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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) des ES und 2) der KS gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Juli 1990, Zl. BauR-150364/11-1990 Ko/Schi, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. April 1968 hatte der Bürgermeister der Gemeinde Y, der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Gemeinde, für die hier in Betracht kommende Liegenschaft, dem Erstbeschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Garagengebäudes auf dem Grundstück 274/2, KG Z, erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 25. Jänner 1969 ausgefolgt.
In einem Schreiben vom 25. Juli 1972 teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Erstbeschwerdeführer mit, daß eine Baubewilligung nach § 8 der damals in Geltung gestandenen Bauordnung für Oberösterreich unwirksam werde, wenn binnen drei Jahren vom Tag der Zustellung an mit dem Bau nicht begonnen werde. Sollte der Beschwerdeführer mit den Bauausführungen "jetzt" begonnen haben, so werde die Weiterführung sofort untersagt und mitgeteilt, daß ein neues Ansuchen beim Gemeindeamt einzureichen sei.
Mit Schreiben vom 30. Juli 1972 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, daß "sein Baubescheid" auf den 11. April 1969 laute und er mit dem Bau bzw. mit den Fundamentierungsarbeiten bereits im Oktober 1971 begonnen habe. Da er innerhalb der Dreijahresfrist begonnen habe, könne ein bewilligter Bau nicht mehr eingestellt werden.
Nach Befragung einer Nachbarin über einen allfälligen Baubeginn und einer Besichtigung des Grundstückes erteilte der Bürgermeister mit Bescheid vom 29. August 1972 dem Erstbeschwerdeführer den Auftrag, die Bauarbeiten sofort einzustellen. Weiters wurde er eingeladen, innerhalb von vier Wochen ein neues Bauansuchen einzubringen. Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 25. März 1974 als unbegründet ab.
Der dagegen vom Erstbeschwerdeführer gegen diesen Rechtsmittelbescheid erhobenen Vorstellung gab die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mit Bescheid vom 18. August 1989 Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Behauptung des Erstbeschwerdeführers, bereits im Oktober 1971 mit dem Bau begonnen zu haben, durch das Verfahren auf Gemeindeebene nicht widerlegt worden sei. Unabhängig davon werde festgestellt, daß auf Grund des § 51 Abs. 2 der OÖ Bauordnung 1976 (BO) die Gültigkeit der Baubewilligung spätestens am 31. Dezember 1981 abgelaufen sei.
In der Zwischenzeit erteilte der Bürgermeister mit Bescheid vom 4. Juli 1989 den Beschwerdeführern den Auftrag, binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides für das näher beschriebene, konsenslos errichtete Objekt nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen oder binnen einer weiteren Frist von acht Wochen die beschriebene bauliche Anlage zu beseitigen.
Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 31. Oktober 1989 als unbegründet ab, ergänzte jedoch die erstinstanzliche Erledigung dahin, daß das Objekt hinsichtlich Abstände und Größe (noch) näher bestimmt wurde.
Auf Grund ihrer gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung setzte zunächst die OÖ Landesregierung mit Bescheid vom 8. Februar 1990 das Vorstellungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Erlöschen der mit Bescheid vom 11. April 1968 erteilten Baubewilligung aus. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom 17. Mai 1990 gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 ersatzlos aufgehoben.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 20. Juli 1990 gab die OÖ Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge. Die Gemeindeaufsichtsbehörde verwies zunächst auf § 69 Abs. 2 BO, wonach rechtskräftige Bescheide durch das Inkrafttreten dieser Bauordnung nicht berührt werden. Die fünfjährige Frist für die Bauausführung habe gemäß § 51 Abs. 2 BO für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits wirksamen Baubewilligungen frühestens mit 1. Jänner 1977 begonnen, die Gültigkeit der Baubewilligung sei daher spätestens am 31. Dezember 1981 abgelaufen. Diese Frist für die Bauvollendung werde durch einen baupolizeilichen Auftrag zur sofortigen Einstellung der Bautätigkeit weder gehemmt noch unterbrochen, weil das Gesetz derartiges nicht vorsehe. Ein Ansuchen um Verlängerung der Fertigstellungsfrist für das Bauvorhaben im Sinne des § 51 Abs. 4 leg. cit. sei aber nicht gestellt worden, sodaß die Baubewilligung spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1981 ex lege erloschen sei. Damit stehe fest, daß für den derzeitigen Bestand keine Baubewilligung (mehr) existiere. Ob die bisher errichteten Bauteile der 1969 erteilten Baubewilligung entsprechen, könne dahingestellt bleiben, da diese Baubewilligung bereits abgelaufen sei und somit die bestehenden Bauteile konsenslos errichtet worden seien. Die Möglichkeit, nachträglich um Baubewilligung anzusuchen, sei den Beschwerdeführern eingeräumt worden.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 69 Abs. 2 erster Satz der OÖ Bauordnung 1976 (BO), LGBl. Nr. 35, werden rechtskräftige Bescheide durch das Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht berührt. Satz 2 dieser Gesetzesstelle bestimmt, daß die fünfjährige Frist gemäß § 51 Abs. 2 für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits wirksamen Baubewilligungen frühestens mit diesem Zeitpunkt beginnt.
