TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/28 90/19/0208

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Veröffentlicht am 28.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
VStG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 17. Jänner 1990, Zl. III-4033/89, betreffend Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem eine diesbezügliche Strafverfügung vom 28. September 1988 durch rechtzeitige Erhebung eines Einspruches des Beschwerdeführers außer Kraft getreten war, erließ die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn unter dem Datum 3. März 1989 gegenüber dem Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, mit dem dieser einer Übertretung des § 7 VStG 1950 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG) schuldig erkannt wurde, als Erziehungsberechtigter seiner Tochter Nuray A. die Begehung einer Verwaltungsübertretung dadurch ermöglicht zu haben, daß er diese zumindest seit 22. Jänner 1988 (Tag der Anmeldung) in seinem Haushalt in L., Q.-Straße, aufgenommen habe, obwohl sie nicht im Besitz eines Sichtvermerkes gewesen sei und daher spätestens drei Monate nach ihrer Einreise das österreichische Bundesgebiet wieder verlassen hätte müssen. Der sichtvermerksfreie Aufenthalt habe somit zumindest vom 23. April 1988 bis 7. September 1988 gedauert. Gemäß § 14 Abs. 1 leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 700,-- (Ersatzarrest 42 Stunden) verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 17. Jänner 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn bestätigt, den Spruch jedoch insofern abgeändert, als das inkriminierte Verhalten vom 23. April 1988 bis 9. August 1988 gedauert hat.

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, es stehe fest, daß die Tochter des Beschwerdeführers im Jänner 1988 in das Bundesgebiet eingereist und am 22. Jänner 1988 beim Beschwerdeführer polizeilich angemeldet worden sei. Seit diesem Zeitpunkt lebe sie in seinem Haushalt. Der Beschwerdeführer habe mit einer mit 31. März 1988 datierten Eingabe seines Anwaltes um die Erteilung eines Sichtvermerkes für seine mj. Tochter angesucht. Dieser Antrag sei jedoch (laut Einlaufstampiglie der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn) erst am 9. August 1988 bei der Bezirkshauptmannschaft eingelangt. Die vorgelegte Vollmacht sei mit 8. August 1988 datiert. Die belangte Behörde vertrete daher die Ansicht, daß der Beschwerdeführer seiner Tochter in der Zeit vom 23. April 1988 bis zum 9. August 1988 in seiner Wohnung Aufenthalt gewährt habe, obwohl er gewußt habe, daß sie nicht im Besitz eines Sichtvermerkes sei. Er habe ihr dadurch die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert. Die Einwendung des Beschwerdeführers, er habe bereits am 31. März 1988 seinen Rechtsvertreter damit beauftragt, bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft einen Sichtvermerksantrag zu stellen, sei nicht glaubwürdig. Es dürfte sich dabei um eine Schutzbehauptung handeln. Es sei nämlich einerseits der Sichtvermerksantrag bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn erst am 9. August 1988 eingelangt, und andererseits weise auch die vom Beschwerdeführer unterfertigte Vollmacht das Datum 8. August 1988 auf. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer seinen Rechtsanwalt erst zu diesem Zeitpunkt mit der Einbringung eines Sichtvermerksantrages betraut habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 (FrPolG), sind Fremde nach Maßgabe des Gesetzes zum zeitlich unbeschränkten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, sofern die Dauer ihres Aufenthaltes nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder in den ihnen erteilten Sichtvermerken beschränkt wird.

Gemäß dem österreichisch-türkischen Sichtvermerksabkommen, BGBl. Nr. 194/1955, beträgt das zulässige Höchstausmaß des Aufenthaltes für jede Einreise eines Angehörigen eines der Vertragsstaaten in das Bundesgebiet des jeweils anderen Vertragsstaates grundsätzlich drei Monate. Sind türkische Staatsangehörige nach Österreich (oder Österreicher nach der Türkei) ohne Sichtvermerk eingereist und müssen sie dort ihren Aufenthalt aus berechtigten Gründen verlängern, so sind sie gehalten, von den örtlichen Behörden die erforderliche Bewilligung zu erlangen.

Nach § 14 Abs. 1 FrPolG begeht eine mit einer Geldstrafe bis zu S 3.000,-- oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu ahndende Verwaltungsübertretung, wer sich entgegen den Vorschriften des Gesetzes im Bundesgebiet aufhält oder dem Fremdenpolizeigesetz oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Verfügung auf andere Weise zuwiderhandelt.

§ 7 VStG 1950 bestimmt, daß derjenige, der vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder der vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, selbst dann der auf diese Übertretung gesetzten Strafe unterliegt, wenn der unmittelbare Täter nicht strafbar ist.

