Verletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellenNorm

Spruch

Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die bf. Gesellschaft durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit notariellem Abtretungsvertrag vom 12. August 1986

trat die ...-AG mit Ablauf des 31. Dezember 1985 ihren Geschäftsanteil an der "M..."-Erdöl-GmbH an die bf. ...-Handels-Aktiengesellschaft um den Abtretungspreis von S 350,000.000,-- ab. Die Vertragsparteien stellten auch fest, daß diese Abtretung der Vorbereitung der Verschmelzung der "M..."Erdöl-GmbH als übertragender Gesellschaft und der bf. Gesellschaft als übernehmender Gesellschaft im Sinn des Aktiengesetzes unter Inanspruchnahme der Bestimmungen des Strukturverbesserungsgesetzes dient.

Mit gleichem Tag wurde der notarielle Verschmelzungsvertrag abgeschlossen.

Mit Berufungsentscheidung vom 27. Juli 1987 wurde eine Gebührenvorschreibung im Ausmaß von S 7,000.000,-- mit der Begründung bestätigt, das gegenständliche Rechtsgeschäft sei nur von der Grunderwerbsteuer und von den Kapitalverkehrsteuern befreit; eine korrespondierende Gebührenbefreiungsvorschrift fehle.

2. Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte, Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

In einer Äußerung zur Gegenschrift der bel. Beh. hat die bf. Gesellschaft ihr Beschwerdevorbringen vollinhaltlich aufrecht erhalten.

II. Der VfGH hat erwogen:

1.a) Gemäß §33 TP21 Abs1 GebG in der Fassung der Nov. BGBl. 1976/668 unterliegen einer Gebühr

"Zessionen oder Abtretungen überhaupt von Schuldforderungen oder anderen Rechten nach dem Werte des Entgeltes

         1. im allgemeinen             0,8 v.H.;

         2. von Anteilen an einer

            Gesellschaft mit

            beschränkter Haftung       2 v.H."

b) §2 Satz 2 StruktVG (BGBl. 1969/69) lautet in der bis einschließlich 30. Juni 1987 geltenden Fassung:

"Von der Grunderwerbsteuer und den Kapitalverkehrsteuern ist auch der Erwerb sämtlicher Anteilsrechte an einer Kapitalgesellschaft durch eine andere inländische Kapitalgesellschaft befreit, wenn dem Erwerb der Anteilsrechte innerhalb von sechs Monaten die Verschmelzung dieser Gesellschaften folgt."

2.a) Die bf. Gesellschaft hegt Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der den Bescheid tragenden Bestimmung des §33 TP21 Abs1 GebG; diese Vorschrift sei aus mehreren Gründen verfassungswidrig:

Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, den Erwerb eines Geschäftsanteiles einer GmbH anders als andere Rechtsgeschäfte (wie den Kauf) der Gebührenpflicht zu unterwerfen; dies gelte insbesondere unter dem Aspekt, daß der Aktienkauf gebührenfrei sei (und wie der Ankauf eines Geschäftsanteiles einer GmbH der Börsenumsatzsteuer unterliege). Es ließen sich keine Gründe dafür finden, daß der beurkundete rechtsgeschäftliche entgeltliche Erwerb von Aktien (§15 Abs1 GebG) gebührenfrei sei, der beurkundete rechtsgeschäftliche entgeltliche Erwerb von Geschäftsanteilen einer GmbH jedoch der 2%igen Rechtsgeschäftsgebühr unterliege.

Es sei darüber hinaus sachlich nicht gerechtfertigt, daß die vom Gesetzgeber (§33 TP21 Abs1 Z2 GebG) als Unterform der Zession behandelte "Abtretung von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung" einer Rechtsgeschäftsgebühr im Ausmaß von 2 % unterliege, während der Normalsteuersatz für die bei der Zession anfallende Rechtsgeschäftsgebühr 0,8 % betrage; dies umsomehr als die Formvorschrift des §76 Abs2 GmbHG für die Abtretung von Geschäftsanteilen einer GmbH (Notariatsaktspflicht) die Beurkundung (durch inländischen Notariatsakt) Voraussetzung und es zum Unterschied von der Zession nicht möglich sei, eine Gebührenpflicht durch Unterlassung der Beurkundung (§15 Abs1 GebG) zu vermeiden.

Auch fünden sich in den im §33 TP21 GebG enthaltenen Befreiungsbestimmungen für Zessionen (Abs2) verfassungswidrige Regelungen, welche im Sinn von VfSlg. 8806/1980 den Grundtatbestand (Abs1) selbst mit Verfassungswidrigkeit belasten.

b) Der VfGH teilt aus folgenden Erwägungen diese Bedenken nicht:

Der VfGH hat wiederholt ausgesprochen (vgl. zB Slg. 8457/1978 mwH), daß der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber einen rechtspolitischen Spielraum einräumt. Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber nicht verletzt, wenn er zwar die Abtretung von Anteilen an einer GesmbH, nicht jedoch jene von Aktien der Gebührenpflicht unterwirft. Die besondere rechtliche Konstruktion von Mitgliedsrechten an einer GesmbH (vgl. Frotz-Hügel-Popp, GebG, B III zu §33 TP21) einerseits und Aktien (als Wertpapieren) andererseits, die Tatsache, daß sich die GesmbH ungeachtet ihrer Qualifikation als Kapitalgesellschaft in manchen Bestimmungen den Personengesellschaften nähert (vgl. Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts4, 263) sowie der Umstand, daß Aktien für den Verkehr bestimmt sind, was das rechtspolitische Ziel einer Erleichterung des Aktienhandels am Kapitalmarkt rechtfertigt, sind geeignet, eine unterschiedliche gebührenrechtliche Behandlung der Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu rechtfertigen.