Nach § 51 Abs. 2 BO erlischt die Baubewilligung, wenn das Bauvorhaben nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Bauausführung fertiggestellt wurde. Die Frist für die Fertigstellung des Bauvorhabens ist auf Antrag des Bauwerbers nach § 51 Abs. 4 des Gesetzes angemessen zu verlängern, wenn er glaubhaft macht, daß er an der rechtzeitigen Fertigstellung gehindert war und die Fertigstellung innerhalb der Nachfrist möglich ist.
Stellt die Baubehörde gemäß § 61 Abs. 1 BO fest, daß eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, so hat sie dem Eigentümer mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist um die Baubewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.
Stellt die Baubehörde bei Überprüfung einer baubehördlich bewilligten Anlage bewilligungspflichtige Abweichungen oder das Erlöschen der Baubewilligung fest, oder wurde die rechtswirksame Baubewilligung nachträglich aufgehoben bzw. für nichtig erklärt, so gelten nach § 61 Abs. 4 BO die Bestimmungen der Abs. 1 bis 3 sinngemäß (hier in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983).
Auf Grund der zuletzt genannten Gesetzesstelle sind, ohne diese ausdrücklich anzuführen, die Verwaltungsbehörden zu Recht davon ausgegangen, daß im Hinblick auf das zwischenzeitige Erlöschen der Baubewilligung vom 11. April 1968 entsprechend § 61 Abs. 1 BO mit der Erlassung baupolizeilicher Aufträge vorzugehen war. Auch dann, wenn innerhalb der Baubeginnsfrist mit der Errichtung des Baues begonnen wurde, ist nämlich die Baubewilligung, wie die Verwaltungsbehörden zutreffend ausgeführt haben, in der Zwischenzeit gemäß § 51 Abs. 2 BO erloschen, weil es verabsäumt worden war, rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Frist für die Fertigstellung des Vorhabens im Sinne des § 51 Abs. 4 BO zu stellen. Die Auffassung der Beschwerdeführer, daß einem solchen Antrag für Baubewilligungen, die vor Inkrafttreten der OÖ Bauordnung 1976 erlassen worden sind, kein Erfolg hätte beschieden sein können, steht mit der gegebenen Rechtslage nicht in Einklang, abgesehen davon, daß diese Frage für das tatsächliche Außerkrafttreten der Baubewilligung jedenfalls rechtlich unerheblich ist. Soweit die Beschwerdeführer sich auf § 69 Abs. 1 BO berufen, wonach im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige individuelle Verwaltungsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen sind, übersehen sie, daß diese Gesetzesstelle nicht dahin verstanden werden kann, daß die Baubehörde nicht berechtigt wäre, ein baupolizeiliches Auftragsverfahren hinsichtlich eines Baubestandes einzuleiten, welcher im Zeitpunkt des Inkrafttretens der geltenden Bauordnung bereits existierte, sodaß auch mit diesem Vorbringen für den Standpunkt der Beschwerdeführer nichts gewonnen ist. Aus der genannten Übergangsbestimmung kann nämlich nicht abgeleitet werden, daß die Bestimmungen des § 51 der geltenden Bauordnung nicht anzuwenden sind, was im übrigen § 69 Abs. 2 BO ausdrücklich klarstellt. Eine Hemmung oder Unterbrechung der Frist des § 51 Abs. 2 BO sieht aber das Gesetz nicht vor.
Wenn die Beschwerdeführer darauf hinweisen, sie seien an der Fertigstellung des begonnenen Baues dadurch gehindert worden, daß über ihre Vorstellung über mehr als 15 Jahre nicht entschieden worden sei, ist ihnen entgegenzuhalten, daß die österreichische Rechtsordnung entsprechende Rechtsschutzeinrichtungen kennt, um eine behördliche Entscheidung zu erzwingen. So sieht § 73 AVG 1950 einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde und Art. 132 B-VG das Rechtsinstitut der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vor, die freilich nach § 27 VwGG erst dann erhoben werden kann, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Es wäre daher den Beschwerdeführern nach der damaligen Rechtslage freigestanden, die Entscheidungspflicht der Bezirkshauptmannschaft zunächst bei der OÖ Landesregierung im Wege eines Devolutionsantrages geltend zu machen; hätte auch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nicht binnen sechs Monaten entschieden, so wäre es Sache der Beschwerdeführer gewesen, Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Angesichts der dargelegten Erwägungen hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht festgestellt, daß die Beschwerdeführer durch die auf Gemeindeebene erteilten baupolizeilichen Aufträge nicht in ihren Rechten verletzt worden sind; ihre Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990050158.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009