In der Beschwerde wird zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht, daß aus Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides nicht klar erkennbar sei, ob der Verbleib der Tochter des Beschwerdeführers in Österreich oder die unterlassene Antragstellung des Beschwerdeführers Anlaß für seine Bestrafung gewesen sei. Des weiteren habe sich die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid nicht mit der subjektiven Tatseite auseinandergesetzt. Schließlich sei die Annahme des § 7 VStG 1950 rechtswidrig, da der Beschwerdeführer als Erziehungsberechtigter seiner Tochter in eigener Verantwortung und nicht als Gehilfe seiner Tochter gehandelt habe.

Im Beschwerdefall steht auch vom Beschwerdeführer unwidersprochen fest, daß die am 19. November 1973 geborene Tochter des Beschwerdeführers im Jänner 1988 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist ist und sich, ohne daß ihr ein Sichtvermerk erteilt worden wäre, über den Ablauf der im österreichisch-türkischen Sichtvermerksabkommen angeführten Dreimonatsfrist hinaus jedenfalls bis zum 7. September 1988 in Österreich aufgehalten hat. Ebenso konnte die belangte Behörde auf Grund der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers unbedenklich davon ausgehen, daß dieser, obwohl ihm bekannt war, daß seine minderjährige Tochter nicht über einen für ihren weiteren über drei Monate dauernden Aufenthalt in Österreich erforderlichen Sichtvermerk verfügt, ihr während der Dauer desselben Unterkunft gewährt hat. Ein solches Verhalten bildet aber einen Verstoß gegen § 7 VStG 1950 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 FrPolG, weshalb der Verwaltungsgerichtshof in der von der Behörde vorgenommenen rechtlichen Wertung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat keine Rechtswidrigkeit zu erkennen vermag.

Es ist aber auch dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Bescheides, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, in aller Deutlichkeit zu entnehmen, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt hat, er habe seiner minderjährigen Tochter durch die Aufnahme in seine Wohnung die Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 1 Abs. 2 FrPolG ermöglicht.

Dagegen ist der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen die Frage der subjektiven Tatseite betreffend im Ergebnis im Recht.

Die belangte Behörde hat sich - dies wie ihre Ausführungen in der Gegenschrift erkennen lassen, offenbar deshalb, weil sie dieser Frage für den vorliegenden Fall keine wesentliche Bedeutung beigemessen hat - in ihrem Bescheid nicht mit der subjektiven Tatseite auseinandergesetzt. Damit hat sie im Hinblick auf § 7 VStG 1950 die Rechtslage verkannt. Denn nach § 7 VStG 1950 ist unter Beihilfe die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines anderen zu verstehen. Insofern hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

In diesem Zusammenhang gewinnt der vom Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe ungeachtet des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Berufungsschrift, er habe am 31. März 1988 seinen Rechtsvertreter mit der Einbringung eines Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes betraut, ohne geeignete Ermittlungen durchzuführen, allein auf Grund der Aktenlage entschieden, an Bedeutung. Wenngleich der belangten Behörde insofern zuzustimmen ist, daß dieses Vorbringen nicht geeignet sei, das festgestellte tatbestandsmäßige Verhalten des Beschwerdeführers zu rechtfertigen, so hat sie, weil sie sich mit der subjektiven Tatseite nicht befaßt hat, übersehen, daß sie dem Beschwerdeführer bei Zutreffen seines Vorbringens ein vorsätzliches Verhalten nicht zum Vorwurf hätte machen dürfen. Eine solche Verschuldensform wäre nämlich dann auszuschließen, wenn der Beschwerdeführer seinem Rechtsvertreter tatsächlich noch während des rechtmäßigen Aufenthaltes seiner mj. Tochter zeitgerecht den Auftrag erteilt hätte, einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes zu stellen, da er in diesem Fall darauf vertrauen hätte dürfen, daß sein Rechtsvertreter den Antrag rechtzeitig einbringen werde. Dieser Frage kommt somit entscheidende Bedeutung für die subjektive Tatseite zu. Da die belangte Behörde Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorbringens hegte, wäre es im konkreten Fall erforderlich gewesen, in einem Ermittlungsverfahren, insbesondere durch Vernehmung des Rechtsvertreters als Zeugen bzw. Einsichtnahme in dessen Handakt und allenfalls Vernehmung des Beschwerdeführers, zu klären, wann der Beschwerdeführer seinem Rechtsvertreter den Auftrag erteilt hat, um einen Sichtvermerk anzusuchen.

Insoweit wurde der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt.

Der angefochtene Bescheid war demnach im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190208.X00

Im RIS seit

28.01.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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