Ebenso liegt es ganz offenkundig im Rahmen der dem Gesetzgeber von der Bundesverfassung zugebilligten rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, die Abtretung eines GmbH-Anteiles entsprechend dem Erwerb eines Geschäftsanteiles einer Personengesellschaft (§33 TP16 Abs1 Z1 litc) einer Rechtsgeschäftsgebühr in der - unbedenklichen (vgl. VfSlg. 10253/1984) - Höhe von 2 v.H. der Bemessungsgrundlage zu unterwerfen. Daß handelsrechtliche Formvorschriften (§76 Abs2 GmbHG) eine Umgehung der Gebührenpflicht hintanhalten (siehe jedoch Nowotny, RdW 1986, 360 mwH), macht den Gebührentatbestand selbst nicht unsachlich.

Die Argumentation der Beschwerde schließlich, die Ausnahmebestimmungen des §33 TP21 Abs2 Z1 und 2 (Zessionen an Gebietskörperschaften zur Sicherung rückständiger öffentlicher Abgaben und bestimmte andere Zessionen) seien zu eng gefaßt und daher verfassungswidrig, was den der Gebührenvorschreibung zugrundeliegenden und daher angewendeten Grundtatbestand mit Verfassungswidrigkeit belaste, scheitert schon daran, daß sich die in der Beschwerde geschilderten Ausnahmen auf den Grundtatbestand der Gebührenpflicht für die Übertragung von Anteilen an GesmbHs gar nicht auswirken können.

Der VfGH sieht sich daher nicht veranlaßt, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §33 TP21 Abs1 GebG einzuleiten. Er hegt unter dem Blickwinkel des Beschwerdefalles auch gegen die übrigen, den Bescheid tragenden Gesetzesbestimmungen keine Bedenken.

3.a) Gegen den Vollzug der gesetzlichen Bestimmungen über die Gebührenpflicht bringt die bf. Gesellschaft insbesondere folgendes vor:

§2 Satz 2 StruktVG befreie von der Grunderwerbsteuer und von den Kapitalverkehrsteuern. Es falle auf, daß eine korrespondierende Gebührenbefreiungsbestimmung fehlt. Hiebei handle es sich aber offenkundig um eine planwidrige Lücke, da aus den Materialien eine gegenteilige Absicht des Gesetzgebers nicht ersichtlich sei. Diese Lücke sei im Weg der Analogie zu schließen. In analoger und verfassungskonformer Anwendung des §2 Satz 2 StruktVG sei der vorbereitende Anteilserwerb - die Halbjahresfrist sei gewahrt, zumal seit Abtretung noch kein halbes Jahr verstrichen und die Fusion bereits vollzogen sei von den Rechtsgeschäftsgebühren befreit.

Letztlich sei es denkunmöglich, bei Vorliegen einer, wenngleich grunderwerbsteuerbefreiten, Anteilsvereinigung in einer Hand ungeachtet §15 Abs3 GebG Gebürenpflicht für das die Anteilsvereinigung begründende Rechtsgeschäft anzunehmen.

b) Es kann im vorliegenden Fall unerörtert bleiben, aus welchen Gründen der Gesetzgeber im Jahr 1969 eine allgemeine Gebührenbefreiungsbestimmung in §2 Satz 2 StruktVG unterlassen und auch in der Folge (BGBl. 1970/417) lediglich Vorgänge gemäß §1 StruktVG betreffend Genossenschaften von der Gebührenpflicht (§33 TP15 GebG) ausgenommen hat. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes sind nämlich nicht die Motive des Gesetzgebers ausschlaggebend, vielmehr kommt es auf das objektive Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens an (vgl. VfSlg. 8350/1978).

Gesellschaften mit beschränkter Haftung hinsichtlich des Ausmaßes der Befreiungen für Vorgänge gemäß §1 StruktVG anders zu behandeln als Aktiengesellschaften und Genossenschaften, ist allein objektiv betrachtet - schon aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Zusammenhänge und wirtschaftlichen Hintergründe (siehe oben Pkt. II.2.b) gerechtfertigt (vgl. auch VfSlg. 9516/1982).

Auch ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, Vorgänge gemäß §1 StruktVG vollständig von jeglichen Abgabeleistungen zu befreien. Es liegt vielmehr im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, bei der Grenzziehung hinsichtlich des Abbaues von Belastungen aufgrund von Unterschieden im Tatsächlichen zu differenzieren. Der VfGH sieht daher keine Notwendigkeit zu der von der bf. Gesellschaft angeregten "verfassungskonformen Lückenfüllung" bei Anwendung des §2 Abs2 StruktVG.

Auch ist es nach Ansicht des VfGH keineswegs denkunmöglich anzunehmen, daß trotz der Befreiungsvorschrift des §15 Abs3 GebG bei einer Anteilsvereinigung Rechtsgeschäftsgebühr anfällt, soweit neben Grundstücken auch andere Vermögenswerte eingebracht werden (vgl. Frotz-Hügel-Popp, B VI 2 c zu §§15-18 GebG mwH).

4.) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Auch hat das Verfahren weder ergeben, daß die bf. Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch daß sie - wie aus dem Vorgesagten folgt - wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

b) Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Gebühr (GebG), VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B1014.1987

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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